Wechselhaftes Programm, wechselhaftes Wetter und ganz viel Gefeiere und Getanze – am letzten Juli Wochenende rief das Amphi Festival 2024 zum 18. Mal die Fans der Rock-, Gothik- und Elektro-Musik in den Tanzbrunnen nach Köln.

Mit über 40 Bands auf den drei Bühnen erwartete die Besucher ein volles Programm. Auch zeitlich gesehen. Denn Amphi-typisch wurde der Zeitplan im Verlauf des Tages immer enger und die Zuschauerbereiche immer voller, so dass ein Wechsel zwischen den Bühnen kaum noch möglich war. Gerade die Orbit-Stage auf dem Schiff ist immer wieder von Einlass-Stopps betroffen. Wer dort eine Band am späten Nachmittag sehen möchte, muss eigentlich schon ein oder sogar zwei Bands vorher rüber gehen, um erstens noch auf das Schiff zu kommen und zweitens einen guten Platz zu ergattern.

Amphi Festival – Tag 1, 27.07.2024

Wenn acht Bands innerhalb eines Tages auf einer Bühne spielen sollen und die Veranstaltung aufgrund von Vorgaben um 22 Uhr enden muss, dann muss es früh los gehen. So auch am ersten Tag des Amphi Festivals. Bereits um 10 Uhr öffneten sich die Tore und ließen die Menschen einströmen. In diesem Jahr gab es keine Unterscheidung in Fast- und Luggage-Lane, es ging aber trotzdem schnell und verzögerungsfrei. Trotz der wirklich vielen Fans, die um diese Uhrzeit bereits auf das Gelände wollten. Und zum Merchandise-Stand. Egal, zu welcher Uhrzeit man dort vorbei kam, man fand eine mehr oder weniger lange Schlange Wartender vor, die das Merch leer kaufen wollten. Da wäre es fast eine Überlegung wert, in Zukunft einen zweiten Merch-Stand zu etablieren, um die Menschenmenge im vorderen Bereich des Geländes etwas zu entzerren.

Wer das volle musikalische Programm genießen wollte, hatte bis um 11 Uhr Zeit, sich mit Merch, Getränken und was auch immer zu versorgen, dann ging es an die Main Stage. Alienare eröffneten das Festival. Und wunderten sich selbst darüber, in wie viele Gesichter sie sahen. Der Zuschauerbereich war für die Uhrzeit ungewöhnlich gut gefüllt. Sänger Tim konnte es selbst kaum glauben. Die Synthie-Pop Formation aus Norddeutschland legte aber auch eine Show auf die Bretter, die auch einen späteren Zeitslot gerechtfertigt hätte. Als Opener ein absolutes Highlight, das mit der Mitmach-Show auch den letzten Rest Müdigkeit wegfegte.

Manntra Fotografin Nina Hermes

Die zweite Band brachte direkt einen harten Genre-Wechsel mit sich: es ging weiter mit Folk Metal von Manntra. Die Kroaten haben bereits einiges an Bühnenerfahrung sammeln können, was sie, ähnlich wie Alienare, deutlich unter Beweis stellten. Auch bei ihnen liefen die Publikums-Animierungsversuche nicht ins Leere, im Gegenteil: auch hier überraschte nicht nur die Vielzahl der Fans zu dieser Uhrzeit, sondern auch ihre Mitmach-Laune. Hat man bereits die ein oder andere Manntra-Show gesehen, weiß man, dass The Barren King irgendwann das Surfbrett raus holt und sich von den Fans tragen lässt. Hatte man zuvor noch Bedenken, dass das zu dieser Uhrzeit schief gehen könnte, wurde man schnell eines besseren belehrt. Denn es ging sogar ziemlich weit raus mit dem Surfbrett. The Barren King musste zwar ein bisschen dirigieren, um zum Ziel (also einmal raus in die Menge und wieder zurück) zu kommen, aber das verlief erstens reibungslos und zweitens unfallfrei.

Ein bisschen kam bereits das Gefühl auf, dass vor allem die frühe Session ein ziemlich großer Erfolg werden könnte. Denn als nächstes folgte ein weiterer Publikumsliebling: Es gab NDH von Schattenmann auf die Ohren und in die Beine. Und das auch noch 10 min zu früh. Manntra hatte bereits die Pyrotechnik etwas getestet, Schattenmann machten damit auch ein bisschen weiter, hüllten sich zwischendurch in dichten grünen Dunst und hatten noch allerlei mehr Spielzeug dabei, um das eh schon angeheizte Publikum weiter bei Laune zu halten.

Von jetzt an begann das Bühnen-Wechsel-Spiel. Es ging Schlag auf Schlag. Wobei die Orbit-Stage einen Rückschlag einstecken musste: bei den Aufbauarbeiten kam es zu einem Unfall von Drummer von Bloody Dead and Sexy, der einen Auftritt leider unmöglich machte.

Ost+Front Fotografin Nina Hermes

Während auf der Main Stage die letzten Klänge von Schattenmann ertönten, eröffneten im Theater Blackbook das Tanzgeschehen. Wer sich dann so richtig verausgaben wollte, machte sich zuerst zu Ost+Front auf der Main Stage auf den Weg, rannten dann zum Schiff zu A Projection und dann zurück ins Theater, um bei Die Selektion recht wenig zu sehen. Die Amphi-Neulinge holten alles aus der Theater-Trickkiste raus, was sie an „es war atmosphärisch“ zu bieten hatte: wenig bis gar kein Licht mit einzelnen – nennen wir es mal – Highlights und dezent viel Nebel. Musikalisch aber überzeugte Die Selektion deutlich. Allerdings haben sie auch den unfairen Vorteil der für das Amphi eher exotischen Trompete, was direkt ein bisschen Aufmerksam auf sie zog.

Weiter ging das Bühnenhopping. Nicht nur für die Fans, auch für den nächsten Act auf der Main Stage: Erk Aicrag rannte mit Hocico von einer Bühnenseite zur anderen und wieder zurück und sorgte so für ein bisschen Kopf-Bewegungstraining bei den Fans. Allerdings war diese links-rechts-Bewegung ein gutes Aufwärmprogramm für das den Rest des Tages anhaltende Kopfschüttelverhalten ob des Regens, der konstant, mal stärker, mal schwächer, vom Himmel fiel und das Publikum ordentlich durchnässte. Zum Glück aber blieb das kurzzeitig drohende richtige Unwetter aus. Bei Diary of Dreams und Project Pitchfork konnte man sich draußen ja wieder trocken springen oder man tat sein einen Anteil dazu, die Luftfeuchtigkeit im Theater zu erhöhen und tanzte den Regen bei Agent Side Grinder und Neuroticfish weg. Für diejenigen, die auf das Schiff geflüchtet waren, gaben Principle Valiente, Minuit Machine und Je t’Aime das Trocknerprogramm.

Und ehe man sich versah, war es auch schon Zeit für die Headliner des ersten Tages. Und die machten es einem mit der Bühnenwahl gar nicht mal so einfach. Zumindest waren sie musikalisch unterschiedlich genug, dass man der einen oder anderen Präferenz folgen konnte. Wer allerdings Then Comes Silence auf der Orbit sehen wollte, der musste schon etwas eher rüber gehen.

Eisbrecher Fotografin Nina Hermes

Auf der Main Stage brachten derweil Eisbrecher den Tanzbrunnen zum Beben. Gewohnt lässig animierte Sänger Alex Wesselsky die Fans zum Mitmachen und vor allem zum Mitsingen. Von der Not-OP im Juni war ihm erfreulicherweise kaum etwas anzumerken. Und so warfen Eisbrecher einen Hit nach dem anderen ins Publikum, nahmen dankend den Jubel und Applaus entgegen und erfreuten die Fans mit diverse verbalen Kabbeleien bezüglich Alter, dadurch bedingten Demenzerscheinungen und das übliche eben. Ein überaus gelungener Abschluss des ersten Tages auf der Main Stage.

Nicht weniger erfolgreich verlief es im Theater. Dort gaben Aesthetic Perfection ihre erste Show in diesem Jahr. Es war dunkel, es war heiß. Und Daniel Graves heizte zudem noch weiter ein, holte das letzte bisschen Energie aus den Fans raus und ließ sich schweißtreibend in den Feierabend tanzen.

Auch wenn das Wetter nicht ganz mitspielen wollte, so war der erste Festival-Tag doch ein voller Erfolg. Sowohl Bandauswahl als auch deren Programm boten für jedermann was. Und wer dann doch noch nicht genug hatte, blieb halt noch zur Aftershow.

Amphi Festival – Tag 2, 28.07.2024

Der zweite Tag des Amphi Festivals startete sonnig und blieb glücklicherweise auch so. Da fiel man gerne zu früher Stunde aus dem Bett und machte sich auf den Weg zum Tanzbrunnen, um pünktlich zur Toröffnung um 10 Uhr auf das Gelände zu schlendern. Wer es am Vortag nicht geschafft hatte, sich mit Merch zu versorgen, der musste früh kommen. Denn auch am Sonntag nahm die Warteschlange am Stand kein Ende.

Auf der Main Stage ging es um 11 Uhr los. J:DEAD waren spontan für ES23 eingesprungen, die leider absagen mussten. Wie schon am Samstag war erstaunlich viel los. Und so freuten sich nicht nur Sänger Jay und seine Kollegen über viele Zuschauer, sondern auch die Fans über ein echt gutes Set, dass einen ordentlichen Start in den Tag lieferte.

Es folgte ein dezenter Genre-Wechsel vom Synthiepop-haften Sound von J:DEAD zu Metal von Soulbound. Auch die Bielefelder hatten wenig Mühe, das Publikum zu begeistern. Das war, wie bereits am Vortag, offenbar eh begeistert von allem. Sänger Johnny Stecker hielt es nicht die ganze Zeit auf der Bühne. Bereits zu einem der ersten Songs wagte er sich ganz nah an seine Fans heran und verbrachte einige Minuten im Graben an der Absperrung. Aber auch die Performance der anderen Jungs überzeugte und Soulbound funktionieren als Gesamtkonzept sehr gut.

Heldmaschine Fotografin Nina Hermes

Und wo wir gerade bei Gesamtkonzept sind: die nächsten beiden Bands auf der Main Stage beherrschen das nahezu in Perfektion. Den Anfang machten The Other. Dachte man zuvor noch, dass die Show der Horror-Punker auf der Main Stage zu Mittag doch gar nicht funktionieren kann, der wurde schleunigst eines besseren belehrt. Rod Usher wickelte das Publikums flugs um den Finger und die anderen lieferten ebenfalls eine grandiose Show ab. Da knüpfte Heldmaschine nahtlos dran an. Die Koblenzer sind ein absoluter Publikumsliebling. Nicht nur aufgrund der diversen Spielzeuge, die die Show unterstützen, sondern auch aufgrund der sympathischen Persönlichkeiten, die da die Bühne rocken.

In der Zwischenzeit war auch das Programm im Theater gestartet. Ruined Conflict machten den Anfang und brachten die vom Vortag vielleicht noch etwas müden Beine der Tanzwütigen mit ihrem Futurepop erstmal in Bewegung. Wer weiter tanzen wollte und im Theater blieb, den erfreuten anschließend noch Dark und The Beauty of Gemina.

Auf dem Schiff erfreuten am Sonntag übrigens nicht nur der Schutz vor der Sonne und die Klimaanlage die Amphi-Jünger, sondern auch Auger, Deus ex Lumina, Ultra Sunn und Girls under Glass. Wer aber gerade zu den letzten beiden Acts Henric de la Cour und Kirlian Camera wollte, der musste früh da sein. Angaben zu Folge wurde es doch etwas voll an der Orbit Stage.

Auf der Main Stage wurde es nach der Flut an Menschen und Instrumenten der ersten Acts etwas übersichtlicher. Ein großer Tisch mit allerlei technischem Gerät bedient von drei Mannen und einer mit Mikro davor: Faderhead läuteten die zweite Hälfte des Tagesprogramms ein und heizten nochmal ordentlich bei der Stimmung nach. Wovon anschließend auch Solar Fake profitierten und vor einem bestens gelaunten Publikum auftrat. Was Sven Friedrich offensichtlich emotional etwas berührte und deutlich erfreute.

Wem die Sonne zu hell, die Luft zu frisch und die Sicht zu klar war, der begab sich ins Theater. Den Merciful Nuns war es aber offensichtlich auch mit dem wenigen Licht noch zu hell und kompensierten das mit ihren Sonnenbrillen. Den Fans reichte die Sicht allemal und die Fans des gepflegten Gothic Rocks tanzten im Rhythmus mit. Getanzt werden sollte auch bei Peter Heppner’s Tanzzwang. Zuschauen war auch nicht wirklich möglich, da auf der Bühne nur ein minimales Lichtkonzept etabliert war. Da blieben nur Zuhören und eben Tanzen.

Draußen war die Sicht deutlich besser. Blutengel verwöhnten ihre Fans mit allem, was diese so sehen wollen. Chris Pohl und Ulrike Goldmann glänzten bei Gesang und Performance, unterstützt von den obligatorischen leicht bekleideten Frauen. Allerdings wirkten diese wirklich nur wie Beiwerk, das irgendwie auf der Bühne unterging. Aber die Fans macht es glücklich und es gehört dazu.

Goethes Erben Fotografin Nina Hermes

Was auch zu einem Tag wie heute dazu gehört: das Ende. Und das rückte nun heran. Die drei Headliner betraten auf den jeweiligen Stages die Bretter. Während die Main Stage von And One in Beschlag genommen wurde, begeisterten im Theater Goethes Erben mit einer durchdachten, für eine Videoproduktion vorgesehenen Show. Was auch dazu führte, dass man tatsächlich sehen konnte, was auf der Bühne geschah. Oswald Henke war voll in seinem Element und lieferte eine theaterhafte Show ab, die seinesgleichen sucht. Von allen drei Bühnen hörte man zum Abschluss nur Gutes und so konnten die Amphi-Besucher ihr Festival gebührend beenden und sich glücklich auf den Heimweg machen.

Das Amphi Festival 2024 hatte wieder einiges zu bieten. Die über 40 Bands machen es einem immer schwer, sich für eine Bühne zu entscheiden. Gerade die Headliner betreffend. Das Ambiente ist einfach unschlagbar und bietet massenhaft Platz und Gelegenheit, sich zwischendurch mal auszuruhen und trotzdem der Musik von der Main Stage zu lauschen. Nur bei wirklich heftigen Regenschauern wird es mit den Unterstellmöglichkeiten etwas knapp. Und bei zu viel Sonne mit den Schattenplätzen. Aber nun ja, jammern auf hohem Niveau.

Im nächsten Jahr geht es weiter. Unter anderem mit Anne Clark, Oomph, Die Krupps, She Past Away und vielen weiteren Acts. Termin (19.-20.07.2024) also vormerken. Oder direkt Ticket kaufen. Mehr Infos gibt’s auf der Amphi-Homepage.

 

Fotogalerie: Amphi Festival 2024

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