Das kleine Städtchen Selb in Bayern verwandelt sich am ersten September Wochenende in eine Zeitmaschine. Man wird in längst vergangene Epochen zurückversetzt, sobald man den Zeltplatz betritt. Das Festival Mediaval ist mehr als ein reines Musikspektakel, denn neben dem Bühnenprogramm wird für die Besucher Workshops, LARP-Runden und ein großzügiger Mittelalter-Markt geboten, die Vollbedienung in Sachen „Dunkles Zeitalter“ also. In Zeiten des großen Festival-Sterbens ist das Mediaval eines der Zusammenkünfte, das stetig wächst und sich weiterentwickelt.

Der erste Tag

Wie es sich für ein Mittelalter-Spektakel gehört, wurde die offizielle Festival-Eröffnung mit der Markteröffnung zusammengelegt und so tummelten sich bereits früh an diesem Tage viele Gewandete auf dem Veranstaltungsgelände. Da sich das Festival in der Szene bereits einen ansehnlichen Ruf erspielte, gibt es sogar „Eigengewächse“, die ihren Erfolg in Selb begannen. Eine dieser Bands sind die Zwillinge von PurPur, die mit ihrer handgemachten Musik so manchen LARP-Abend musikalisch untermalten und sich nun einer breiteren Masse vorstellen konnten. Die Musik ist sanft bis lustig und genauso verhält es sich auch mit den Texten. Launische Geschichten aus dem Mittelalter oder Mutmaßungen, ob wirklich alles so romantisch damals war, gehören für die beiden Zwillinge genauso dazu, wie das obligatorische Augenzwinkern in jedem ihrer Texte.

Neben den zwei Hauptbühnen gibt es auch noch zwei weitere Bühnen. Das Besondere daran ist, dass die kleineren Bühnen unverstärkt sind und somit auch Gauklern, Feuerspuckern und Akrobaten eine Auftrittsmöglichkeit bieten. Es kann also gut sein, wenn man zwischen den Bühnen umherpendelt, dass man einfach von einem Spektakel abgelenkt wird und so die Zeit vergisst. Magische Momente sind also bereits vorprogrammiert.

Als nächste Band stand Feuerschwanz auf dem Programm. Der Hauptmann und sein geiler Haufen unterhalten ja schon seit fast einer Dekade die Mittelalter-Fans, die sich selbst nicht so ernst nehmen. Als Höhepunkte dieser wirklich Met-süchtigen Band kann man „ Metnotstand im Märchenland“ und das legendäre „Met und Miezen“ festhalten. Kaum eine andere Band schafft es, neben guten Songs, auch eine solch gelungene Bühnenshow abzufeiern, woran die Miezen nicht ganz unschuldig sind und insbesondere die männlichen Besucher immer wieder zu Begeisterungsstürmen hinreißen. Zwei weitere Bands, die so etwas wie eine Dauerkarte fürs Mediaval haben sind Omnia und Faun. Omnia seit jeher für ihre naturverbunden Klänge bekannt, treffen hier auf eine dankbare Menge, die ihre Songs lebt und liebt. Sicher sehr ruhige und sanfte Klänge, die jedoch ihre Wirkung beim Publikum nicht verfehlen. Um Faun gab es in jüngster Zeit ja viele Diskussion, aufgrund des neuen Albums. Davon war an diesem Abend nichts zu merken, ob die Klassiker wie „Tinta“ oder das neuere „Diese kalte Nacht“. Oliver und seine Mitstreiter wurden gefeiert, als ob es keinen Morgen geben würde. Wie passend war da doch die Textzeile aus dem Song „Alba“ : „Ich kann den Morgen seh’n“. Ein wirklich schönes Abschlusskonzert des ersten Tages. Die Menge versammelte sich noch an den Metständen oder machte sich auf dem Weg zum Campingplatz, um am Lagerfeuer noch gemeinsam zu zechen und zu palavern.

Tag Zwei

Der zweite Tag begann früh mit den Vorjahressiegern in der Kategorie „Mittelalter-Rock“: Elmsfeuer. Eine Band, die den Piraten-Trend im Mittelaltersektor musikalisch untermalt ist natürlich genau das richtige, um den Morgen zu begehen. Mit ihrer Mischung aus Seemannsliedern und rockigen Melodien schafften sie es die Meute hinter sich zu bringen und das Mediaval zu entern. Höhepunkt war definitiv die Hymne an Zechgelage aller Art, das „Tavernenspektakel“. Im Anschluss daran, gaben die Mädels von PurPur ihr Akustik Konzert, das sehr viel Anklang fand und ihnen einige neue Fans bescherte. Keine Frage, die beiden Zwillinge prägen die Mittelalter-Szene bereits jetzt schon. Man darf also gespannt sein, was da noch auf uns zukommen wird. Ein ebenfalls ungewöhnliches Projekt ist Kauna. Gegründet von Oliver Satyr, seines Zeichens kreativer Mastermind von Faun, hat sich auf die Fahne geschrieben, alte Weisen und Spielarten in die Jetzt-Zeit zu bringen. Handwerklich hervorragend hört man so feine Nuancen heraus, die dem Zuhörer sonst vorborgen geblieben wäre. Sicher keine einfache Kost, aber ein kultureller Höhepunkt war es allemal und für Alle, die gern tiefer in die Materie einsteigen wollen, war es sicher eine Art Offenbarung. Die Spielleute um Poeta Magica ließen sich eher von bekannten Sagen leiten und präsentieren ihre Interpretation der „Edda-Sage“, die als eine der bedeutendsten Sagen der germanisch-nordischen Mythologie gilt. Sanfte Klänge, die dem Geschehen die passenden Klängen verlieh und im Rahmen des „Nordic Specials“ stattfand. Ein anderes Brett schlugen die Jungs von Winterstrom an. Die Franken, die ihre Karriere in Selb begannen und mittlerweile auch in Wacken spielten durften, präsentierten sich in bester Spiellaune. Ob ältere Songs wie „Fortune‘s Blood“ oder neuere Stücke wie „Sail the unknown seas“, das Publikum kannte jede Silbe und feierte die Band gehörig ab. Natürlich wissen die Jungs, was die dem Auditorium in Selb schulden und so wurde gleich das Video zur neuen Single „ Metiaval“ (eine Wortschöpfung aus Metal und Mediaval) gedreht. Wenn nicht hier, wo dann? Ein wirklich denkwürdiger Auftritt, der seine Eindrücke auf beiden Seiten zurückließ und sicher in die Annalen der Bandgeschichte eingehen wird.

Den Abschluss des Tages boten Garmarna, die ebenfalls im Rahmen des „Nordic Specials“ ihre Interpretationen von „Herr Mangelig“ oder „Vänne och fränne“ darbot. Der Abend klang leise aus und das Getümmel an den beleuchteten Ständen wurde lebhafter.

Der dritte Tag

Nach einer kurzen Nacht und immer noch im Mittelalter luden die Spielleute um Impius Mundi zum morgendlichen Tanz. Die Herren, die dieses Jahr zum ersten Mal im Metal-Mekka Wacken spielen durften, begeisterte die versammelte Masse mit ihrer handwerklichen guten Kunst aus längst vergangenen Zeiten und bewiesen, dass es auch in der heutigen Zeit noch echte Spielleute gibt. Über das Corvus Corax Nebenprojekt Berlinski Beat wird an dieser Stelle kein Wort verloren, da diese Band wohl eher auf dem „Splash-Festival“ angesiedelt ist und mit Mittelalter nichts zu tun hat. Eine weitere Band des „Nordic Specials“ war Wolfsmare, die sich als Folk-Metal Combo angekündigt hatte. Die Texte waren ausgereift, jedoch fehlte der Musik und der Melodie der Drive, den es einfach benötigt, wenn man in diesem Bereich spielt. Man darf also gespannt sein, wie sich diese Band weiterentwickelt, die Ansätze sind jedenfalls da und bereit zur Verfeinerung. Ansonsten stand der dritte Tag ganz im Zeichen der Gaukler und der Workshops, sodass es weniger Konzerte gab, als die Tage zuvor, was allerdings etwas Freiraum ließ, um über den großzügig angelegten Markt zu schlendern und noch einmal etwas in die Welt des Mittelalters eintauchen zu können. Am Abend stand dann das Grande Finale an. Die Spielleute von Corvus Corax präsentieren in Zusammenarbeit mit Wadokyo ihre energiegeladene Show, für die sie ihre Fans zu lieben. Eine wirklich packende Show, die ihres Gleichen sucht und wirklich ein außergewöhnlicher Ausklang des Festival war. Ob die Klassiker wie „ In taberna“ oder das neuere „Ragnaröek“, das Publikum war gebannt von der Kraft der Trommeln und der Dudelsäcke, sodass es nach dem Erklingen des letzten Akkordes zu Beifallsstürmen kam und die Berliner konnten zufrieden auf einen wirklich erfolgreichen Auftritt zurückblicken.

Fazit: Das Festival Mediaval ist das außergewöhnlichste Festival, das derzeit in Deutschland stattfinden. Neben der gelungen Mischung der verschiedenen Stilrichtungen ist auch das Publikum bunt gemischt. Alle Altersklassen finden hier ihren Spaß und feiern gemütlich miteinander. Sicher ist es kein Mega-Event, aber als Nischenfestival lohnt sich ein Besuch auf jeden Fall, denn ein Veranstalter, der mit so viel Herzblut und Mühe an die Sache ehrangeht, findet man nur noch selten. Der Eintrittspreis ist mit ca. 80 Euro sehr fair und bietet dafür sehr viel. Der Besuch lohnt sich, seid ihr bereit Grenzen zu überschreiten?

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