Samsas Traum - Poesie: Friedrichs Geschichte Anfang Oktober erschien das neue Samsas Traum Album „Poesie: Friedrichs Geschichte“, das über Crowdfunding finanziert wurde. Bereits im Vorfeld waren Informationen zum Hintergrund des Albums, sowie ein erster musikalischer Vorgeschmack in Form des Tracks „Wir fahren in den Himmel (und ich kotze Angst)“ bekanntgeworden, doch die wenigsten werden geahnt haben, dass sich hinter dem leicht sperrigen Namen ein Werk verbirgt, bei dem sich Abgründe auftun.

Während die Aktion T4, die systematische Ermordung von geistig oder körperlich Behinderten und psychisch Kranken im Dritten Reich, die in diesem Werk thematisiert wird, im Geschichtsunterricht meist nur als Teil des Ganzen thematisiert wird, wird dem Hörer hier exemplarisch ein Schicksal in Form des Jungen Friedrich präsentiert, der die Vernichtungsmaschinerie durchläuft.

Wenn zu Beginn des Albums im Stück „Sauber“ in scharfen, zynischen Worten haarklein aufgelistet wird, welches Klientel in den Anstalten auszuwählen ist, und mit „tipp‘ sie alle durch den Schornstein“ die Konsequenz dieser Auswahl deutlich aufgezeigt wird, wenn im Refrain plötzlich Worte wie „Sieg!“ und „Heil!“ auftauchen, dann wird einem erst bewusst, auf was man sich hier eingelassen hat. Der eingängige Text wird zum Ohrwurm, und vielleicht ertappt man sich, wie man unbewusst diese grausamen Worte mitspricht – und hält inne, reflektiert.

Denn während Musik mittlerweile häufig ein reines Konsumgut geworden ist, das uns im besten Fall einen Ohrwurm verpasst, tritt die emotionale Komponente zunehmend in den Hintergrund. Der Markt wird von schnelllebiger, austauschbarer Massenware beherrscht, nur noch selten gibt es Musik, die einen bewegt, nachdenken lässt, tief berührt. Und das schaffen Samsas Traum, schafft Alexander Kaschte mit „Poesie: Friedrichs Geschichte“ auf seine ganz eigene Art und Weise. Ich zumindest kann mich nicht daran erinnern, jemals ein derart beklemmendes Gefühl beim Hören eines Albums gehabt zu haben, mich jemals gefragt zu haben: „Darf man so einen schrecklichen Text überhaupt mitsingen?“

Es entbehrt jeglicher Logik, dieses Album Stück für Stück auseinanderzunehmen, es analysieren und im Detail rezensieren zu wollen. Man muss es hören, sich darauf ein- und die Musik auf sich wirken lassen. Eines lässt sich aber mit absoluter Gewissheit sagen: Samsas Traum machen mit „Poesie: Friedrichs Geschichte“ alles richtig, greifen ein wichtiges, schreckliches Thema auf, präsentieren es in einer herausragenden Kombination aus Sprechgesang und Musik und schaffen ein Werk, das seinesgleichen sucht.

Ein absolutes Meisterwerk und für mich das Album 2015. Ich bin gespannt, wie Samsas Traum das Album auf der kommenden Tour präsentieren.

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