Gut zwei Jahre nach dem letzten regulären Studioalbum Minor Sun erscheint mit Flying with the Owl das nunmehr 8. Studioalbum von The Beauty of Gemina. Und wieder bleibt alles beim Alten und ist damit erneut anders als bisher, denn The Beauty of Gemina weigern sich weiterhin irgendeine Schublade zu bedienen oder sich auf der hohen musikalischen Qualität auszuruhen. Es ist die Stärke dieser Schweizer Formation, Genregrenzen zu überwinden und dabei verschiedenste sich scheinbar widersprechende musikalische Einflüsse wie Folk, Country, Wave zu verbinden. Diese scheinbare Widersprüchlichkeit findet sich schon beim Artwork, welches den Albumtitel in einer von Zeile zu Zeile wirrer werdenden Wiederholung auf einem weißen Untergrund zeigt. Auch Songtitel wie „Monsters“, „Tunnel of Pain“ oder „Suicide Day“ deuten an, dass hier der helle Eindruck der weißen Grundfarbe mitunter trügerisch sein wird. Last but not least wurde mit der Eule ein namensgebendes Tier gewählt, welches -wohl nur noch vergleichbar mit dem Wolf- für widersprüchliche Interpretationen und Wahrnehmungen steht. Inhaltlich werden dementsprechend auch sämtliche Facetten der menschlichen Existenz und existenzielle Emotionen thematisiert: Ängste, Sehnsüchte, Liebe, Widersprüche, Hoffnungen.
Die kontinuierliche Weiterentwicklung und das ständige ausloten von neuen Stilrichtungen, Klängen und Einflüssen von The Beauty of Gemina finden sich auch bei den involvierten Musikern wieder. Neben Mastermind, Nukleus, Herz und Stimme Michael Sele ist Mac Vinzens am Schlagzeug die einzige beständige Komponente. Zu diesen beiden Musikern gesellen sich diesmal zudem eine Reihe international renommierter Gastmusiker, welche teilweise schon im Live Ensemble der erfolgreichen Silent Land Tour im Jahr 2017 mit dabei waren. Am Saxophon ist der isländische Jazz Saxophonist Eyjolfur Thorleifsson zu hören, am Cello der in Nizza lebende Schweizer Musiker Raphael Zweifel, welcher ua. mit den Toten Hosen auf deren Akustik Tournee zu hören war. Weiter sind an der Geige die bekannte Fidlerin und auch in der Schweizer Volksmusik versierte Violinistin Eva Wey und am Tieftöner erneut Freund und Bassvirtuose Philipp Küng, welcher schon bei den Alben Iscariot Blues und Ghost Prayers bei den Aufnahmen mit von der Partie war
Betracht man diese Zusammensetzung der Band und kennt man die Fähigkeit Michael Seles Musikstücke voller Intensität und Komplexität zu schreiben, dann ist es keine Überraschung, dass „Flying with the Owl“ ein Werk voller Energie ist, welches komplett auf laute Momente verzichtet. Allen Songs gemeinsam ist diese Kraft, tief in den Hörer einzudringen. Dies setzt allerdings, ebenso wie bei „Minor Sun“ voraus, dass dieser bereit ist für diese Musik gewordene Emotionalität und keinen schnellen nebenbei Musikkonsum erwartet. Das Album ist in sich im positiven polarisierend, da hier leicht dahinfließende Melodien mit Emotionen verbinden, welche die dunkle Seite des Lebens akustisch abbilden.
Fazit
Flying with the Owl ist ein Album mit Tiefgang welches geradezu nach einem bequemen Sessel, einem schweren Wein und der Hingabe des Hörers ruft. Mehr als noch die Alben zuvor liefern The Beauty of Gemina hier kein musikalisches Fastfood für den schnellen Konsum nebenbei, sondern vielmehr ein ambitioniertes und sehr ausgereiftes Werk, welches dem bewussten Hörer viele Facetten und Details bietet, die entdeckt werden wollen. Den Fan erwartet hier eine Symbiose aus Leichtigkeit und Schwermut, aus dahinfließen und hinabsinken mit einer hypnotischen Wirkung, welche einen auf einen nächtlichen Flug mit der Eule nehmen werden.
Holger Bücker