Am 13.3.2008 startete Unheilig offiziell die Tournee zum neuen Album „Puppenspiel“ mit einem ersten Konzert in der Live Music Hall in Köln. Mindbreed war vor Ort und sprach mit dem Grafen kurz vor Beginn der Show mehr oder weniger entspannt über die anstehende Tour, das neue Album und natürlichen den Grafen selbst.

Torsten: Gab es einen besonderen Grund dafür Köln als Tourauftakt zu wählen?

Der Graf: Mir war wichtig, dass man die ganze Tour so macht, dass es einen schönen Kreis durch Deutschland ergibt und ich muss dazu sagen, die meisten kommen gerade aus dem Münsterland. Ich komme persönlich aus Aachen, daher ist der erste Weg dann nicht ganz so weit. Irgendwo muss man ja anfangen, aber ich finde gerade auch Köln so besonders schön. Die Location ist super, komplettes Catering und eine schöne große Bühne und wie gesagt: irgendwo muss man anfangen. Warum das jetzt gerade Köln ist, weiß ich auch nicht, aber mir kommt´s eigentlich ganz gelegen. Ist natürlich nicht so weit von Aachen entfernt und das Publikum ist natürlich immer supergeil.

Torsten: Hast du irgendwelche besonderen Erwartungen an diese Tournee?

Der Graf: Eigentlich so wie immer: Dass die Leute, die kommen auch einen guten Abend haben. Also das ist für mich das Wichtigste. Die sollen nach Hause gehen und sagen „Mensch, das hat sich gelohnt, das war toll!“.

Ansonsten sollte man jetzt auch nicht große Erwartungen haben glaube ich. Also dass es jetzt direkt nach vorne geht oder so. Mir ist es immer wichtig, dass die Leute, die auch extra von superweit her kommen einfach einen superschönen Abend haben und sich auch gerne daran wieder zurückerinnern.

Und es muss für alle, die mit dabei sind schön sein und eben auch Spaß machen. Das ist das Allerwichtigste.

Torsten: Kommen wir mal zum neuen Album: Bist du zufrieden mit dem Ergebnis? Denkst du das Album ist dir so gelungen wie du es dir vorgestellt hattest?

Der Graf: Ja, klar. Auf jeden Fall! Also von vornherein war mir eigentlich in gewisser Weise klar, dass man auch „Moderne Zeiten“ noch irgendwie weiterentwickeln kann. Von der textlichen Seite, von der kompositorischen Seite und gerade auch von der Produktionsseite. Und im Nachhinein muss ich sagen, dass das Album genau so geworden ist, wie ich es mir auch vorgestellt habe. Ich meine der große Vorteil diesmal war, dass ich ja jetzt die ganzen Livemusiker habe. Die haben das Album in einer gewissen Weise ja auch zu dem gemacht. was es jetzt ist. Also der Licky ist unser Gitarrist, der auch live auf der Bühne steht und der macht die ganzen Gitarren auch auf dem Album.

Es ist auch nach langen Jahren wieder so, dass ich auch einen Produzenten gesucht habe, der dann dieses Album produziert. Ich habe mich die letzten Jahre ja echt dagegen gewehrt, aufgrund der schlechten Erfahrungen gerade am Anfang und da habe ich dann den Keyboarder, der jetzt auch live auf der Bühne steht, den Henning Verlage, mitgenommen.

Der Vorteil bei ihm ist er hat schon mit extrem vielen Leuten zusammengearbeitet. Von Rosenstolz, Rammstein bis Wolfsheim und sowas. Er hat also schon für viele Künstler was gemacht und auch für Down Below, die heute Abend auch auftreten. Und das Gute ist einfach gewesen, da hat man schon gemerkt, dass ein großer Pool da war an Ideen, an Instrumenten und Sounds und überhaupt für die kompletten Songs. Also das hat das Ganze schon ziemlich nach vorne gebracht. Und ich konnte mich dann aus dem Grunde, weil ich auch wusste, dass er das ganze zum Klingen bringt, mehr auf die ganzen Lieder konzentrieren. Und im Nachhinein muss ich wirklich sagen es ist also für mich das bisher beste Album. Auf jeden Fall.

Torsten: Also du hast gesagt die Musiker haben das Album quasi mitbestimmt und mitbeeinflusst. War das vorher nicht so?

Der Graf: Nee, ganz am Anfang war das so: Phosphor war ja das erste Album von Unheilig und der Produzent war da der José Alvarez-Brill, der auch „die Flut“ mitgemacht und auch mit Wolfsheim zusammengearbeitet hat.

Von dem hab ich mich ab dem zweiten Album dann getrennt aus irgendwelchen Differenzen und seitdem habe ich dann im Prinzip alles alleine gemacht, das Schreiben, das Produzieren der Lieder. Und ich habe bei „Moderne Zeiten“ gemerkt es ist bei mir der Punkt erreicht, wo ich auf jeden Fall auch wieder neue Einflüsse brauche. Da ist es immer wieder ganz wichtig einfach auch mal Leute zu nehmen, die das als Hauptberuf haben. Ich habe also irgendwann gemerkt ich bin mehr Komponist und ich bin mehr Textdichter und habe die ganzen Lieder im Grunde genommen als Demoversion vorgearbeitet. Aber das letztendliche Endergebnis ist dann so gewesen, dass das dann wirklich der Produzent gemacht hat. Der Henning halt. Und der hat dem ganzen Song dann nochmal einen obendrauf gegeben und für mich war das so, dass man dadurch auch sofort eine Weiterentwicklung zum Vorgängeralbum „Moderne Zeiten“ hat. Und das war einfach schön, das war einfach toll. Und aus dem Grund seh ich dann auch gar keinen Grund in Zukunft das anders zu machen. Also wenn dann genau so.

Torsten: Also das heißt Unheilig entwickelt sich vom Soloprojekt des Grafen quasi hin zu dem Gemeinschaftsprojekt einer Gruppe.

Der Graf: Ja, also grundsätzlich seh ich´s immer noch so, dass es mein Soloding ist. Das ist ganz klar. Aber ich sehe es auch so, dass wenn man die Möglichkeit hat gute Leute und Musiker miteinzureihen, gerade was die Produktion angeht, finde ich, sollte man das dann auch im Studio und auf dem Album so sehen. Unheilig ist quasi der Graf, Live ist Unheilig der Graf plus Band und im Studio genauso. Mir ist halt immer noch wichtig, dass gerade diese Ideen und die Konzeption des kompletten Albums in meiner Hand liegen, weil ich natürlich da auch den gewissen Freiraum brauche.

Torsten: Kommen wir nochmal zurück zum aktuellen Album. Es geht ja um Puppen, Marionetten und Puppenspieler. Siehst du dich da mehr als Puppe oder eher als Puppenspieler?

Der Graf: Also der grundsätzliche Gedanke war ja „Die Welt ist eine Bühne“ und bei Puppenspiel geht es grundsätzlich erstmal darum, dass bei jedem Menschen etwas da ist, was einen in gewisser Weise auch führt. Und mal ist man die Puppe und mal ist man der Puppenspieler. Das kann ein Erlebnis sein, das du mit irgendeinem Menschen gehabt hast und was dich dann beeinflusst. Dann bist du die Puppe. Wenn du jetzt aber einem Menschen etwas sagst oder willst dass jemand etwas für dich tut, bist du ja quasi der Puppenspieler in diesem Moment. Also das varriiert, ist von Vornherein in keiner Weise festgelegt. Das spielt sich so einfach immer in einer gewissen Weise ab. Zum Beispiel bei einem Liveauftritt ist das ja ganz genau so. Man kann natürlich das Publikum in einer gewissen Weise führen, in einer gewissen Weise anfeuern und zum kompletten Mitmachen animieren, aber wenn du ein schönes Feedback vom Publikum bekommst ist es dann komplett umgekehrt, weil dich das dann wieder beeinflusst. Es ist also nicht so, dass man nur die Puppe ist oder eben nur Puppenspieler, sondern man ist immer in einem gewissen Wechsel.

Torsten: Du scheinst eine gewisse Vorliebe für das Thema Engel zu haben. Woher kommt das?

Der Graf: Die meisten glauben ja ich glaube gar nicht an Gott, aber ich bin ein recht gläubiger Mensch. Ich habe meinen eigenen Glauben für mich alleine gefunden. Ich brauche nicht in ein Haus zu gehen um zu beten, das kann ich auch im tiefsten Keller bei mir machen oder wie mein Herz mir das sagt. Und ich glaube schon daran, dass es in einer gewissen Weise Engel gibt, Schutzengel oder bestimmte Momente eben, wo einem einer aus dem Jenseits vielleicht ein kleines Zeichen gibt oder einem auch manchmal hilft. Ich brauch das auch um mit meinem Leben selber klarzukommen. Die Vorstellung, dass nach dem Tod gar nichts mehr ist, damit würde ich nicht klarkommen. Da ist in einer gewissen Weise etwas und für mich sind das Engel.

Torsten: Du bist also in gewisser Weise ein religiöser Mensch.

Der Graf: Ja, wobei es natürlich keine Religion ist, wo ich mich so zu Hause fühle. Ich bin eher ein gläubiger Mensch. Da sehe ich schon einen großen Unterschied. Religionen werden von anderen Menschen gemacht und da werden dann Gesetze gemacht, an die du dich zu halten hast und das liegt mir fern. Das ist für mich kein Glaube. Das ist in einem selber drin und das muss man eben fühlen oder eben nicht. Natürlich ist diese Einstellung, wenn man so mit dem Glauben umgeht, in den Augen der Religionen eben nicht mehr heilig, sondern un-heilig und aus dem Grunde kommt der Name. Das ist quasi der Grundgedanke von mir, weswegen wir uns so nennen. Das ist einfach eine Glaubenseinstellung.

Torsten: Deswegen also nicht einfach nur „Der Graf und Band“ oder etwas in der Art…

Der Graf: Jaja klar! Also das ist auch schon von vornherein so gewesen. Ich muss aber auch sagen, dass ich in einer gewissen Weise am Anfang vielleicht ein bisschen Intuition hatte, als ich den Namen gewählt habe. Aber ich merke, je älter (lacht) – oder reifer ich werde, dass das genau zutrifft bei mir. Es ist einfach so eine innere Einstellung und ich fühle mich darin auch immer mehr zu Hause und das ist auf jeden Fall gut so.

Torsten: Anfang ist ein gutes Stichwort. Es ist jetzt bald zehn Jahre her dass Unheilig zum ersten Mal in Erscheinung traten. Wie denkst du hat dich dieses Projekt innerhalb der letzten zehn Jahre beeinflusst oder geprägt?

Der Graf: Extrem. Am Anfang machst du ja Musik irgendwo in deinem Kinderzimmer und du machst die Lieder und irgendwann wandern sie in die normale Schublade. Irgendwann kam dann der Moment in dem ich mir gesagt habe „Ich möchte jetzt mal eine Veröffentlichung schaffen um mal zu schauen ob´s da draußen vielleicht Leute gibt denen die Musik dann auch noch gefällt“. Und wenn du dann merkst dass du viel positives Feedback bekommst und von Jahr zu Jahr kommen immer mehr Leute zu deinen Konzerten und du kriegst auch superschönes positives Feedback seitens der Fans, dann beeinflusst dich das schon. Also ich würde sagen die Musik beeinflusst mich extrem. Denn das ist mein Leben und ich fühl mich darin zu Hause. Ich will auch gar nichts anderes mehr machen. Ich denke schon, dass mich das als Mensch oder auch als Privatperson auf jeden Fall total beeinflusst hat. Denn man wächst ja auch damit.

Torsten: Unheilig wird allgemein ganz gerne in die Schwarze Szene eingeordnet oder auch als Nachzügler der Neuen Deutschen Härte angesehen. Fühlst du dich eigentlich selber dieser Szene zugehörig?

Der Graf: Ja, klar! Die Grundwurzeln überhaupt von Unheilig, von mir, der kompletten Musik sind in der schwarzen Szene. Da war das erste Feedback, das überhaupt gekommen ist, da hat man die Musik aufgenommen. Wobei ich ja nicht so ein Freund bin von diesen ganzen Unterteilungen und Katalogisierungen die es da alle gibt. Rock, Pop, Gothic, Metal, Hip Hop und wasweißichnichwie, das sind für mich eigentlich alles so Schubladen, die ich gar nicht so gerne mag. Mir geht es mehr um die komplette Musik. Welche Richtung dann von andern genannt wird, ist mir eher fremd. Aber wenn ichs auf jeden Fall sagen würde wo ich mich drin zu Hause fühlen würde, wenn ich diese ganzen Schubladen aufmache – ganz klar: Schwarze Szene. Das wird sich auch niemals ändern und ich denke auch alleine schon mit dem Namen ist es so. Da fühl ich mich zu Hause und da will ich auch bleiben.

Torsten: Bist du dann auch privat auf Konzerten und Veranstaltungen unterwegs?

Der Graf: Ich muss ganz ehrlich sagen privat ist es so, dass wenn ich dann mal zu Hause bin, schreib ich meistens Lieder und bin im Studio. Ich geb mir diese ganze Sache eigentlich wenn ich selber auf Tour bin oder wenn ich selber auf einem großen Festival spiele. Also das ist bei mir so eine Sache. Privat höre ich auch alles an Musik. Das brauch jetzt nicht nur gerade die Gothicmusik zu sein. Ich höre wirklich jede Musik außer eben, sagen wir mal, Marschmusik. Das kann alles sein. Ich bin eher ein Mensch der da überhaupt keinerlei Grenzen kennt. Bei mir geht´s immer nur darum ist das Lied schön oder eben nicht? Gefällt mir das oder nicht?

Ich mach da auch keinerlei Unterteilungen nach dem Motto „ich hör jetzt nichts, was irgendwie Popmusik ist“, sondern ich höre wirklich alles.

Torsten: Du bist letztes Jahr auf dem Amphi-Festival zusammen mit Imatem aufgetreten und hast dort als Gastsänger gesungen. Wie kam es denn zu dieser Kollaboration und könntest du dir vorstellen so etwas öfter zu machen?

Der Graf: Ja, also wenn mich die Leute fragen: Klar! Ich bin immer offen für alles, was es so gibt. Damals bei Imatem war es so, dass der Peter mich gefragt hat ob ich das mit ihm machen würde. Ich habe ja vorher auch schon mit ihm dieses Duett gemacht „Ich will leben“. Also das war wirklich völlig unkompliziert. Er hatte mich einfach gefragt und ich habe dann gesagt „ja klar, lass uns das machen!“. Bei mir steht immer an erster Stelle ob der Mensch meiner Wellenlänge entspricht, ob das irgendwie geht musikalisch. Und das hab ich vorher schon gemerkt bei dem Duett „Ich will leben“, dass das komplett eine Wellenlänge war und aus dem Grunde hatte ich überhaupt keine Hemmungen zu sagen „lass uns das machen“, als er mich dann gefragt hat.

Torsten: Es ist ja auch eines deiner Markenzeichen dass du dein Privatleben normalerweise zurückstellst und dass man eigentlich kaum etwas über dich weiß. Jetzt hast du aus aktuellem Anlass mit dem Song „An Deiner Seite“ eine Ausnahme gemacht. Was genau steckt da jetzt eigentlich dahinter?

Der Graf: Ja, das ist so, wie es der offene Brief an die Fans auch sagt: Ich habe einen guten Freund und der wird bald sterben und das Lied hab ich für ihn geschrieben. Damals bei „Mein König“ ist es ja genauso gewesen, nur da war mein Großvater ja schon zwei Jahre lang tot, bevor ich dieses Lied geschrieben habe und das war für mich immer ein kleiner Fehler im Nachhinein dass ich ihm das niemals vorspielen konnte und dass er niemals die kompletten Reaktionen der Leute miterleben konnte. Und ich will bei dem Lied „An deiner Seite“ dass derjenige die kompletten Reaktionen mitbekommt. Dass er weiß, dass irgendwann, auch wenn er nicht mehr da ist, wird trotzdem sein Lied weiter da sein. Das ist für mich wie eine Art kleines Denkmal. Ich will ihm einfach zeigen dass er immer dabei ist, auch wenn er mal weg ist. Er ist trotzdem noch da. Weil ich auch an Engel glaube. Das ist einfach für mich so und es gibt mir ein gutes Gefühl und ihm auch. Und aus dem Grund habe ich da einen großen Unterschied gemacht zu sonst. Wie gesagt: Mein Privatleben ist ja sonst völlig unbekannt und für dieses Lied hab ich eben diese eine Ausnahme gemacht und halte das für eine sehr schöne Sache weil es einfach menschlich ist. Aller Applaus, aller Erfolg ist in diesem Moment Nebensache. Es geht nur um den Menschen.

Torsten: Vielen Dank für dieses tolle Interview und einen guten Tourauftakt!

Der Graf: Alles Liebe und liebe Grüße an alle Leser.

Werbung
Redaktion
Unter diesem Benutzernamen werden Beiträge ehemaliger und freier Mitarbeiter zusammengefasst.