Aus Hamburg kommt die Band Philiae, die sich selbst irgendwo zwischen Pink Floyd und digitaler Bildstörung sieht. Nach einigen bandinternen Schwierigkeiten, die es zu meistern galt, haben Philiae jetzt nicht nur einen neuen Sänger, sondern endlich auch ein neues Album am Start. Grund genug den Hamburger Jungs mal etwas genauer auf den Zahn zu fühlen. Bassist AlexFrank spricht im Mindbreed Interview über die musikalische Entwicklung von Philiae, die Thematik des aktuellen Album „Propaganda“ und verrät, dass ihm auch schonmal der Kragen platzen kann …

Pamela: Hallo Alex. Die wichtigste Frage natürlich immer zuerst: Wie geht es dir/euch?

AlexFrank: Gut, danke. Nachdem wir endlich mit dem neuen Album fertig sind und merken wie super es ankommt. Wirklich ein befreites Gefühl.

Pamela: Würdest du Philiae bitte für all die Leser, die möglicherweise noch nichts von euch gehört haben kurz vorstellen.

AlexFrank: Wir sind PHILIAE. Post Industrial Rock aus Hamburg, Deutschland. Schön dich kennenzulernen,….Nein im Ernst, wir haben gerade unser neues Album PROPAGANDA veröffentlicht, existieren seit etwas über 5 Jahren, haben bereits 1 Album und eine EP released und möchten Dich, werter Leser zum Teil unserer Fanbasis machen. Das wollen wir schaffen, indem wir demnächst auch bei Dir spielen, Dir hintergründige, melancholisch-aggressive Musik schreiben und dabei unser Werk wichtiger nehmen als uns selbst. Wer noch mehr über uns wissen will geht am besten auf www.philiae.com. Dort findet er Antworten.

Pamela: Hat der Bandname Philiae eine besondere Bedeutung, oder handelt es sich dabei um ein reines Phantasiewort?

AlexFrank: Das Wort kommt ursprünglich aus dem griechischen und ist nur schwer ins deutsche zu übertragen. Es beschreibt neben dem Verlangen auch die Freundschaft oder die Liebe. Für mich war es immer ein Begriff für alles was man immer will und nie bekommt. Diese Bedeutung gefällt mir im Hinblick auf den Traum Rockmusik.

Pamela: Euer Debütalbum „Scapegod“ aus dem Jahre 2003 hat euch durchweg positive Kritiken beschert, warum hat es solange gedauert bis ihr euch mit einem zweiten Album zurück gemeldet habt? Lag dies an den Differenzen mit eurem damaligen Sänger Jane Doe, oder gab es noch andere Schwierigkeiten zu bewältigen?

AlexFrank: Die Schwierigkeiten welche bei diesem Album zu bewältigen waren übertreffen alles was ich in dieser Richtung bisher erlebt habe. Das geht weit über die Trennung von Chris hinaus. Natürlich war es schwer vorstellbar Chris zu kompensieren, aber da hatten wir mit Guido eigentlich das meiste Glück. Die wirklichen Schwierigkeiten kamen erst danach. In den 4 Jahren seit Scapegod und den 3 Jahren seit der Trennung von Chris hat das Pech uns schwer mitgespielt. Ein Wunder dass die Band das überlebt hat. Wir haben das Album im Grunde 3 mal aufgenommen, ständig gab es Zeitverschiebungen, der Sound wollte nicht stehen und am Ende haben wir kurz vor Fertigstellung in 2006 noch mit Krankheit bei Guido zu kämpfen gehabt. Wir hätten nur noch 2 Song Gesang recorden müssen und die Tour war auch schon gebucht. Am Ende fiel alles ins Wasser und das Album konnte eben erst jetzt im Juni veröffentlicht werden. Von daher kannst du dir vorstellen wie erleichtert wir jetzt sind. Das nächste Album kommt viel schneller. Versprochen.

Pamela: Nun habt ihr ja mit Guido Maria Kober einen neuen Frontman gefunden. Inwieweit hat ein neuer Sänger eure musikalische Entwicklung beeinflusst?

AlexFrank: GMK kam da zur Tür und Chris´ Schuhe haben ihm nicht mal über die Zehen gepasst. Das soll nicht abwertend sein für das was Chris für die Band geleistet hat, aber Guido entspricht doch wesentlich mehr dem Sänger den wir uns für PHILIAE gewünscht haben. Die musikalische Entwicklung war im Grunde schon vorher da, wir 4 wollten einfach in diese Richtung. Guido hat dann mit seinem Gesang bestimmte Sachen in der Form überhaupt erst möglich gemacht. Gesang will halt auch gelernt sein.

Pamela: Ein neuer Frontman, oder eine neue Frontfrau ist ja immer ein heikles Thema. Wie haben die Fans auf die Umbesetzung reagiert? Ging das reibungslos von statten, oder musste erst Überzeugungsarbeit eurerseits geleistet werden?

AlexFrank: Da gab es wie immer geteilte Meinungen. Die Überzeugungsarbeit hat Guido selbst übernommen. Ich höre von keinem der auf unsere heutigen Konzerte kommt, dass er lieber Chris wieder in der Band hätte. Diejenigen die das denken, falls es sie gibt, kommen dann wohl einfach nicht mehr.

Pamela: Nun habt ihr ja wie bereits erwähnt ein neues Album veröffentlicht. Wo seht ihr selbst die grössten Unterschiede zwischen „Scapegod“ und dem aktuellen Album?

AlexFrank: Scapegod war der Versuch von 4 verdrogten Jungs sich mal so richtig selbst zu inszenieren und dabei musikalisch auf die Kacke zu hauen. Das hat auch Charme, passt aber schlecht zur persönlichen Entwicklung welche man nun mal von Anfang 20 bis Ende 20 so durchmacht. PROPAGANDA ist im Grunde ein neues Debut Album. So wollen wir klingen, das haben wir zu sagen, das sind wir und so machen wir weiter. PROPAGANDA ist Songwriting und Inhalt, wo Scapegod Experiment und Form war. PROPAGANDA ist PHILIAE heute.

Pamela: Ihr selbst bezeichnet euren Musikstil als „Post Industrial Rock“. Kannst du diese Schublade mit eigenen Worten vielleicht ein bisschen näher erklären? Wer ist auf diese Bezeichnung gekommen?

AlexFrank: Eins ist mal klar, auf diese Bezeichung sind wir selbst gekommen. Ganz privat im Kämmerlein, ohne spicken. Erstaunlich finde ich das dieser Begriff in letzter Zeit öfter für bestimmte andere Acts benutzt wird. Vorrangig von Leuten welche uns kennen;) Der Begriff muss also stimmig sein.

Pamela: Mit PROPAGANDA thematisiert und kritisiert ihr die Meinungsmache der Medienmaschinerie. Warum liegt euch gerade dieses Thema besonders am Herzen?
Hat das einen speziellen, aktuellen Hintergrund, oder handelt es sich hierbei eher um eine allgemeine Kritik?

AlexFrank: Da PROPAGANDA ja bereits seit 4 Jahren von uns bearbeitet wird, ist kein aktueller Hintergrund Auslöser des Themas. Vielmehr ist es so, dass dieses Thema immer aktuell ist. Für mich handelt PROPAGANDA nicht vorrangig von Kritik am Mediensystem im Stil von „Du erzählst mir Lügen, die ich glaube, aber Du bist Schuld das ich nach ihnen handle“. So etwas empfinde ich als Ausrede. Es geht auf PROPAGANDA darum, dass wir uns, gerade in Zeiten offensichtlicher weltpolitischer Wandlungen, fragen sollten wer wir sind und was unsere eigenen Bedürfnisse sind. Wie viel von mir ist das Ergebnis meiner eigenen reflektieren Erfahrungen und wie viel habe ich nur indirekt, durch Medien gefiltert, in meinen Charakter aufgenommen.

Oder um es mit Nietzsche zu sagen: „The root of all evil lies in the heart of men“. Dieses Zitat hat mir mein Freund Eike Freese von Dark Age nähergebracht und es beschreibt treffend worum es geht. Dass wir uns im Informationszeitalter nicht blind darauf verlassen, dass die gelieferten Informationen zwangsläufig die ganze Wahrheit sind. Dass wir der daraus resultierenden Meinung über die Dinge keinen zu großen Platz in unserem Herzen einräumen. Denn am Ende sind wir immer selbst verantwortlich für unsere Handlungen und Taten. Ich zumindest fühle mich nicht sicher durch eine noch ausgeklügeltere Überwachung ala Schäuble. Ich glaube nicht an die alltägliche Gefahr des Terrorismus, auch wenn es in der Zeitung steht. Ich weiß dass ich nicht genug über die Menschen in den „Schurkenstaaten“ weiß und ich lasse dieser künstlichen Angst keinen Platz in meinem Herzen. Die Kameras, Polizeiheere und Innenminister sind real ich kann sie jeden Tag mit meinen eigenen Augen sehen, einen Terroristen habe ich noch nie gesehen. Die Straße vor meinem Haus ist befahren mit Autos, ich nehme mich vor denen in acht. Ich ducke mich aber nicht vor Blitzen, auch wenn darüber gerade ein Bericht bei ARD läuft.

Pamela: Welche Themen könntet ihr euch vorstellen in Zukunft zu behandeln?

AlexFrank: Das Erwachsenwerden und wie man sich davor schützt.

Pamela: Auch wenn sich euer Musikstil nicht so hundertprozentig kategorisieren lässt, seid ihr doch eher im Rock-Genre zu Hause. Wie kannst du dir euren Erfolg innerhalb der schwarzen Szene erklären?

AlexFrank: Wir legen Wert auf Atmosphäre, vorrangig dunkle, tiefe Atmosphäre gespickt mit Melancholie. Solche Musik hilft am besten um Depressionen zu behandeln. Sie ist wie eine Impfung gegen die Krankheit. So etwas kommt in der schwarzen Szene ganz gut an.

Pamela: Habt ihr persönliche Berührungspunkte zur Gothicszene? Wie ist eure Einstellung zu dieser Szene, ihrer Musik und ihren Anhängern?

AlexFrank: Ich persönlich habe nur wenig Berührungspunkte zu egal welcher Szene. Ich denke aber dass es in der Gothicszene schon immer sehr kreative Leute gegeben hat. Anders als z.B. in der Alternative/Rockszene, die es vielleicht noch nicht mal gibt, ist der Zusammenhalt auch recht groß. Obwohl ich persönlich kein großer Fan von übertriebener Selbstdarstellung bin, gefällt mir auch der Style in der schwarzen Szene am besten. Von daher gibt es schon einige Punkte die ich ganz gut finde. Was ich in der Szene nicht mag, ist aufgesetzter Selbsthass und gespielte Depressionen, genau so wenig wie den „sich selbst schneiden zum Zwecke der emotionalen Schmerzbekämpfung-Fake“. So etwas ist stupide, hat aber leider in den letzten Jahren sehr zugenommen.

Pamela: Was ist für euch das wichtigste am Musik machen? Das Schreiben und Produzieren der Songs, oder hinterher das Resultat auf der Bühne präsentieren zu können?

AlexFrank: Da sind wir verschieden. Ich mache Musik für den Moment in dem ein neuer Song oder Part es schafft mir meine Sorgen und Verzweiflung für einen Moment abzunehmen. Wenn ich das richtige komponiert habe, kann ich für einen kurzen Moment innerlich frei sein. Dazu habe ich bis jetzt keine Alternative gefunden.

Pamela: Warum sollte man deiner Meinung nach unbedingt eines euer Konzerte besuchen? Was erwartet eure Besucher? Und was würdest du dir umgekehrt wünschen, dass die Besucher von einem Philiae Konzert mit nach Hause nehmen?

AlexFrank: Man sollte auf unser Konzert kommen, weil man hier die Möglichkeit hat zu erkennen, dass Newcomer, auch aus Deutschland, in der Lage sind ihren Fans mehr zu bieten als den üblichen Zirkus. Wir erschaffen live, wie ich finde, auch im kleinen Rahmen eine sehr eigene, tiefe Atmosphäre. Dabei helfen uns natürlich die Videoinstallationen von Patrick Debus sehr. Wir spielen unsere Musik live, getimt zu den Videos welche auf eine Leinwand hinter uns projeziert werden. So was sieht man vielleicht öfter bei großen Acts, die sich mit der technischen Seite dieser Komponente gar nicht auseinandersetzen müssen. Aber im Club, selbstgesteuert gehört ein bischen mehr dazu. Hinzu kommt dass wir wirklich inhaltlich mehr dadurch rüberbringen. Unsere Musik wird sichtbar und die Texte begreifbar, selbst bei schlechteren Soundbedingungen. Das alles soll dem Besucher nachher das Gefühl geben verstanden zu haben worum es uns geht und sich kritisch damit auseinanderzusetzen. Unsere Show hört im besten Fall nicht am Ende des Abends aus, sondern geht noch ein paar Tage im Kopf weiter!

Pamela: Was ist das kurioseste, dass euch je on Tour passiert ist? Gibt es da vielleicht eine lustige Anekdote zu erzählen?

AlexFrank: Mir ist einmal beim „Fuck the Flut“ Open Air in Ostdeutschland im zugedröhnten Zustand der Kragen geplatzt. Dort sollte eigentlich ein Benefiz Konzert stattfinden, für die Opfer der Flutkatastrophe in 2002. Da kam aber niemand. Nach der Show standen Backstage alle total gelackt herum. Rock Hard Chefredakteure mit Szenehelden und lokalen Politikern gemischt. Da war mit plötzlich, als ob alle nur deswegen da wären um möglichst ihr Ego auf Überlebensgröße aufzublähen. Alle waren wichtig und gesittet. Da hab ich dann ein paar Essenplatten rumgeschmissen und Terror gemacht. Julien hat mich dann netterweise entfernt bevor ich die Schnauze voll bekommen hätte. Aus heutiger Sicht ein lustiger Abend, zumal es eins unserer ersten Konzerte war und uns dort keine Sau ernstgenommen hat.

Pamela: Wie sehen eure Pläne und Ziele für die nähere Zukunft aus? Und was wäre für Euch das High-End Ziel überhaupt?

AlexFrank: Touren, live spielen, touren und nebenbei direkt anfangen die nächste Platte zu schreiben. Wir hoffen für Ende des Jahres Tourdaten bekannt geben zu können, brauchen aber noch die richtige Agentur. High End Ziel wäre eine feste Fanbasis von einigen tausend Menschen die unsere Musik lieben und uns mit ihrem Erscheinen auf Konzerten und dem Kauf unserer Alben die Möglichkeit geben immer weiter Musik zu machen und zu touren. Praktisch eine Fan-Band Symbiose.

Pamela: So, die letzten Worte sollen dir gehören. Was habe ich vergessen zu fragen? Was willst und musst du noch unbedingt los werden?

AlexFrank: Ok, dann nutze ich diese Stelle um mich bei Dir für das Interview zu bedanken. Es ist gut, wenn Medien wie Mindbreed jungen Bands ein Forum einräumen. Weiter so. Zum anderen möchte ich den interessierten Leser;)) bitten sich auf www.philiae.com in unsere SIS Community einzutragen. Dadurch bekommt man Zugriff auf wesentlich mehr Inhalte und wird in Zukunft auch bei Konzerten und Events bevorzugt behandelt. Eine gute Sache für jeden Fan. Ansonsten besteht auch die Möglichkeit uns mal auf www.myspace.com/philiae zu besuchen. Wir knacken gerade die 10.000 Marke und da ist jetzt halt 20.000 dran. Bleibt kritisch, es lohnt sich.

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Pamela Stahl
Pamela Stahl ist ehemalige Mitarbeiterin von Mindbreed.