In Extremo – Kompass Zur Sonne In Extremo gehören zu den Begründern der Mittelalter-Rockszene. Anfangs noch belächelt, konnte sich die Band innerhalb kurzer Zeit eine breite Fanbase erspielen. Spätestens seit „Verehrt und angespien“ hatte man diese Jungs auf dem Zettel. Es folgte eine beindruckende Diskographie, die wohl eine ganze Generation geprägt hat. Mit „Kompass zur Sonne“ steht der neuste Streich der sympathischen Spielleute in den Starlöchern.

„Troja“ eröffnet diese Veröffentlichung. Für Aufsehen sorgte bereits das dazugehörige Video, das gnadenlos von den Fans abgefeiert wurde. Eine unterhaltsame Nummer, die einfach immer funktioniert. Bei diesem Track zeigen die Musiker wieviel Routine und Können ihr Songwriting bestimmt. Der Titeltrack erinnert anfangs entfernt an „Küss mich“, entwickelt dann aber einen völlig eigenständigen Charakter. Der Refrain wird bei den Live-Konzerten für einen großen Mitsing-Chor sorgen. Zu Höchstform laufen In Extremo bei „Lügenpack“ auf. Viele Käufer werden sich an die Anfangstage dieser Band erinnern. Mit spitzer Zunge und der typischen Spielleute-Attitüde erschaffen die Herren einen Protestsong, der es in sich hat. „Wir jagen euch mit dem Dudelsack“ ist eine der prägnanten Lyrics aus diesem Track. Die Besinnung auf die Wurzeln ist die richtige Entscheidung, die auch noch Spaß macht. Für genug Interpretationsspielraum ist auch gesorgt, da das „Lügenpack“ nicht näher definiert wird. Die erste Gastband auf diesem Album sind Russkaja. „Gogiya“ heißt das Ergebnis, das natürlich mit ordentlich Speed aufwarten kann und sich zu einem Fanliebling mausern wird. Nachdenklicher wird man bei „Schenk noch einmal ein“. Dieser Abschiedssong behandelt die Trauer um einen geliebten Menschen und wie man mit diesem Verlust umgehen kann. Ein schöner Andenktrack, der direkt Gänsehaut zaubert. Mit „Saigon und Bagdad“ kommt es zu einem krassen Themenumbruch. Mit diesem Beitrag setzen In Extremo ein Zeichen gegen Extremisten und Krieg.

IN EXTREMO auf dem Amphi Festival 2019, Köln. Fotograf: Matthias Irrgang

Ein sehr nüchternes Fazit über eine Gesellschaft, die einfach nicht dazu lernt. Statt des erhobenen Zeigefingers zeigen sich die Musiker kämpferisch und kreieren einen absoluten Live-Garanten, auch oder grade wegen der aktuellen Thematik. Die Trackliste steigert sich immer weiter und so kann auch das „Narrenschiff“ bereits beim ersten Hördurchlauf überzeugen. Ein treibender Bass und Michas charakterstarke Stimme sorgen für Gute Laune. Mit diesem Track holt man alle Zuhörer an Bord. Einfach großartig. Man bleibt in der maritimen Welt und holt sich Verstärkung aus Skandinavien. „Wer kann segeln ohne Wind“ kommt mit Johan von Amon Amarth daher. Der Gedanke dahinter war löblich, allerdings kann dieser Beitrag nicht überzeugen, hier hätte man die Clear- und Growlvocals besser aufeinander abstimmen sollen. Die nächste Vollgas-Nummer schließt sich mit „Reiht euch ihr Lumpen“ an. Eine schöne Trinkhymne a la In Extremo. Zwischen Abschwören vom Alkohol und dem nächsten Besäufnis entsteht die beschriebene Stimmung. Natürlich kommt der Refrain mitsingbar daher und freut sich bereits jetzt auf die Live-Feuertaufe. Im Anschluss sprechen die Spielleute den „Biersegen“, der jedes Glas dieses ultimativen Getränkes bekömmlich und heilig machen soll. Mit dem „Wintermärchen“ wird der Zuhörer entlassen. Eher ruhig und etwas getragen wird damit ein geniales Album beendet, das einige Durchläufe verdient hat.

Fazit: In Extremo bringen höchst selten wirklich langweilige CDs heraus. „Kompass zur Sonne“ macht Spaß. Insbesondere die Rückbesinnung auf alte Stärken macht diese Veröffentlichung schon bemerkenswert. Ein gelungener Spagat, den die Herren gerne weiter vollführen dürfen. In diesem Sinne: Porro Bibitur.

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