Dass ab und an recht bizarre Auswüchse künstlerischen Schaffens das Licht der Welt erblicken und über Ladentische und Versandhandel ihren Weg in die heimischen Anlagen finden, dürfte hinlänglich bekannt sein. Ebenso dürfte unbestritten sein, dass sich Inhalt und Qualität bisweilen meilenweit von den Anpreisungen der Autoren und Promoter unterscheiden, und dies dann in Kreisen der Hörer zu kontroversen Diskussionen führt. Mit „Galina“ versucht sich nun Patrick Novell an einem skandalösen Hörbuch mit klassischer Vertonung.
Als 1955 Vladimir Nabokovs „Lolita“ erschien, in der ein pädophiler Literaturwissenschaftler seine zwölf Jahre alte Stieftochter während einer erzwungenen zweijährigen Reise durch die Vereinigten Staaten von Amerika permanent sowohl psychisch als auch physisch bedrängt, galt der Roman als ein Skandal. Inzwischen zählt er zu den bekanntesten und bedeutesten Erzählungen des 20. Jahrhunderts.
An diesen Erfolg versucht „Galina“ allem Anschein nach anzuknüpfen: Purgatorio, ein Mann mittleren Alters, verzehrt sich an seiner Liebe zu einer „jungen Frau“, welche eigentlich mit ihren zwölf Jahren noch als Kind anzusehen sein dürfte.
Auf insgesamt zwei CDs wird das Leiden des Protagonisten, seine Annährungsversuche, sein Zweifeln und Hadern in den blumigsten Worten dem Leser nahegebracht. Begleitet wird all dies vom Pariser Orchester Les Solistes Français, welche aus einem umfangreichen Repertoire klassischer Musik schöpfen. Vertreten sind hierbei unter anderem Stücke von Händel, Bach, Schubert und Vivaldi.
Die musikalische Begleitung ist auch sicherlich das Beste, was man für die immerhin rund 20€ erhält, die das im Eigenvertrieb über Galerie der Sehnsucht veröffentlichte Werk kostet.
Hatte Nabokovs Erzählung einen Hintergrund, der seinem Roman Hand und Fuß gab, so scheint sich Novell voll und ganz auf die Provokation zu beschränken, die er durch Tabubrüche, pseudo-skandalöse Wortgebilde und Anspielungen zu erreichen versucht. Tiefgang sucht man vergeblich, dafür wird die Person der Protagonistin Galina in den schillerndsten (düsteren) Farben beschrieben, so dass sich am Ende ein perfektes Ebenbild einer aufgestylten Grufti-Dame ergibt – in recht junger Ausführung, versteht sich.
Der Erzähler gibt sich dabei jedem Satz mit vollster Inbrunst hin, als hinge sein Leben davon ab, die Geschichte in der leidenschaftlichsten Leidenschaft zu vermitteln, die die Menschheit je gesehen, pardon, gehört hat. Dass die Romanvorlage vom künstlerischen Wert her gen Null tendiert und in punkto Provokation durch jede x-beliebige Regenbogenpresse übertroffen wird, macht das alles nicht besser.
Fazit: Wer zuviel Zeit, zuviel Geld und zuviel Nerven hat, und schon immer die Geschichten auf mitternächtlichen Erotiksendungen zu anspruchsvoll fand, wird hier voll bedient und sollte zugreifen. Der Rest sollte jedoch die Finger davon lassen!