Ende 2005, sechs Jahre nach dem erscheinen ihres Debütalbums als Solistin, meldete sich die Ausnahmekünstlerin Alwa Glebe mit ihrem zweiten „Kunstwerk“ mit dem Titel „Irrlichter“ zurück.
Mit neun dunklen Popsongs, deren leise Melancholie den Hörer unwillkürlich in ihren Bann zieht, macht Alwa Glebe nun zum zweiten mal ihrem Ruf als Chanseuse der etwas anderen Art alle Ehre. Alwa Glebe verkauft sich auch diesmal wieder so herrlich kühl und distanziert, dass nicht wenige sie mit großen Namen wie Maria Callas, Hildegard Knef oder Nico (Velvet Underground) in einem Atemzug nennen.
Ihren Faible für dunkle Lyrik und Poesie kombiniert die Künstlerin stilsicher mit modernen Synthieklängen, die deutlich ihre musikalischen Wurzeln in den Endsiebzigern erkennen lassen und haucht dem Ganzen schlußendlich mit ihrem Chansongesang trauriges Leben ein.
Auch wenn der Sound von „Irrlichter“ insgesamt wesentlich satter klingt als es bei „Debüt“ der Fall war, und man wohl versucht hat, den Schwerpunkt von Alwas sehr prägnanter Stimme etwas zugunsten der musikalischen Untermalung zu verlagern, lebt auch dieses Album fast ausschliesslich von Alwas charismatischer Gesangsdarbietung, die einen in eine fremdartige Traumwelt zu entführen scheint. Wie ein unheilvolles Omen schwebt ihr Gesang über der Musik und wirft Fragen auf, deren Antworten allerdings ausbleiben.
Leider geht dabei die Tragweite der Lyrik schnell verloren, da es einfach zu anstrengend ist, dem Text hinter dem gesungenen Wort zu folgen. Eigentlich schade, denn mit „An der Brücke stand“ wurde sogar einem Text von Friedrich Nietzsche musikalisches Leben geschenkt. Da die vermutlich gewollt undeutliche Gesangsinterpretation durchaus ihren Charme hat, sollten vielleicht einfach bei der nächsten CD alle Songtexte im Booklet aufgenommen werden und nicht nur der Titelsong gleich in drei verschiedenen Sprachen.
Nach wie vor fällt es schwer, Alwa Glebes Musik in eine bestimmte Schublade zu stecken. Ambient Musik trifft es wohl am ehesten. Ambient Musik, die zwar einerseits leicht dahin zu plätschern scheint, aber gleichzeitig diesen schweren, traurigen Beigeschmack hat.
Wenn man den Vergleich zu „Debüt“ sucht kann man sagen, hier wurde das Grundgerüst klassischer Chanson meets Gothic Wave übernommen. Allerdings wirkt „Irrlichter“ insgesamt etwas poplastiger und elektronischer als sein Vorgänger.
Ob man diese Entwicklung nun als Reifeprozess, oder schlichtweg als Anpassung ansehen möchte, soll jedem selbst überlassen bleiben. Doch für Künstler, deren Charme sich hauptsächlich aus ihrer Andersartigkeit erschliesst, ist eine derartige Entwicklung immer eine gefährliche Gratwanderung. Aber genug der Unkerei, noch sprechen wir hier lediglich von einer Tendenz, denn trotz allem ist „Irrlichter“ weit davon entfernt als Standardwerk einer Standardkünstlerin abgetan werden zu können. Alwa Glebes Musik ist so aussergewöhnlich, wie ihr eigener Name.
Fazit: Alwa Glebes Musik wird man wohl vergebens in hiesigen Clubs und Disokotheken suchen.
„Irrlichter“ ist ein nachdenkliches Chill-Out Album, geschaffen für besinnliche Stunden daheim und besonders für Freunde des Aussergewöhnlichen gedacht.