Unser Dänemark-Korrespondent Dr. med Stephan Wüstenhagen befindet sich derzeit als einer von rund 5.000 Pressevertretern auf dem Roskilde Festival in Dänemark, das aktuell eher einer kleinen Stadt ähnelt als einem Festival. In den letzten Jahren pilgerten bis zu 115.000 Besucher auf das Festival, das nicht zu unrecht mittlerweile absoluten Kultstatus hat.
Seine Eindrücke schildert er hier im Livebericht.
Donnerstag, 30. Juni – 17.30Uhr
Der Pressezeltplatz ist bezogen und so langsam findet sich auch das Pressevolk ein. Bereits am Samstag hat der Zeltplatz geöffnet und die Fans strömten jetzt bereits zu tausenden auf die Plätze, obwohl erst ab heute die grosse Musik spielt. Zum Leid der Fans regnet und regnet es. Meine Frisur sitzt 3 mm sturmfest! Der Platz beginnt langsam sich aufzuweichen und es stellen sich nur 2 Fragen:
1. Ist meine Hose nur von außen nass?
2. Wann endlich kommen Iron Maiden?
Ich hab jedenfalls meine festivaltauglichen Gummistiefel angezogen und warte sehnsüchtig auf die Band!
Ansonsten ist die Stimmung ungetrübt, es strömt dänische Gemütlichkeit über den ganzen Platz, eine endlose Auswahl von Essen gibt es zu bestaunen (und zu kosten) und das Publikum freut sich des Lebens. Die nächsten Tage sind weiterhin gespickt mit großen Namen und unbekannten aber genialen nordischen Bands – Bleibt gespannt!
Donnerstag, 30. Juni – 22.45Uhr
Die erste Band auf der großen orangenen Bühne war Veto aus Dänemark. Sorry, aber mir war der Name bis dahin auch unbekannt, im Gegensatz zu all den jungen Kids um mich herum die jeden Song mitsingen konnten. es war eine Mischung aus Prodigy, Polarkreis 18 und Depeche Mode und die Stimmung lud einfach zum Mitsingen ein. Ein gelungeneer Auftakt!
Das Wetter hat sich bis abends bescheiden gehalten und nach 2 Stunden Anstehen in einer sauber angeordneten Schlange quer über den Festivalplatz ist euer Wüstie auch in den vorderen Pit zu Iron Maiden gekommen. Bereits im Vorfeld hat man gemerkt wie extrem sicherheitsbedacht die Dänen das ganze Festival organisieren, so war es auch seltsam auf den Bildscirmen zu lesen – Bitte nicht schubsen, kein Crowdsurfen…
Aber vor ein paar Jahren gab es hier leider ein großes Unglück mit Toten und daher erlebte ich einen der wildesten und gleichzeitig auch friedlichsten Abende meiner Festivalgeschichte.
Bis zum Schluss hatte ich Angst, dass die Band nicht rauskommen würde, weil bereits ein großer Teil der Bühne schwamm, aber Bruce und seine Jungs liessen sich nicht lumpen und begannen mit kurzem Verzug mit den Krachern des aktuellen Albums The final frontier. Zuerst gab es den Titeltrack auf die Ohren, dann Eldorado und zwischendurch auch einige Klassiker der mehr als 30 jährigen Bandgeschichte.
Es war einfach nur genial, zugegebenermassen fühlte ich mich bereits zum alten Eisen, da der Altersdurchschnitt unter 20 lag, aber Maiden ist Maiden und so brannte auch dieses mal die Luft bis nach der Zugabe.
Freitag, 1. Juli – 11.00Uhr
Oh Mann, wer kennt das nicht? Ein Morgen auf dem Festival, der Schlafsack ist feucht vom Tau des morgens und dem Schweiss der letzten Nacht. Es macht sich ein Stechen in der Lendengegend bemerkbar und ja leider es ist der Drang die Getränke des Vorabends zu entsorgen.
Stundenlanges Zögern und doch quält man sich nach oben. Auch in den anderen Zelten macht sich menschliches Leben bemerkbar und es blinzeln einem müde Gesichter entgegen in den sich die Falten des Kopfkissens eingebrannt haben.
Das Wetter am heutigen Tag ist wie gestern konstant bescheiden mit der Auswahl zwischen Nieselregen oder viel Regen.
Aber egal, im Land der Wikinger gibt es keine Gnade für weinende kleine Reporter, heute stehen als erstes die Beatsteaks auf dem Plan. Leider hab ich die Jungs noch nie live erleben dürfen und ich bin gespannt, wie sie außerhalb ihrer Heimat Druck machen können und gefeiert werden
Freitag, 1. Juli – 22.00Uhr
Das Wetter hat sich inzwischen gebessert und die Wolken kreisen friedlich über uns. Meine erste Band des Tages hieß Beatsteaks. Ich hatte bereits gehört dass sie live der Hammer seien, und, was soll ich sagen: Sie sind es! Eine Show die vor Stimmung nur so glühte und nicht nur die zahlreichen deutschen Gäste mitriss sondern auch einige Nordmänner anzog.
Zwischendurch ist es immer wieder nett alte Bekannte von anderen Festivals zu treffen und die Stimmung macht einfach nur Lust auf mehr. Man merkt den Dänen wirklich die Hyggelichkeit an, man fühlt sich einfach daheim.
Weiter auf dem Plan stehen Mastodon die gerade spielen. Ich kannte die Band von Freunden und hatte hohe Erwartungen. Ehrlich gesagt stehe ich ja auch auf einiges Hartes. Aber momentan läuft ein Brett aus Schlagzeug bass und Gitarre über den gesamten Festivalplatz mit dem ich nicht so viel anfangen kann.
Super Ton, aber ich vermisse es Melodie. dies spiegelt sich auf in den Plätzen zum Pit wieder, fast durchgehend ist der sichere vordere Bühnenraum erreichbar, der gestern bei Iron Maiden bereits nach 5 min völlig ausgelastet war. Auf der großen Bühne stehen jetzt noch Portishead an – mal schauen, ob ich es durchhalte oder der Gemütlichkeit mit meinen Nachbarn auf dem Zeltplatz erliege.
Samstag, 2. Juli – 11.15Uhr
Tja die ersten Lieder von Portishead habe ich noch vom Zeltplatz aus gehört. Zugegebenermaßen wirklich sehr gewöhnungsbedürftig, aber dann packte mich trotzdem die Neugier und ich musste feststellen, dass ich das eine oder andere Lied aus Werbung oder TV kannte. Es war eine spannende Mischung aus Faithless und langsamen Jazz. Irgendwie faszinierend, aber auch nicht stundenlang fesselnd.
Dann noch kurz in das Cosmopolitan Zelt zu DJ Koze, wo einem vom Bass die Hose flatterte. Die Nacht war ruhig, allerdings bereits nach einer Stunde schlaf hörte ich auf der Zeltplane ein Geräusch, dass eine Autowaschanlage erinnerte. Dieser Sturzregen hat bis zum Morgen angehalten um sich dann abzuwechseln mit leichtem Regen – Sturzregen – und ja – Sturzregen.
Aber wir sind hier immer noch in der Heimat der Wikinger, also aus dem Zelt gekrempelt und Duschen. Naja, etwas absurd, wenn draußen mehr Wasser fällt als unter der Dusche, aber etwas Luxus darf man sich auf nem Festival auch mal gönnen.
Gleich gegen 12:00 steht erst mal der berüchtigte Nacktlauf an, mal schauen wieviele Teilnehmehr sich dazu hinreissen lassen. Mein persönlicher Höhepunkt wird heute Soilwork, die breits am Nachmittag ordentlich im Zelt hämmern werden. Die meisten werden sich allerdings eher auf die Arctic Monkeys auf der großen Bühne freuen.
Samstag, 2. Juli – 14.00Uhr
Die Laune der meisten Festivalbesucher war heute Morgen wie das Wetter: Heiter bis wolkig. Doch ein Kolossales Event stand uns bevor – der Nacktlauf! Wie jedes jahr hatten 20 Teilnehmer die Chance, ein Ticket für das kommende Festival zu gewinnen. Sowohl Mädels als auch Jungs nahmen Teil, um sich diese Gelegenheit nicht entgehen zu lassen.
Der Regen hat sich nun etwas gelegt und es nieselt nur noch, fast schon wieder Sonnebrillenwetter! Bei mir stehen jetzt ein Mittagessen und danach Soilwork auf dem Plan.
Samstag, 2. Juli – 22.00Uhr
Tja, erstmal die guten Nachrichten. 17:00 Soilwork – hammergeil, allerdings Memo an mich:
Gute Idee, Soilwork live erleben und Soilwork fotografieren.
Schlechte Idee – In der dritten Reihe mit beiden Lieblingskameras stehen…
Zum Glück ist alles gut gegangen, die Stimmung war der Hammer, allerdings mit Abstand das Wildeste was ich bisher auf dem Roskilde erlebt habe. Nicht nur das Publikum sondern auch die Securities kamen ins Schwitzen, da man hier sehr viel Wert auf Sicherheit der Fans legt.
Danach erst mal entspannen auf dem Festivalplatz und warten auf die Artic Monkeys. Ich dachte erst okay – langweiliger Mainstream. Aber die Jungs machen einfach nur Druck und gute Laune. Naja, sie klingen irgendwie wie The Who nur heute, aber warum irgendwas an dem Erfolgskonzept englischer Bands ändern. Sehr geiles Konzert mit allen Krachern und auch neuen Stücken.
Pünktlich als die arktischen Affen die Bühne verließen, wurde der Himmel wieder sehr dunkel und die Sintflut brach los. Gleichzeitig fröhlicher Blitz und Donner. Da blieb nur noch die Flucht ins Pressezelt, warmer Kaffee und beten, dass das Zelt nicht wegschwimmt. Tja, und getreu nach meinem guten Sportlehrer, es gibt kein schlechtes Wetter – nur schlechte Kleidung.
Mal schauen was die Nacht bringt und ob die Motivation grösser ist alles ins Auto zu werfen (im strömenden Regen) oder durchhalten und auf morgen hoffen. Bleibt gespannt, ich weiss es selbst noch nicht.
Samstag, 2. Juli – 22.00Uhr – Fortsetzung
Das Wetter in Dänemark ist wie eine schöne Frau: Extrem, wild und unberechenbar! Etwa eine Stunde nach dem die Arctic Monkeys die Bühne verließen endete der extreme Regen wieder. Ein leichter Hauch von Abendrot stand über der orangenen Bühne und es sah als ob nie was gewesen wäre. Dann betraten The Strokes die Bühne, irgendwie sehr eigensinnige, schmutzige ursprünglich rockige Musik. Ich fühlte mich in Zeiten von Woodstock zurück versetzt und die Luft brannte. Gut, dann war bei mir erstmal die Luft raus, Hunger, Durst, Langeweile, Verzweiflung, Halsschmerzen, Muskelschmerzen und Müdigkeit machten sich breit.
Tja und nun stellen sich die Fragen:
– Welche schmutzigen Abenteuer werde ich noch erleben – oder gehe ich einfach ins Bett?
– Wird sich das Wetter halten?
– Wie sieht der Morgen des letzten Tages aus?
– Wird es ein Roskilde 2012 für Mindbreed geben?
All diese Antworten und noch viel mehr gibt es gleich nach der Werbung!
Danke an die Jungs vom Gelben Professionell Camera Service hier die sich um meine Kameras der konkurrenzmarke gekümmert haben.
Danke an meine Mama die ihren Geburtstag ohne mich gefeiert hat!
Grüße an unsere daheimgebliebene Redaktion!
Nun zu den Antworten
Ja das Wetter hat sich gehalten, nach dem genialen und unglaublich tollen Konzert der Strokes. Genial daher, da der Sänger dänische Wurzeln hat und extra Gas gegeben hat.
Bin erst mal Richtung Zelt, entspannen, einen liter Kakaomilch wegdrücken und über den Sinn des Lebens nachdenken. Ein Teil dieser Aktivitäten hat geholfen. Tja und dann ging es noch mal los, denn Deadmau5 stand auf dem Plan. Ich kannte den DJ nur über seinen persönlichen Fotografen, wusste aber dass es eine genaiel Show werden wird.
Und so war es auch. Pünktlich ein Uhr wurde die orangene Bühne nochmals dunkel und man erkannte nur noch einen riesigen Würfel. Dann erschien ein Männlein mit riesigen Ohren, dass eher dem Maskottchen eines amerikanischen Megakonzerns entsprach und die Hölle brach los. Durch einen netten Zufall konnte ich bis in den Pit vorrücken und meine Kameras schliefen sicher daheim. Der Bass fetzte mir fast die Hosen weg und ich hatte schwer Luft zu holen durch den enormen Druck der Lautsprecher.
Dennoch war der Sound einer der saubersten, die ich bis jetzt live erleben durfte. Ich hätte nicht gedacht, dass reine Elektromusik so gute Laune machen kann. Fast zwei Stunden hüpfte die lustige Mau5 und sein menschliches Alter-Ego über die Bühne. Zwischenzeitlich bekam er Unterstützung von zwei schmucken Sängerinnen – Die Stimmung kochte und der Platz war voll mit locker 70-80.000 Fans. Dann Zähneputzen ab ins Bett.
Sonntag, 3. Juli – 11.00Uhr
Wie bereits oben erwähnt, das dänische Wetter ist wie eine schöne Frau und bereits nach 2 Stunden Schlaf glühte das Zelt und ich wurde von den ersten Sonnenstrahlen geweckt. Also noch mal umdrehen, weiter über den Sinn des Lebens nachdenken und den Urlaub fernab von allen alltäglichen Sorgen genießen.
Danach folgte das rituelle Zelteinpacken, was für mich einem Origami gleicht, und dem Pressezeltplatz den Rücken zukehren. Jetzt geniesse ich zum letzten mal die Ruhe vor dem Sturm im Pressezelt.
Mein persönlich Höhepunkt kommt bereits 15:00: Bad Religion – Die Helden meiner Jugend! Dann kommen noch L.O.C., My Chemical Romance und eventuell Kings of leon. Warum eventuell?
Naja, so langsam ist die Luft echt raus und der Heimweg ist lang – der schönste teil der Heimreise kommt fast am Anfang – Die Überfahrt über die Storebeltbro – 19km über das Meer.
Und bei meinem sinieren über den sSinn des Lebens fiel mir auf – Roksilde ist unglaublich – Wo erlebt man sonst innerhalb von 12 Stunden – Metal vom Feinsten, Britpop mit den Arctic Monkeys und eine geniale Technoparty.
Die Veranstalter haben echt ein Händchen für die Musikauswahl und Kombination. Auch wenn es am Anfang etwas wild aussieht oder der Gedanken weckt, sie wollen es allen recht machen – Nein! – Es ist alles spannende Musik, die es wert ist in einem solchen Fest gefeiert zu werden!
Sonntag – Das Finale
Zunächst möchten wir den Angehörigen der jungen Frau aus Berlin aussprechen. Ihr werdet sicher alle von dem tragischen Vorfall gehört haben und die Umstände sind immer noch unklar. Bereits am Sonntag Nachmittag erreichte uns die Nachricht in der Redaktion und ich kann nur betonen, dass das Roskilde eines sichersten Festivals ist, auf dem ich war. Jeder Mitarbeiter war mehr als besonnen auf die Sicherheit des Publikums, egal ob Techno, Metal oder was auch immer auf der Bühne lief. Ich werde auf jeden Fall im nächsten Jahr wieder hinfahren.
Gegen Nachmittag merkte man, dass bei wirklich fast allen die Luft raus war. Ein Teil des Publikums war bereits abgereist und ich konzentrierte mich auch eher darauf, einen guten Sitzplatz ergattern. Dann kamen auch schon Bad Religion auf die Bühne, die fröhlich einen Punkklassiker nach dem anderen runterratterten, leider war es dann auch schon nach 70 min wieder vorbei.
Als nächstes kamen My Chemical Romance, extrem gehyped in den letzten Jahren und jetzt eher wieder abgestürzt, präsentierten sie Stücke des neuen Studioalbums und macht überraschend viel Druck. Dennoch fand ich es etwas übertrieben, dass sie zur besten Band das Planeten gewählt wurden. Eine band, die man gesehen haben muss, aber man kann auch ohne überleben.
Dann war es zeit für L.O.C. – Der dänische Rapper, der auch in dieser so wundervollen Sprache rapped, hatte das Publikum von der ersten Sekunde in der Hand. Selbstbewusst präsentierte sich der Meister alleine vor seinem backdrop der Menge.
Dann hiess es auch für mich den Heimweg anzutreten, denn wie gesagt bei mir war die Luft raus und das extreme Wetter machte es auch nicht besser. Kings of leon habe ich somit verpasst, aber es gibt sicherlich genug Material für euch bei youtube.
Ich trat den sicheren Heimweg an, auch wenn mir der Schrecken nach dem ersten Newsletter über den Todesfall tief in den Knochen sass. Ich selbst hatte auch überlegt Fotos von dem Turm zu machen, aber aus Zeitnot die Idee verworfen. Ich hoffe die Umstände werden endgültig geklärt.
Ein trauriger und unnötiger Abschluss des ansonsten hervorragenden Festivals.