Zum mittlerweile 10. Mal hat das Traffic Jam Open Air in der hessischen Stadt Dieburg stattgefunden. Mit ca. 5000 Besuchern zählt es zu den größten Newcomer Festivals der Region. Was allerdings nicht bedeutet, dass nur unbekannte Bands auftreten. Die Headliner bilden stets namenhafte Bands, oft auch internationale Größen. Dieses Jahr dabei waren unter anderem Welle:Erdball, Soilwork und Ektomorf.

Freitag, 18. Juli

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Da festivalnahe Parkmöglichkeiten scheinbar doch ein recht fließender Begriff ist, kann man bereits seit den frühen Morgenstunden erste kleine Grüppchen, mehr oder weniger schwer bepackt mit Schlafsäcken, Proviant und Flüssignahrung und dementsprechend mehr oder weniger gut gelaunt, durch den Dieburger Industriepark irren sehen, auf der Suche nach dem Verkehrsübungsplatz der Fahrschule Völker. Dieser hat zu jenem Zeitpunkt noch eine bestimmte Eigenschaft, die er nur allzu bald einbüßen wird: Gras. Stellenweise sogar grün. Und auf eben diesem lassen sich gegen halb Zwei die ersten Zuschauer vor der Bühne nieder, da sich am Soundcheck erahnen lässt, dass es bald losgehen wird. Um für einen reibungslosen Festivalablauf zu sorgen, wird beim Traffic Jam der Zeitplan immer peinlich genau eingehalten. So auch dieses Jahr.

Pünktlich um Viertel vor Zwei steht die aus Neustadt stammende Hardcore Band ALL FUCKED UP auf der Bühne und kommt auch erstmal ohne große Umschweife zur Sache. Die beiden Gitarristen hauen feste rein, der Bass verleiht dem ganzen die nötige Tiefe und der Sänger gröhlt los was das Zeug hält, angetrieben von einem sehr präsenten Schlagzeug. Obwohl es sich um die erste der insgesammt 20 Bands handelt, hat sich schon eine kleine Hand voll Hundertschaften vor der Bühne versammelt. Anlass zur Neugier besteht auch, so haben diese Herren ihren Auftritt immerhin durch den Sieg beim Traffic Lights Bandcontest ergattert. Und wie man hört nicht ohne Grund. Zu dieser Musik trauen sich endlich die ersten Hartgesottenen, sich zu einem kleinen Mini-Moshpit zusammen zu rotten. Und so plötzlich wie es anfing, ist es dann auch wieder zu Ende. Eine gelungene Eröffnung für zwei sehr laute Tage!

Bereits an den schwarz-weißen Dekowänden, die während der Umbaupause auf der Bühne aufgestellt werden, lässt sich erahnen, dass die nächste Band ganz andere Töne anschlagen wird. Und es kommt, wie es kommen musste: Emo Punk aus Luxemburg, die Band ETERNAL TANGO. Begleitet von grauen Regenwolken, die sich immer dichter über dem Festivalgelände zusammenziehen. Aber dazu später mehr, zurück zur Band.

Fünf junge Kerle in engen Klamotten, teilweise tätowiert und mit dick umrandeten Brillen auf der Nase. Doch der Unterschied zur ersten Band ist kein rein Optischer. Der Gesang ist klar und ein paar Oktaven höher als bei der vorherigen Band. Auch bei den Gitarren treten die Höhen mehr in den Vordergrund. Der Bass begleitet eher als zu untermauern und beim Schlagzeug liegt der Schwerpunkt mehr bei Becken und Toms als der Bassdrum. Doch während sich die Klänge nach oben schrauben, schaltet das Publikum eher einen Gang zurück. Vielleicht ist es einfach doch noch zu früh am Mittag. Mengenmäßig hat sich das Publikum sicher verdoppelt, doch auch auf explizite Tanzaufforderungen, kleine Scherze und lockere, sympatische Ansagen zeigt das Publikum leider keine allzu große Reaktion.

Als Drittes folgt die Reinheimer Trash Metal Band LEGAL HATE. Zwar sind sie nur zu dritt und haben auch keine spezielle Deko, doch eine anständige Band muss sich nicht hinter Nebensächlichkeiten verstecken. Sie rennen über die gesammte Bühne und der Spaß am musizieren steht ihnen offen ins Gesicht geschrieben. Schnell verbreitet sich auch im Publikum gute Laute.

Eine kleine Besonderheit, die sich bei Trash Metal Bands, oder auch bei Metal ganz allgemein, nur selten findet, ist die Tatsache, dass eine Frau am Bass steht und auch den Hintergrundgesang leistet. Und zwar mit beeindruckender Kraft und Ausstrahlung, sie steht ihren männlichen Bandkollegen in nichts nach. Die Bandmitglieder sind ein ganzes Stück älter als das hauptsächlich aus Schülern und Studenten bestehende Publikum, doch davon lassen sie sich nicht abschrecken. Im Gegenteil, sie machen ihre eigenen kleinen Scherze, dass die Jugend von heute ja nicht mehr hart genug sei, und ob hier denn überhaupt noch jemand Bands wie Napalm Death kenne. Solche Anschuldigungen lässt die Menge natürlich nicht auf sich sitzen und zeigt was in ihr steckt.

Mit der nächsten Band kommen wir von nacktem Trash Metal wieder zurück in etwas stylish-modernere Regionen: ILLECTRONIC ROCK aus dem Raum Aschaffenburg. Allein an ihren Outfits kann man erkennen, dass diese Band starke Emo-Einflüsse mit sich bringt. Und so ist es auch, jedoch nicht durchgehend. Wie der Name Illectronic Rock schon erahnen lässt, haben sie in der Tat sehr viele krank und ausgefallen klingende, elektrische Sequenzen eingebaut, was dem klassischen Emo-Rock eine nette Abwechslung verpasst. Und auch der Gesang reißt immer wieder kleine Genre Grenzen ein, während im einen Moment noch klar und hoch gesungen wird, wird im nächsten Moment aggressiv geschrien. Kein Wunder also, dass sich in der ersten Reihe tatsächlich auch ein paar zufrieden bangende Metaller finden. In der Musik von Illectronic Rock verschmelzen auf interessante Art die verschiedensten Einflüsse.

Um kurz vor halb Sechs ist es Zeit für die Metalmosh Band ALL ITS GRACE. Als diese Jungs auf die Bühne treten, geht im Publikum ein klarer Wandel vor sich. Es wird ein ganzes Stück voller und die Stimmung steigt. Auch wenn die fünf Jungs aus Mainz auf den ersten Blick vielleicht nicht allzu hart aussehen, wissen sie dennoch, wie man ordentlich Krach macht und der Menge einheizt. Und genau das ist es, was die meisten Besucher vom Traffic Jam erwarten. Die Musik ist sehr schnell und Gitarrenlastig mit einem starken Schlagzeug, aber dennoch abwechslungsreich und melodiös mit dem ein oder anderen Gitarrensolo, ein Element, dass von vielen Bands zunehmend vernachlässigt wird. Doch nicht hier, und so ergibt sich eine Mischung die ankommt. Mit Kraft und Ausdauer fegt die Band etwa 45 Minuten lang über die Bühne.

Kaum haben All its Grace die Bühne geräumt, fangen auch schon Aufsehen erregende Umbauarbeiten an. Das sonst obligatorische Drumset fehlt, dafür werden mit transparenter Folie bespannte Wände aufgestellt und man sieht Leute mit Perücken und Sonnenbrillen seltsame Geräte tragen. Im Publikum werden die Metal und Hardcore Fans in den ersten Reihen plötzlich von düster und extravagant gekleideten Gestalten ersetzt, manche von ihnen mit Computerteilen bewaffnet. Während Außenstehende dieses Treiben mit kritischen bis verwirrten Blicken begutachten, wissen eingefleischte Fans genau, was jetzt kommt, so kündigt sich nur eine Band an.

Um kurz vor halb Sieben tritt, begleitet von elektrischen Rhytmen, die Formation WELLE:ERDBALL auf die Bühne, zunächst nur als schemenhafte, schattige Umrisse hinter den transparenten Wänden. Als erstes treten Honey und ALF hervor, kurz später folgen Plastique und Frl. Venus. “Meine Damen und Herren, sie hören Welle.Erdball!”. Es folgen Klassiker wie Wir wollen keine Menschen sein oder 23, dazu bearbeiten Plastique und Venus die Wände fleißig mit Spraydosen.

Und… nanu, wo kommen denn auf einmal die ganzen Leute her? Da wundert sich auch die Band! Die überwältigende Bühnenshow lässt binnen kürzester Zeit sämtliche anfänglichen Berührungsängste verschwinden und die Menge tobt! Alle tanzen und feiern mit einer Euphorie, wie es sie an diesem Nachmittag noch nicht gab. Welle:Erdball ist eindeutig der bisherige Höhepunkt. Und das obwohl sie mit ihrem musikalischen Konzept total aus der Reihe der sonstigen Bands tanzen.

Diese Stimmung wird von der Band nicht unbelohnt gelassen. Ein unerwarteter Leckerbissen ist das Lied 0173-1923954 mit seinen klassischen Rock´n´Roll Klängen. Und auch diesmal lassen sie es sich nicht nehmen, dem guten, alten C64 Tribut zu zollen. Etwas unerwartet bricht Honey bei Arbeit Adelt das Metallrohr, mit welchem er auf der Bühne Krach zu machen pflegt. Doch auch ein halbes Rohr ist in seinen Händen noch laut genug.

Den Abschluss bildet schließlich das Lied Starfighter, begleitet von gigantischen, pinken Luftballons und kleinen Papierfliegern – vom Publikum heiß begehrt. Nach dem Konzert tummelt sich ein Hand voll Fans Backstage um sich ihr C64 signieren zu lassen. Um sowas würde man sie öfter bitten, das sei bei ihnen ganz normal, so Frl. Venus.

Die Alternative Band BITUNE aus Eschwege, die als nächstes spielt, hat nun wirklich ein hartes Los gezogen. Erstens ist es immer schwer, direkt nach einem der Topacts, wie hier W:E, zu spielen. Zweitens hat, von eben diesem ausgepowert, ein großer Teil der Besucher beschlossen, auf dem Campingplatz erstmal die Grillsaison zu eröffnen. Drittens sind sie nur der kurzfristige Ersatz für die aus Krankheitsgründen entfallenen Callejon, was auch einigen Fans alles andere als Freude bereitet. Das unansehnliche, rosa T-Shirt des Sängers setzt dem ganzen wohl nur noch die Krone auf. Diese Band hatte mit Sicherheit schon bessere Gigs.

Eine eindeutig bessere Stimmung können THE TURBO A.C.S verbuchen. Die aus dem fernen New York stammende Punk Band läutet mit eingängigen Rhytmen den Abend auf dem Festival ein. Die Musik hat Elemente aus den Bereichen Surf und Rock´n´Roll, aber auch ein schnelles Schlagzeug, wie man es eher von Bands aus der Richtung Hard Rock kennt. Zum Gesang trägt jedes der vier Mitglieder seinen Teil bei. Man hört und sieht, dass es sich hier um eine Band handelt, die schon viel Erfahrung mit Konzerten hat. Schon mehr als Zehn Jahre um genau zu sein, in Europa sind sie nicht zum ersten Mal. Demnach sollte es keinen wundern, dass sie wissen, wie man das Publikum in Stimmung versetzt.

Der Auftritt der nächsten Band fängt mit Klängen an, die wohl den meisten Besuchern dieses Festivals geläufig sind und vielleicht deswegen hier und da für Verwirrung sorgen. Das legendäre Intro des AC/DC Songs Thunderstruck. Doch DEATH BY STEREO ist keine rockige AC/DC Coverband. Man sollte zu ihnen wohl als erstes sagen, dass es sich um eine Hardcore Band aus Orange County, USA, handelt. Denn sie sehen aus und klingen so, wie sich die meisten Leute wahrscheinlich eine amerikanische Hardcoreband vorstellen würden: kräftig gebaute Kerle mit Kurzhaarfrisuren in Shorts und zugepackt mit Tattoos, die ein ganz schönes Geschrei abhalten. Sie fordern vom Publikum eine Moshpit Aktion nach der Nächsten und schmeißen mit blumigen Schimpfwörtern nur so um sich.

Um etwas ins Detail zu gehen: Bei einem Song erkundigt sich der Sänger, was die Menge denn von Emos halte. Er fordert dazu auf, dass wenn er “Emo” rufe, das Publikum mit “Fuck You Emo!” antworten solle. In Anbetracht der Tatsache, dass das Traffic Jam, sowohl dieses Jahr, als auch in vergangenen Zeiten, schon einer ganzen Menge von Emo Bands einen Auftritt ermöglicht hat, ist es wohl fraglich wieviele Freunde sich der Sänger durch diese Aktion unter Publikum und anderen Bands macht. Deswegen ist es jedoch um so verwunderlicher, dass ein Großteil des Publikums lauthals mitmacht. Ob dies nun daran liegt, dass die Anhänger jener jugendlichen Stilrichtung vielleicht einfach von vorne herein fern geblieben sind, oder ob sie vielleicht doch da sind und einfach beweisen, dass auch sie eine Portion Selbstironie besitzen, lässt sich in der gigantischen Menge nicht mehr feststellen.

Während der Bekanntheitsgrad der bisherigen Bands doch sehr variabel war, so benötigt SOILWORK, der Headliner der Abends, keine allzu große Vorstellung mehr. Der Name ist, wenn es um Metal geht, sehr geläufig. Wobei es ja nichts neues ist, dass Schweden gute und bekannte Bands hervorbringt. Als die Melodic Death Metal Band gegen viertel vor Zwölf unter tosendem Beifall die Bühne betritt, ist die Stimmung einmalig.

Der Abend wird durch die Stücke “Sworn To A Great Divide” und “As We Speak” eingeleitet, welche die Band direkt aneinander gekoppelt spielt. Neben neueren Stücken, wie “Exile” oder “The Pittsburgh Syndrome”, sind auch ältere Klassiker, wie “Overload” oder “Rejection Role” dabei. Insgesamt Zwölf Stücke schmettert die Band dem Publikum gnadenlos ins Gesicht. Fünf massige Tiere, wie es die Herren von Soilwork sind, sind so schon ein beeindruckender Anblick. Doch was wäre schon eine Metal Band, die auf der Bühne nicht ordentlich die Sau raus lässt? Sie schmeißen sich in Pose was das Zeug hält und liefern eine beeindruckende Show.

I don´t care what you do, Circle Pit, Wall of Death, whatever. But I want you to take this motherfucking place apart!”. So reizend lässt man sich natürlich nicht zweimal bitten. Während die etwas zarter besaiteten Zuschauer fluchtartig das Weite suchen, einigt sich der Rest auf eine Wall of Death. Der Sänger treibt die Menge zurück, bis ein gigantischer Freiraum vor der Bühne entsteht. Als das nächste Lied beginnt, stürzen sich die Leute aufeinander, als ginge es um Leben und Tod. Vielleicht ganz gut, dass Soilwork die letzte Band des Abends ist, denn nach diesem Auftritt steht keiner mehr.

Samstag, 19. Juli

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Über Nacht hat es ein paar kurze Schauer gegeben, jedoch nichts wesentliches. Zumindest nicht wesentlich genug, um die Besucher von einer ordentlichen After Show Party abzuhalten, wenn man sich die Gesichter so ansieht. Als THE MAGNIFICIENT BROTHERHOOD auf die Bühne tritt, ist der Rasen nur dünn besiedelt. Doch ein gewisses Etwas hat diese Band, dass die Menge dennoch dazu bringt, ihre müden Knochen in die Luft zu schwingen. Es entwickelt sich schnell eine – wenn auch kleine – hartnäckig tanzende Menge. Aber man muss es ihnen auch lassen, ihre Musik geht ins Blut! Nebst Gitarre, Bass und Schlagzeug haben sie noch eine Orgel dabei, es erinnert schon fast ein wenig an The Doors. Schade nur, dass man dieses klangliche Erlebnis nur frontal vor der Bühne erleben kann! Die Orgel liegt komplett auf den linken Boxen, die Gitarre rechts.

Als nächstes steht die Punkband ANDIOLIPHILIPP auf dem Plan. Tja, was kann man zu ihnen sagen? Die drei Jungs aus Heilbronn machen modischen Fun Punk aus Nachbars Garage wie ihn jeder schonmal gehört hat, mit Texten, die keinen Meter tiefgründiger sind, als ihr Bandname. Leichte Kost, meilenweit von hintergründigen Botschaften oder lyrischen Meisterwerken entfernt, untermalt von alltäglicher vier-Akkorde-Harmonie. Auf ihrer Homepage labeln sie sich als “Wir sind einfach die Geilsten”, darüber lässt sich streiten. Auch das Publikum scheint seine Begeisterung mühelos kontrollieren zu können.

Nicht so bei der nun folgenden Metalcore Band KOHATRED. Es kommt zu einem rapiden Publikumszuwachs, eventuell weil die Band direkt hier aus dem Kreis Dieburg kommt und demnach viele Ortsansässige Fans hat. Es ist also quasi ein Heimspiel für sie. Ihre Musik geht wirklich ans Eingemachte. Der Sänger wechselt zwischen Gröhlen und Kreischen, angetrieben von einer kräftigen Double Bass. Auch in der Gitarrenlastigkeit der Songs ist ein starker Metal Einfluss erkennbar. Spätestens jetzt ist auch der letzte Rest des Publikums aufgewacht und beginnt, sich die Seele aus dem Leib zu moshen.

Obwohl die Musik von THE REAL MCCOY in Richtung Ska geht und somit das komplette Gegenteil der harten Klänge von Kohatred darstellt, bleibt das Publikum gut besetzt und trotzt auch anfänglichem Nieselregen. Die totale Partystimmung bricht los, als diese Jungs in grell orangenen Shirts mit Blechblasinstrumenten und Gitarren bewaffnet teils barfuß auf die Bühne stürmen. Sie springen und tanzen wie eine Horde von Flöhen und das Publikum macht mit. Eine klare Besonderheit dieser Band liegt darin, dass der Großteil des Gesangs vom Schlagzeuger kommt. Es gibt nicht viele Bands, bei welchen dies der Fall ist. Wenn es doch mal vorkommt, ist der Gesang meißt von Schnaufpausen unterbrochen, Schlagzeug spielt man nun mal mit vollem Körpereinsatz. Doch dem Drummer von The Real McCoy scheint dieses Problem fremd zu sein. Respekt!

Die nächste Band, AT THE FAREWELL PARTY aus dem Raum Frankfurt am Main, ist eine Emo Band wie aus dem Bilderbuch geschnitten. Hier jagt wirklich ein Klischee das nächste. Zwar muss man es ihnen lassen, dass ihre Musik in qualitativer Hinsicht durchaus vertretbar ist, doch wäre es schöner, wenn sie wenigstens ab und zu von der üblichen Mischung aus hohem, klaren Gesang und permanenten Moll-Akkordfolgen ablassen würden. Denn allzu abwechslungsreich ist der Auftritt wirklich nicht. Auch hat man den Eindruck, dass die Jungs in ihren engen Hosen und Seitenscheitelfrisuren vorgeben, härter zu sein, als sie es tatsächlich sind. Sie fetzen über die Bühne und reißen Posen, doch außer einer Hand voll kleiner Mädchen in den ersten Reihen scheint niemand sonderlich begeistert zu sein. Zahlenmäßig kann das Publikum zwar mit den Vorgängerbands mithalten, doch von dem noch kurz zuvor euphorisch tanzenden Pulk ist nichts mehr übrig, alle stehen still. Aber man wäre ja auch kein anständiger Emo, wenn man den Kopf hebt und die Hände aus den Taschen nimmt.

Nun wäre es eigentlich Zeit für The Pokes aus Berlin, die ihren Auftritt jedoch leider Absagen mussten. Wahrscheinlich einer der Hauptgründe, aus denen kurz vor dem Auftritt von SERUM 114 viele Zuschauer den Platz räumen. Doch davon lassen sich die Jungs aus Wiesbaden nicht einschüchtern. Sie machen harten, aggressiven Punk und nehmen kein Blatt vor den Mund. Also durchaus passend, dass ihr Name an den Film Clockwork Orange angelehnt ist. Der auffällig wasserstoffblonde Gitarrist und Sänger hat die Menge schnell im Griff. Er springt von der Bühne und läuft durch den Graben und ist auch schon wieder oben um weiter zu rocken. Das Gras vor der Bühne ist den Füßen der Menge zum Opfer gefallen und man kann kleine Staubwolken aus dem Moshpit aufsteigen sehen.

Mit der nächsten Band betritt einer der internationalen Acts des Festivals die Bühne: THE DURANGO RIOT aus Schweden. Auf den ersten Blick hübsche, elegant gekleidete Kerle. Aber nur nicht irre leiten lassen, brav und leise sind sie deswegen noch lange nicht. Was genau sie für eine Musik machen lässt sich nur schwer spezifizieren, es steckt so einiges drin von Rock´n´Roll über psychedelischen Rock bis hin zu Punk und noch mehr. Tatsache ist, es ist sehr tanzbar! Die Bühne ist mit flimmernden, altmodischen Fernsehern dekoriert, sicher als Anlehnung an das aktuelle Album “Telemission”. Bei dieser Band stimmt die Atmosphäre ganz eindeutig.

Doch der Sänger ist schon ein Hingucker für sich selbst, wie er mit seinen auffällig langen und dünnen Beinen über die Bühne stolziert, beinahe wie eine Spinne. Die Ausstrahlung haut einen um, die Stimmung im Publikum ist perfekt, so muss ein Konzert sein.

Langsam legt sich Dunkelheit über das Festivalgelände. Einerseits durch die Abenddämmerung, andererseits durch Regen. Doch das kann die Berliner Band WAR FROM A HARLOTS MOUTH nicht aufhalten. “Scheiß auf den Regen Dieburg!” schreit der Sänger des Fünfergespanns. Selbst wenn ein Gewitter toben würde, diese Band könnte sicher dagegen anspielen. Die Musik ist laut und schnell und scheint alles zu zerlegen. Trotzdem ist es kein banaler Hardcore. Einflüsse aller Art von Grindcore und Metal bis hin zu Rock und einem Audio Ausschnitt aus Beavis und Butt-Head bahnen sich hier gewaltsam ihren Weg.

Kontakt zum Publikum wird hier wörtlich genommen, der Sänger klettert auf die Absperrung und hängt sich mitten in die Menge, wenn er nicht gerade mit den Bandkollegen über die Bühne fegt. Schon alleine vom Zusehen fangen einem die Füße an zu kribbeln und man wird einfach mitgerissen. Auch wenn die beiden vorherigen Bands beim Publikum gut ankamen, so geschah dies doch noch mit einer gewissen Zurückhaltung und Schüchternheit. Doch War From A Harlots Mouth weckt nun auch den letzten auf und verwandelt das Publikum in eine wilde Meute. Vom Circle Pit bis zur Wall of Death ist einfach alles mit dabei. Und so gehört sich das auch, da diese Band ja immerhin den Auftakt zum großen Finale des 10. Traffic Jam Open Air darstellt.

Endlich ist es soweit, um 22:15 Uhr ist die Zeit gekommen für die Ungarische Trash-Metal Band EKTOMORF. Das Publikum drängt sich auf dem gesamten Platz, alle scheinen sie sehen zu wollen. In der ersten Reihe sieht man ein Ektomorf Shirt neben dem Nächsten. Für manche ist es sicher nicht das erste mal, dass sie Ektomorf hier in Dieburg sehen. Bereits 2004 war die Band Headliner beim Traffic Jam und legte einen dermaßen legendären Auftritt hin, dass sie nun wieder hier sind.

Mit dem Titel “Outcast” ihres gleichnamigen Albums stürmen sie auf die Bühne. Sie tragen, wie man es von ihnen gewohnt ist, ihre durchgestylten Adidas Klamotten und spielen ihre Signature Instrumente. Diese Band ist wie eine Marke für sich. Zoltán spielt zunächst eine Gitarre, die, ebenso wie sein Pullover mit dem Bandlogo, im Camouflage Look gehalten ist, wechselt später (als er den Pullover nicht mehr trägt) zu seinem weißen Signature Modell.

Die Auswahl der Stücke ist eine bunte Mischung. Es ist älteres dabei, wie beispielsweise “I know” oder “You Leech”, doch einen großen Teil machen die Stücke des neuesten Albums “Outcast aus. Gegen Ende des Auftritts hin kommt mit “I Can See You” sogar noch etwas komplett neues hinzu.

Die Stroboskop Lampen auf der Bühne flackern wild, die Fans singen treu fast jedes Wort mit und folgen brav und artig Tamás´ Vorbild, wenn es heißt “Jump, Jump, Jump!”. Diese Band kann wohl eindeutig als die begehrteste des ganzen Festivals abgehakt werden. Vielleicht kommen sie ja irgendwann noch ein drittes Mal nach Dieburg.

Das waren sie also, Ektomorf. Der Höhepunkt des Abends ist damit zwar vorüber, doch noch ist das Festival nicht vorbei. Eine letzte Band steht noch auf dem Plan. RAYA, eine aus Tessin in der Schweiz stammende Metalcore Band. Raya ist eine der wenigen Bands aus rockigen Gefilden mit einer Sängerin. Um es für einen ersten Eindruck etwas zu vereinfachen: Man stelle sich die Guano Apes vor, nur um ein vielfaches lauter, härter und schneller. Die Sängerin hat trotz ihrer geringen Körpergröße und ihrem zunächst unscheinbarem Äußeren eine erschreckend kräftige Stimme. Zu dieser Musik wirbelt die kleine Sängerin blitzschnell über die komplett im Nebel versunkene Bühne. Auch wenn nicht allzu viele diese Band vorher kannten, scheinen besonders die Ektomorf Fans sehr schnell Gefallen daran zu finden.

Ein eindeutiges Defizit besteht bei dieser Band darin, dass sämtliche Lieder und Ansagen auf Spanisch sind. Nichts gegen spanische Musik, doch die Fremdsprachenkenntnisse des Publikums scheinen nicht weiter zu reichen als “Una cerveza, por favor!”. Dass die euphorischen Ansagen nur mit verwirrten Blicken und einem kleinen Lächeln auf den Lippen aufgenommen werden, scheint der Band etwas zu entgehen, die Sängerin scheint überzeugt, dass alle genau wissen, was sie meint. Aber vielleicht ist das ja auch erstmal zweitrangig, denn die Stimmung ist trotzdem gut und ausgelassen.

Als auch diese letzte Band nach etwas mehr als einer Stunde die Bühne verlässt, meldet sich schließlich nochmal ein Sprecher aus dem Team zu Wort. Er bedankt sich für das zahlreiche Kommen und dafür, dass seit nunmehr 10 Jahren das Traffic Jam jedes Jahr die härteste Party sei, die Dieburg zu bieten habe. Er lädt ein, dieses runde Jubiläum auf der After Show Party noch gründlich zu feiern. Schließlich verabschiedet er sich mit den Worten “Ihr seid Traffic Jam!” und “Krawall und Traffic Jammie!”.

Betrachtet man die Spur der Verwüstung, die dieses Festival jährlich hinterlässt, so ist dies wahrscheinlich der passendste Schlusssatz für ein Wochenende wie dieses. Man kann sich kaum vorstellen, dass hier nur ca. 5 000 Leute gefeiert haben…

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