Das diesjährige M´era Luna Festival in Hildesheim ist passé: Rund 20.000 Besucher feierten an zwei Tagen auf dem Flugplatz Drispenstedt bei durchwachsenem Wetter und rund 40 Bands der verschiedensten Musikrichtungen.
Nachdem während der Anfahrt am Samstag vom Zeltplatz bereits Unwetternachrichten eintrafen und der Himmel einiges erahnen ließ, war die Stimmung zunächst gedrückt. Umso erfreulicher gestaltete sich das Eintreffen am Einlass: Kurze Wartezeiten sowie freundlicher und schneller Service versüßten den Checkin, so dass wir pünktlich auf dem Festivalgelände standen.
The Lovecrave
Unter noch leicht dunklen Wolken startete mit The Lovecrave das diesjährige M’era Luna Festival. Die vierköpfige Band aus Mailand servierte Gothic Rock vom feinsten. Es war sehr angenehm, auch mal eine Frau am Mikro solch einer Band zu sehen und vor allem zu hören. Sängerin Francesca Chiara konnte mit ihrer Stimme in jedem Fall überzeugen und so legten The Lovecrave als erste Band dieses Tages einen sehr soliden Auftritt ab. [KH]
Down Below
Im Anschluss an die sehr EBM-und gitarrenlastigen Klänge von Pesticide hatte die noch junge Band Down Below ihren ersten M´era Luna Auftritt im Hangar. Seit ihrer Gründung im Jahre 2003 hat man den Namen zwar ab und zu mal gehört, für mich war es aber eher ein erstes Beschnuppern der 4 sympathischen Jungmusiker.
Da alle 4 in einheitlichen Roben aus schwarzem und königsblauem Samt gehüllt waren, ergab sich auf der Bühne ein wunderbar anzusehendes Gesamtbild, zusammen mit einer romantisch-ästhetischen Mischung aus Pop, Rock und Gothic. Songs des Debütalbums „Sinfony 23“, wobei „SIN-“ für Sünde steht, wie z.B. „Down Below“ oder „Run Away“ heizten den Festivalbesuchern in diesen frühen Mittagsstunden richtig ein. Neo bezog das Publikum gut in die Songabfolge ein, speziell die Damen wurden mit dem Song „Dark Queen“ gesondert angesprochen.
Nach, wie ich finde „nur“, 35 Minuten war der Mera-Luna-Debüt-Auftritt auch schon wieder zu Ende. [MP]
Lola Angst
Unter immer noch wolkenverhangenem Himmel erhob sich ein großes Ungetüm aus Stahl – Lola Angst schickten sich an, die Mainstage zu entern.
Mit ihrem Tophit „Am I Dead“ eröffneten Goldman und Schirner ihre gut halbstündige Show; „Wir sind And One, und ich bin Steve Naghavi!“ hallte es über das Infield, was angesichts der musialischen Parallelen zwischen beiden Bands dem ein oder anderen ein Grinsen auf das Gesicht zauberte.
Ansonsten schlug das übliche Erfolgsrezept ein wie eine Bombe: Abgedreht-dynamische Songs mit pyrotechnischer Begleitung und der ein oder anderen Showeinlage (wer kommt auf die Idee, eine Bierflasche mit einer Axt zu öffnen?) ließen die Zeit wie im Flug verstreichen.
Jesus On Extasy
Gut füllte sich der Platz vor der Hauptbühne, als gegen 12.30Uhr die Mädels und Jungs von Jesus On Extasy an der Reihe waren. Besonders in den ersten Reihen hatten sich zahlreiche Anhänger(innen) versammelt, um später alle Lieder frohlockend mitsingen zu können. JOE rocken in jedem Fall live viel mehr als auf der Platte und so hatten sie keine Mühe, die Köpfe, Popos und Hände des Publikums in Bewegung zu bringen. Es gab sogar Babywünsche aus dem Publikum. Frei nach dem Motto „Everybody dance now“ gab es 35 Minuten Industrial Rock pur, der mit „Assassinate me“ endete.
Später hatte man die Möglichkeit, JOE am Sonic Seducer Stand einen Besuch zu abzustatten und sich das ein oder andere Autogramm zu holen. Eine wirklich sehr sympathische und freundliche Band. [KH]
Necro Facility
„Es gibt Dinge, die gibt es nicht, und welche, die sollte es besser nicht geben.“ Diese und ähnlichge Gedanken schossen wohl dem ein oder anderen Zuschauer durch den Kopf, als Necro Facility ihren Auftritt auf der Mainstage begannen. Sänger Henrik Bäckström und sein Kollege Christoffer Hedström wirkten von Outfit und Verhalten eher einer Rapper-Veranstaltung zugehörig denn einem Festival dieser Musikrichtung und Größe. Auch wenn das Bühnengehabe von Henrik an Ikonen wie Douglas McCarthy oder Dirk Ivens erinnerte, fehlten schlicht und ergreifend die musikalischen Qualitäten, so dass der kurze Gig eher belustigte, denn enttäuschte.
Animal Alpha
Eigentlich hätten nun Animal Alpha ihren Auftritt im Hangar nach Fair To Midland beginnen sollen.
Doch pünktlich zum Konzertbeginn – war niemand da.
Wie kurz darauf bekannt wurde, hatte sich die Band zu sehr auf ihr Navigationssystem verlassen, in das zudem noch ein falsches Ziel einprogrammiert war. Nach einem kurzen Besuch in Thüringen erreichten Animal Alpha Hildesheim am späten Samstag Abend – zu spät für einen nachgeholten Auftritt.
Client
Die zweite Programmänderung stand nun auf der Mainstage: Client zogen kurzerhand ihren Auftritt vor, da Assemblage 23 im Stau steckten und sich verspäten würden.
Endlich füllte sich das Infield vor der Hauptbühne, als die Electropopper aus England begannen zu spielen. Kaum standen Kate, Sarah und Emily auf der Bühne, strahlte die Sonne, so dass die drei ihre Show vor einer gutgelaunten und trockenen Menge performten.
Cultus Ferox
Während von der Mainstage die Synthie-Klänge von Client durch das offene Hangartor schweben, kündigt ein Stierschädel auf der Hangarbühne die nächste Band an: Cultus Ferox schicken sich an, all diejenigen einzustimmen, die sich auf den Auftritt von Schandmaul am frühen Abend freuen.
Nach einem kurzen Intro geht es mit „Blendwerk“ und „Götterdämmerung“ los, der Auftritt wurde durch den Wegfall von Animal Alpha um eine Viertelstunde verlängert, so dass auch altbekannte Hits vergangener Tage gespielt werden können.
Covenant
Mit Covenant stand für viele das Highlight schlechthin am Samstag Nachmittag auf der Mainstage. Noch bevor die ersten Beats von „Leiermann“ über das Infield wummerten, glich es einer ausgelassenen Party. Zu lauten „Eskil, Eskil!“ Rufen und dem einsetzenden Opener trat Eskil Simonsson in gewohntem weißen Anzug auf die Bühne. Mit „Bullet“ und „20Hz“ ging es weiter, während Eskil zunächst Hut und dann die Jacke ablegte, geriet die Crowd immer mehr in Wallung – beim Abschluss „Call The Ships To Port“ konnten dann die wenigsten widerstehen, zu mitreißend war das Gesamterlebnis.
Leider war auch Covenant – wie jeder anderen Band an diesen Tagen – keine Zugabe vergönnt, doch auch ohne diese blieb umwerfender Gig in Erinnerung.
Nosferatu
Während auf der Mainstage die letzten Takte von Covenant verklangen, gab es im Hangar mal wieder einen Stilwechsel. Nach eigener Aussage sollte nun eine der „weltweit kommerziell erfolgreichsten Second Wave Gothic Rock Bands“ auftreten.
Auch wenn solche Aussagen manchmal nicht gerade unbegründet getroffen werden, hinterlässt der Auftritt bei mir gemischte Gefühle. Vielleicht liegt es an den langen Pausen zwischen den einzelnen Songs, vielleicht am unmotiviert-wirkenden Gehabe der Band, oder einfach nur daran, dass die Songs wenig
Neues boten.
Dem Publikum schien der Gig zumindest zu gefallen.
Dir En Grey
Ein besonderes Schmankerl waren Dir En Grey. Nach vorangegangen eher elektronischen Klängen hauten die vier Japaner mächtig auf den Putz. Ausruhen oder Stillstehen war hier fehl am Platz. Sänger Kyo kann nicht nur verdammt gut singen, sondern auch krächzen, grunzen, schreien und wie ein kleiner zarter Engel singen. Allein diese Stimmgewalt und -vielfalt war sehr beeindruckend. So gab es eine Stunde lang mächtigen Metal auf die Ohren und die ein oder anderen Ritzereien auf der Bühne, die zum Programm von Dir En Grey dazu gehören. Ansagen, Hallo oder Tschüß gab es nicht, aber auch nicht so schlimm, denn diese Band spricht durch ihre Musik und ihre Gesten. Geil. [KH]
Emily Autumn
Anschließend verwandelte sich der Hangar in eine viktorianische Fabrikhalle. Die junge Amerikanerin Emilie Autumn hatte den weiten Weg ins sonst eher konventionelle Hildesheim gefunden. Die Hauptperson, eine Erscheinung der „postapokalyptische Marie Antoinette“ wie sie sich selbst beschreibt, begleitet von ihren 3 Gespielinnen und Suffer, einem Plüschteddy, bot den Besuchern eine wunderbar einheitliche und in sich schlüssige Bühnenshow. Man könnte sogar sagen, eine komplette Geschichte wurde während des Sets musikalisch wiedergegeben und auf der Bühne schauspielerisch umgesetzt.
Balsam für Ohren und Seele, denn diese Frau kann wirklich singen, was man nicht von allen Mera Luna Acts behaupten kann. Die rosa-haarige Prinzessin der neu geschaffenen Richtung „Victoriandustrial“ beeindruckt mit einer Mischung von authentischen barocken Klängen, fabrikabgeleitetem Industriellem und Rhythmen, bei dem keiner die Füße stillhalten konnte. Mit stimmlicher Raffinesse aus tiefster Seele bis hin zu verwirrenden Schreien schafft Emilie Autumn ein „positiv gefährliches Gefühl“.
Zum Abschluss gab es quasi als Zugabe ein ca. 5 minütiges Geigensolo abgehalten mit dem Markenzeichen der Frontfrau – der elektronischen Geige. Da Emilie schon seit ihrem 4ten Lebensjahr zur Konzertviolinistin ausgebildet wurde, hatte das Solo die entsprechend gute Qualität, sodass einem richtig warm ums Herz werden konnte und einem im nächsten Moment der Schauer überkam. Live einfach eine Erfahrung wert, man kann wirklich zum Fan dieser Stilmischungen werden. [MP]
Schandmaul
Mit ihrem letzten Werk „Mit Leib und Seele“ standen die Schandmäuler während der Abenddämmerung auf der Hauptbühne. Nach dem Opener „Vor der Schlacht“ schaukelte sich die Formation um Sänger Thomas von einem Höhepunkt zum nächsten. Hier zeige sich das Publikum textsicher, denn Stücke wie „Herren der Winde“, „Vogelfrei“ und „Walpurgisnacht“ sind wie geschaffen zum ausgelassenen Mitsingen. Zwar klappte Thomas´ Versuch, sich das Helium eines Jesus on Extasy einzuverleiben und mit veränderter Stimme zu singen, nicht so, wie er wollte, aber wer möchte schon eine Mickymouse®-Variante eines Schandmaul-Songs hören?
Wer Schandmaul noch nie live erleben durfte, wird spätestens nach diesem Konzert wissen, warum die sechs unter den Folk-Rockern einen Namen als Band mit besonderen Livequalitäten gemacht haben.
Mit dem wohl ergreifendsten Stück der bisherigen Discographie wurde dann auch dieser Auftritt beschlossen, unter den Klängen von „Dein Anblick“ verabschiedeten sich die Schandmäuler von ihrem Publikum – man sieht sich wieder.
My Dying Bride
Es fällt mir schwer hier einen Report abzugeben, dennoch möchte ich es bei einer mir Stilrichtung, die mir nicht so ganz liegt, versuchen.
Die Jungs und Mädels von My Dying Bride hatten nun am Samstag ihren Auftritt im Hangar.
Akustisch gesehen war der Auftritt nicht wirklich das „Gelbe vom Ei, bei den Gröhlpassagen des Sängers Aaron Stainthorpe, übersteuerte es und die ruhigen, melancholischen Anteile kamen zum einen zu selten, zum anderen zu leise rüber. Für Fans des Doom-Metals und Düster-Rocks war es sicherlich ein Ohrenschmaus, ich konnte dem Ganzen dennoch nicht viel abgewinnen und fand 1h Auftrittsdauer auf Grund der fehlenden Abwechslung einfach zu lang. Wirklich gut waren die ein oder anderen Gitarrenklänge. Kultband hin oder her, ich fand den Stilbruch am Samstagabend einfach zu hart, My Dying Bride passten nicht zwischen Emily Autumn und Siucide Commando in das Tagesprogramm des Hangars. [MP]
And One
Zu den Klängen des Depeche Mode Songs „Fools“ betraten zunächst Chris und Gio die Bühne, Steve folgte kurze Zeit später in weißem Anzug und orangener Krawatte – und erklärte das M´era Luna Festival für offiziell eröffnet; Besucher des Woodstage Festivals dieses Jahr kannten das ja bereits.
Befand sich der agile Frontmann während des Openers „Stand The Pain“ vom aktuellen Top-Album „Bodypop“ noch alleine im vorderen Teil der Bühne, so leistete ihm Chris während des darauf folgenden „Technoman“ Gesellschaft, wobei dieses Stück zu einem wahren Tanzduell der beiden ausartete.
„Wir sind die wahren Project Pitchfork“ schallte es über das Flughafengelände, während die ersten Takte von „Timekiller“ aus den Boxen drangen, und Steves Interpretation des Project Pitchfork Hits begann. Konnte Peter Spilles auf dem Woodstage Festival noch versuchen, die Fans davon überzeugen, dass das Original doch von Project Pitchfork stamme, übernahm das jetzt Steve und übermittelte „Dank für vieles und alles, auch im Namen von Project Pitchfork“ – sein Grinsen dabei sprach Bände.
Nach einer weiteren Coverversion („The Walk“ von The Cure) ging es in den Endspurt, und auch, wenn Steve vor lauter Schabernack zwischendurch den Faden bzw. eine Songzeile verlor, bzw. das Publikum mit „Ihr macht aber auch wirklich alles“ verlachte, feierte die Crowd ausgelassen zu Hits wie „Deutschmaschine“, „Fernsehapparat“ oder „Get You Closer“. Mit „So klingt Liebe“ ging ein viel zu kurzer Auftritt zu Ende, und während das Publikum den Refrain wieder und wieder sang, verabschiedete sich Steve mit den Worten „wir sind fertig, ihr könnt gehen“.
Suicide Commando
Eine Videoleinwand, ein Laser – eine Band.
Mit dem gewaltigen Intro von „Bind, Torture, Kill“ war schnell klar, in welche Richtung dieser Auftritt gehen würde. Als Johan die Bühne stürmte, war das Publikum von der ersten Sekunde an hingerissen.
Johan trieb es förmlich von einer Ecke der Stage zur anderen, energiegeladen und ruhelos wie immer – sehr zum Leidwesen der Fotografen.
Leider endete der Auftritt nach den folgenden Songs „Conspiracy with the Devil“ dem Alltime Burner „Dein Herz, meine Gier“ für uns, da das Verlassen des Fotograbens in den Hanger nicht möglich war – ebenso wie das Betreten desselben, denn Suicide Commando hatten ihn bis zum Bersten gefüllt.
Suicide Commando – Fotogalerie
Tool
Groß angekündigt wurde der „Top-Act“ Tool, der den Samstag auf der Mainstage headlinen sollte.
Für uns fiel der Auftritt flach, denn wenn eine Band sich im Vorfeld derart herablassend mit Medienvertretern auseinandersetzt, ist sie es auch nicht Wert, dass man ihr Beachtung schenkt. Tool bestätigten an diesem Tag einmal mehr das Vorurteil, dass Bands mit „großem“ Namen Star-Allüren aufweisen, die jenseits des guten Benehmens liegen.
Also gab es für uns keinen Grund mehr, diesem Auftritt beizuwohnen, waren die „wirklichen“ Headliner sowieo schon aufgetreten.
als Gastschreiberinnen.