Gerade erst zum dritten Mal fand dieses Jahr das Amphi Festival
des rennomierten Szenemagazines Orkus statt und dennoch braucht es sich mit rund 9.000 Besuchern pro Tag
nicht zu verstecken. Zu den Highlights am ersten der beiden Tage
des Festivals gehörten u.a. Obescenity Trial, Eisbrecher, Funker Vogt, aber auch
Xotox, Sonar, Winterkälte, Feindflug und vor allen Dingen Front 242!

SAMSTAG

Es ist entgegen aller bisherigen Wettermeldungen ein sonniger, angenehm warmer Sommertag mit einer leichten Brise Wind. Die Tore zum Tanzbrunnen, dem Veranstaltungsort des Festivals, öffnen sich und die ersten Besucher strollen verstreut über das große Gelände und schauen sich die vielen Händlerstände an, während die Verkäufer am Waffelstand den ersten Eimer Teig an diesem Wochenende mischen und ein Sonderkommando Komparsen im VIP-Bereich ein Wespennest ausräuchert.

Es ist noch friedlich und entspannt zu diesem Zeitpunkt des Festivals und man kann sich ganz bequem und frei bewegen. Und während sich der Duft der Räucherstäbchen vom Merchandise-Stand mit dem lockenden Geruch
des Pizzastandes nebenan vermischt ist der Soundcheck das einzige, was die Stille ein wenig stört.

Immerhin kann man sich schonmal in Ruhe die Umgebung anschauen und gemütlich das ein oder andere Sortiment durchgehen, doch bald schon meldet sich Honey von Welle:Erdball als Moderator und Bandansager des Festivals auf der Hauptbühne zu Wort: Die Aufbauarbeiten und der Soundcheck sind jetzt endlich abgeschlossen und voller Freude kündigt er die erste Band an, die nun das Festival mit einer guten Viertelstunde Verspätung eröffnen dürfen. Dafür wird aber auch gleich angekündigt, dass Bloodpit, die zweite geplante Band, nicht auftreten kann und dass Obscenity Trial deshalb wohl ein wenig länger spielen werden. Es wird nicht die einzige Panne für heute bleiben, aber zumindest mir ist es eigentlich ganz recht, dass die Softrockgruppe ausfällt.

OBSCENITY TRIAL, angeblich gerade von einer Tour aus Afghanistan zurückgekehrt, erweisen sich als eine gute Wahl als Opener und als ein echter Tip. Die Menge ist noch ziemlich träge als sie Anfangen zu spielen, aber durch ihre energische Vortragsweise auf der Bühne überträgt sich die Energie bald auch auf das Publikum. Die Musik von Obscenity Trial zeichnet sich vor allem dadurch aus, dass sie von allem etwas hat:

So baut die Band auf sehr starke Synthrhythmen auf, verfeinert durch ein Schlagzeug, so dass sie nicht zu grob und monoton sind. Dazu gibt es gezogene, harmonische Melodien und die Art des Sängers bietet gar retro-elemente, die an die 80er Jahre zu erinnern vermögen (wenn man denn will). „Daydream“ weist zudem noch
eine sehr coole Bassline auf. Nach 6 Songs entlässt die Band das Publikum wieder mit der balladisch-langsamen Nummer „Book of Love“, die zwar als Ausklang gedacht ist, meiner Meinung nach aber nicht an die anderen Titel herankommt. Vor allem der Text scheint abgedroschen. Dennoch eine gute Band, die man
im Auge behalten sollte!

Als nächstes ging ich zur Theaterstage, der zweiten Bühne, die sich in einer Halle befindet. Dort waren für Samstag die krachigeren Industrialbands vorgesehen. Also Drumgedresche bis zum Umfallen.

Leider verschiebt sich der Eintritt in die Halle aus irgendwelchen Gründen, so dass ich noch kurz in DIORAMA auf der Mainstage hereinhöre. Einen richtigen Eindruck kann ich mir in der kurzen Zeit aber natürlich nicht verschaffen. Mir fällt nur auf, dass zwar eine E-Gitarre in der Besetzung ist, diese aber von den Synthesizern und den Drums weitestgehend übertünscht wird. Der Rest der Musik dröppelt so vor sich hin und „Synthesize me“ erinnert ein wenig an alte Stücke von Covenant. Mittlerweile wurde der Zugang zur Halleaber gewährt, also nichts wie auf zu Xotox!

Auch jetzt noch dauert es ewig in die Halle zu kommen da nur ein kleiner Eingang zur Verfügung steht, während ein weiterer Zugang nur als Ausgang genutzt wird. Drin angekommen fällt zuerst die sehr coole Beleuchtung auf. Da hat sich wirklich mal jemand Gedanken gemacht. Sieht jedenfalls klasse aus und wenn man nicht „wow“ sagt, dann denkt man es doch bestimmt im ersten Moment. Aber Wie klingen eigentlich XOTOX?

9 von 10 Befragten würden diese Frage wahrscheinlich so beantworten: „Bumm! Bumm! Bumm! Bumm!….“. Die Band gibt sich wort- und aktionskarg und prügelt stattdessen lieber ohne Wenn und Aber auf der Percussion rum.
Es gibt also Instrumentales mit sehr strengen, zugepackten Maschinenrythmen und ab und zu vielleicht mal ein Sprachsample. Im Gegensatz zu späteren Bands in der Halle machen XOTOX aber auch schonmal zwischenrufe übers Mikro.

Das Publikum jedenfalls steigt sofort mit ein und bald tanzt der ganze Saal. Beim letzten Song jedoch leert sich die Halle bereits spürbar.

Nun aber wieder nach draußen zur Hauptbühne, wo gleich Imatem mit dem Spielen beginnen sollten. Überraschenderweise ist aber die Deko für Eisbrecher aufgebaut. Ich komme zufällig gerade rechtzeitig an um mitzubekommen, dass Imatem leider im Stau stehen und Eisbrecher deshalb früher spielen. Jetzt ist das nichts Schlimmes, aber wieso fangen sie dann nochmal zehn Minuten früher an als auf dem Plan steht?

Ich kann mir vorstellen, dass sich einige Eisbrecherfans, die das nicht gleich mitbekommen haben schonmal in den Arsch gebissen haben deswegen.


EISBRECHER beginnen also ihre Rockshow, die so (fast) ohne Synth ganz im Gegensatz zum Rest des Programms zu stehen scheint. Die Menge aber ist auch hier ab dem ersten Song, „Kein Mitleid“, direkt dabei. Rockmusik reißt halt einfach mit. Man merkt aber während des ganzen Auftrittes, dass Eisbrecher zwar gut ankommen beim Publikum, aber viele die Band wohl noch nicht so kennen. Das Publikum reagiert jedenfalls ein wenig langsam und wirkt mitunter etwas verdattert. Zwischen den Songs gibt Alexx sein Bestes, um die Laune mit Smalltalk und Witzeleien – meist über Bayern – aufzulockern. Unter anderem stimmt er dabei auch mal Rammsteins „Heirate Mich“ an oder rappt spontan eine gesamte Strophe von Clawfingers „Nigger“ in Hochgeschwindigkeit (!). Weitere Highlights im Repertoire der Münchener sind „Phosphor“, „Schwarze Witwe“ und „Miststück“, das die Band mit Extraverlängerung spielt. Die vom Publikum geforderte Zugabe kann aber nicht wahrgenommen werden, denn mittlerweile steht Imatem auch schon auf der Matte und die Show muss weitergehen.


Besagter IMATEM ist ein Soloprojekt von Peter Spilles von Project Pitchfork. Als er anfängt zu spielen sind deutlich weniger Menschen vor der Bühne als gerade eben zu Eisbrecher. Der Auftritt beginnt mit verschiedenen Tonfetzen aus Newsmeldungen, die bald mit sporadisch auftauchendem Synthgedudel untersetzt werden, das hintergründig, aber deutlich, Akzente setzt. Man könnte das auch beispielhaft für die Musik von IMATEM nennen, denn die richtigen Songs die nun folgen zeichnen sich vor allem durch gut tanzbare Rhythmen und akzentsetzende Synthbegleitungen aus. Imatem verwendet als erster Künstler eine Videoprojektion, um die Show ein wenig aufzupeppen, wenn auch nur mit sehr beruhigend wirkenden, langsamen Animationen hinter dem Bandlogo. Ich fand es ein wenig enttäuschend, dass der gute Mann nicht einmal so tut als würde er das Instrument live spielen. Die Musik varriierte fröhlich weiter, auch nachdem er selbst einfach mal über die Bühne spazieren gegangen ist. Dafür bereicherte er sein Repertoire durch diverse Gastsänger. Ein erstes Highlight bildete hier das Duett mit Falk Leng, der seine Texte mit viel Emotion und sehr überzeugend vorsang. Aber das wirkliche Highlight des Aufrittes bildete der Song, in dem der Publikumsliebling des Tages mitsang:

Der Graf. Ungewöhnlicherweise singt er diesmal auf englisch, aber das hält die Menge – eben noch eher verhalten tänzelnd – nicht davon ab vollends abzugehen. Der darauf folgende letzte Song bringt die Masse dann wieder eher zurück zum verhaltenen Tänzeln…

Das Nächste auf meiner Liste ist die Band SONAR, wieder in der Halle.

Auf der Mainstage spielen zeitgleich FUNKER VOGT, aber mir wurde Sonar heute von mehreren Leuten empfohlen, deshalb entschied ich mich um und ging lieber in die Halle. Auch diesmal wieder keine Interaktion mit dem Publikum und Percussion pur. Im Gegensatz zu Xotox ist die Musik von Sonar aber lockerer, nicht so streng maschinell und dadurch atmosphärischer.

Gespielt werden sieben Songs und eine Zugabe und der Saal hört nicht auf zu tanzen. In den Frontreihen soll es sogar Pogo gegeben haben.


Als nächstes geht es wieder nach draußen, denn auch wenn Spetsnaz in der muffigen Halle locken, schau ich mir doch lieber UNHEILIG im Freien an.

Dort ist der Platz schon proppvoll mit Leuten. Der Graf muss wirklich kaum noch irgendetwas machen um das Publikum zu begeistern. Seine pure Anwesenheit langt aus und alle sind voll dabei. Tatsächlich ist es einfach ein Genuss den schrulligen Frontmann bei seiner Arbeit zu betrachten, wie er exzentrisch umherhüpft und mit seinen Händen umherfuchtelt wie der große, empfindsame Virtuose. Neben mir höre ich eine schon etwas ältere Frau sagen „Mir total egal was der spielt, ich find den einfach toll!“ und ich glaube nicht, dass sie mit dieser Meinung alleine steht.

Es ist ganz egal, ob nun „Schutzengel“, „Sag ja“, „Maschine“ oder „Freiheit“ angestimmt werden. Egal ob die Songs fetzig sind oder ruhig – das Publikum macht voll mit und ist wie Wachs in den Händen des Grafen. Da darf die Zugabe in Form von „Auf zum Mond“ natürlich nicht fehlen. Übrigens erwähnte der Graf, dass die Fans vorher auf der Homepage selbst für die einzelnen Songs abgestimmt haben. Nur die Reihenfolge wurde wohl geheim gehalten.

Mittlerweile ist das gesamte Gelände prallgefüllt mit Besuchern und so langsam aber sicher wird es immer langwieriger um von A nach B zu gelangen.


In der Halle ist neben erstaunlich guter Luft WINTERKÄLTE angekündigt.

Diese klingen weniger streng-maschinell als Sonar und Xotox, dafür aber wuchtiger mit mehr Noise-Elementen. Das Publikum wirkt nach dem Industrialbombardement deutlich schlaffer und müder als zuvor. Man sieht nun auch eine ganze Menge Leute am Rand oder in der Lounge bei der Garderobe sitzen und die Gesamtheit steht erstmal mehr oder weniger still. Doch bereits zum zweiten Song tanzt der Saal schon wieder wie zuvor.

Und nach Winterkälte treten FEINDFLUG auf. Schnell stellt sich heraus, dass die Halle zu klein für die Band ist – viel zu klein. Die Leute stehen bis in die Lounge um das Konzert zu sehen, das mit Verspätung beginnt. Im Gegensatz zu den anderen Bands in der Halle haben Feindflug einen Bühnenaufbau in Form von einer Panzerabwehrkanone und bieten außerdem eine Videoshow, in der alte s/w-Aufnahmen aus dem zweiten Weltkrieg gezeigt werden. Spätestens durch das Tragen alter Uniformen oder Uniformteile wird die Band dann auch wieder ihrem Ruf gerecht. Allerdings interagiert sie nicht mit dem Publikum, sondern spielt pünktlich wie die Eisenbahn einen Song nach dem anderen ab. Vor allem die erste Hälfte des Auftritts kommt beim Publikum sehr gut an, das bis fast ganz hinten tanzt und auch mal mitklatscht.

Ich verlasse an diesem Abend früher die Halle weil ich noch Front 242 pünktlich sehen will und kriege dadurch
auch nicht mit, dass Feindflug den letzten Song „Truppenschau“ nur kurz anspielen und dann sofort abrupt
den Auftritt beenden.


Draußen drängt sich indes schon alles zur Bühne hin, wo jetzt jeden Moment die legendären FRONT 242 auftreten werden. Und diese Show entpuppt sich als der Urknall des Amphis: Schon bei der Ansage können sich Teile des Publikums kaum halten und bewerfen Honey mit Gegenständen damit die Bühne endlich frei wird. Der Auftritt und das Feedback stellen zumindest mal alles, was Samstags lief in den Schatten und zeigt, dass die „Super-Dinosaurier“ (Zitat Honey) auch nach mehr als 20 Jahren noch immer fetzen wie am ersten Tag.

Das Publikum pogt, tanzt und dreht generell am Rad. Kaum jemand ist zu sehen, den 242 nicht anspricht. Die Belgier legen eine Wahnsinnsshow voller Power an den Tag und das Publikum tobt. Jeder Song ist ein neues Highlight und am Ende darf natürlich auch „Headhunter“ nicht fehlen. Wenn ich mich vorher nicht aktiv mit Front 242 beschäftigt habe – nach diesem Auftritt hab ich allen Grund dazu! Einziger Wehrmutstropfen:

Die Band spielt partout keine Zugabe und so schlägt die Euphorie des Publikums schnell in Enttäuschung und
Wut um. Für einen Moment lang denke ich, dass gleich die ersten Leute die Bühne zerlegen, aber es bleibt dann doch alles friedlich. Was die Leute nicht wissen ist, dass die Band nur eine Teilschuld trifft, denn die Regulierungen am Tanzbrunnen sind wirklich so strikt und zwingen Veranstalter dazu, um Punkt 10 Uhr
dem Treiben ein Ende zu machen.

In der Halle, die jetzt wie ein verlassenes Schlachtfeld voller matt umhersitzender Festivalleichen aussieht, werden bereits die Reste für die Aftershow Party zusammengekratzt. Zwischen all den umhersitzenden Leuten, Flaschen und zertretenen Bechern auf dem klebrigen Bierlachenboden steht nun Honey am Mischpult auf der Bühne und gibt dem Soundteam seine Anweisungen. Wer nach Front 242 noch nicht genug hat, kann sich ab jetzt hier noch den Abschuss holen.

Neben Honey von Welle:Erdball werden eine handvoll DJs aus lokalen Clubs und DJ Ronny von depechemode.de auflegen.

Ich selbst habe aber erstmal genug für einen Tag und ziehe mich in die heimische WG zurück. Der Auftritt von 242 kann von nichts mehr getoppt werden, denke ich. Wenn ich mich da mal nicht getäuscht habe…

Alle Fotos vom Samstag

SONNTAG

Wer dachte der zweite Tag des Amphifestivals wäre nach dem Aufritt von Front 242 am Samstag langweilig, der hat sich gehörig getäuscht. Auf der Main Stage zumindest ging mit Größen wie Subway To Sally, Saltatio
Mortis oder Apoptygma Berzerk nochmal richtig die Post ab.

Aber auch jüngere Bands wie Heimatærde oder Krypteria begeisterten heute, während in der Halle Gothicbands wie Untoten, Dreadful Shadows oder Emilie Autumn spielten.

Es ist Sonntag und der letzte Tag des Amphis. Die Sonne brät ordentlich, aber ein angenehmer kühler Wind erfrischt die Besucher mittags um 12, nachdem die Tore zum Gelände wieder geöffnet wurden. Bis zum Abend werden auch heute wieder neuntausend Besucher das Festivalgelände fluten.

Die verbleibende Stunde bis zum ersten Auftritt, heute von Portion Control, nutzten die meisten der noch
wenigen Besucher dazu, um gemütlich in der Sonne zu sitzen und sich eine Kleinigkeit zu Essen zu Gemüte zu führen, während der Chefkoch vom großen Imbiss die ersten Calamares in der großen Pfanne briet, oder man
schaute sich in den vielen kleinen Händlerständen um und durchstöberte die CDs, feilschte oder wühlte sich durch Klamotten. Doch bald meldete sich schon Festivalmoderator Honey, der sonst in der Elektrokapelle Welle:Erdball mitwirkt, auf der Bühne zu Wort und kündigt die nächsten beiden Künstler an, die ihm natürlich ganz besonders sympathisch sind weil sie wissen wie man einen C64er bedient.


Den Anfang machten heute PORTION CONTROL, zwei alternde Pioniere im Bereich elektronische Musik aus England und ihr Synthesizer. Es war noch nicht viel Publikum versammelt als es losging, aber diejenigen, die schon an der Bühne standen, waren gut gelaunt und es herrschte eine lockere Atmosphäre. Nur die nach Fantasy-Art gewandeten Mittelalter-Fans konnten sichtbar überhaupt nichts mit der Musik anfangen. Portion Control merkt man an, dass sie schon sehr lange spielen, denn ihre Musik stützt sich hauptsächlich auf mehr oder minder ausgefeilte Basslines, die mit stampfenden Beats gepaart wird.

Dazu kommen aggressiv eingeworfene und mit Echo versehene Lyrics. Also alles ganz altmodisch, aber auf der Höhe der Zeit. Die Performance ist locker-routiniert und besonders positiv fällt auf, dass der Sampler wirklich
live eingespielt wird. „Savage Messiah“, das zweite Stück, fällt besonders auf und ist ein echter Stampfer. Während bis zum fünften Song der Großteil der Leute tanzt, stehen die Mittelalterfans in Reihe eins noch immer wie die Salzsäulen herum.

Auch als Portion Control Werbeflyer für ihre Homepage ins Publikum werfen.


Aber warum stehen die da überhaupt?

Ganz einfach deshalb, weil sie sich schon Plätze in Reihe 1 für die zweite Band heute freihalten wollen: SALTATIO MORTIS.

Wer Saltatio Mortis noch nicht kennt, der wird vielleicht mit der Beschreibung „Schandmaul in flott“ etwas anfangen können? Das heißt konkret, dass Saltatio alle Spielmannklischees in ihren Texten verwursten und ausleben und dazu sehr melodische Musik mit Dudelsäcken und nicht zu harten E-Gitarren (im Gegensatz zu den brachialen Subway To Sally) machen.

Bei Saltatio Mortis kommt noch hinzu, dass sie schnell spielen und krachige Rhythmen draufhaben. Es ist jetzt deutlich mehr Publikum da, der Platz hat sich schlagartig gefüllt und die Stimmung ist schon beim ersten Song
einfach phänomenal. Der dritte Song mit dem Namen „Spielmannschwur“ ist vom kommenden Album „Aus der Asche“ entnommen und kommt ebenfalls sehr gut beim Publikum an. Weitere Highlights sind „Keines Herren Knecht“ und „Dunkler Engel“, bei dem aber dem Sänger ein kleines Missgeschick passiert indem er stolpert und fällt. Es ist aber nichts passiert, so dass er und die Band ihr Programm ganz normal zu Ende spielen können. Wie man es von Bands aus dem Mittelaltermarktsektor gewohnt ist, witzeln und kommunizieren auch Saltatio Mortis bei jeder Gelegenheit mit dem Publikum und so wird auch dieses Malheur gleich zu einer neuen Finte gestrickt. Zusätzlich darf die Band nach lauten Forderungen des Publikums auch noch eine Zugabe in Form von „Licht und Schatten“ spielen, die sich als Abräumer entpuppt. Das Publikum ist in einer super Stimmung, die sich heute nicht mehr legen wird.


Ab diesem Zeitpunkt bleibt der Bereich vor und um die Mainstage herum mehr oder weniger konstant voll. Auf die nächste Band war ich besonders gespannt und tatsächlich werden meine Hoffnungen nicht enttäuscht:

HEIMATÆRDE entpuppt sich als der Tip des Tages. Die Band hat tatsächlich Mittelalter mit Industrial gekoppelt!
Und das nicht nur auf den Covern ihrer Alben – Zu Beginn der Show treten zwei Kreuzritter in voller Montur an die Synthesizer heran.

Neben einigen Wappenbrettern auf der Bühne gibt es auch noch zwei Banner mit dem sehr coolen Albumartwork und eine Videoshow zu sehen. Der erste Song ist dann auch sogleich eine ungewöhnliche Mischung aus Frontalindustrial mit gesampelten Zitaten aus Filmen o.ä., gregorianischen Chorälen und einer live gespielten Schalmey. Eine sehr ungewöhnliche Kombination, die aber das Publikum sofort mitreißt. Bald tauchen noch drei weitere Kreuzritter auf, von denen zwei quasi „zur Deko“ für die Bühnenshow da sind und einer als Sänger fungiert.

Die Bühnenshow, die zunächst noch wie träges hin- und herlaufen wirkt, steigert sich jedoch schnell zu einem echten Hingucker. Kriegsgerät wird aufgebaut, Flaggen aufgestellt und natürlich kräftig posiert. Unter anderem betrinken sich die Ritter noch mit Kunstblut zum Song „Wiedergænger“ und zu „lebloser Körper“ gibt es sogar einen Schwertkampf auf der Bühne. Man braucht also kaum zu sagen, dass Heimatærde sowohl musikalisch als auch konzeptionell außergewöhnlich sind und heute eines der Highlights bilden.

Die Highlights im Programm der Band hingegen bilden die Songs „Gib mir“, „Lebloser Körper“ und die flotte
Abschlussnummer „Morituri Salutant“, die sich wahrscheinlich zu einer Hymne der Band entwickeln wird. Eine Zugabe wird gefordert, aber nicht gespielt.

Hut ab vor diesem Projekt! Im Vergleich zu den fröhlichen Spielmännern von Saltatio Mortis zeichnen die biederen Mannen von Heimataerde ein erfrischend kritisches Bild vom Mittelalter und sind sehr ernsthaft in ihrer Bühnenshow.


Als nächstes stehen die Metaller von KRYPTERIA auf der Bühne. Ich frage mich wie man die eigentlich mit Gothic verknüpfen kann? Die Band ist eher so wie die neue Version von Doro:

Sehr gut aussehende Frontfrau mit starker Stimme und auch ansonsten sehr metall. Das tut der guten Stimmung aber natürlich keinen Abbruch, sondern heizt sie nur noch weiter an. Zum ersten Mal heute gibt es richtigen Metall mit Doublebass und Gitarrensoli. Die Stimmung auf der Bühne ist wieder lockerer und vor der Bühne geht gut die Post ab. Gespielt werden unter anderem „Somebody save me“, „I can´t breathe“ und „Get the hell out of my way“.

Der unbestrittene Kracher dieses Auftrittes wird aber der Song „Spring“, der wirklich auch noch die letzten Leute im Publikum aus der Reserve holt. Fürs Headbangen kriege ich natürlich trotzdem genervte Blicke.


Die Mittelalterfans reservieren sich mittlerweile wieder Plätze und drei Fans der nächsten Band drängeln sich nach vorne durch, wo sie schon während der Soundprobe wie kleine Mädchen kreischen. Besagte Band, MESH, spielen wiederum elektronische Musik oder, wie mir gesagt wird, „echten EBM“. Für mich klingt das live aber eher nach leichter Kost mit leichten Texten über dies und das.

Von der CD klingt die Band ein wenig nach Depeche Mode, aber live kommt mir die Mischung aufgrund der E-Gitarre entweder wie seichter Rock oder wie seichter Techno vor. Unabhängig von mir jedoch begeistert auch diese Band das Publikum. Eine Hälfte rastet total aus, die andere tanzt zumindest mit, aber mitklatschen tun sie alle.

Der dritte Song, „Petrified“ ist das, worauf die Fans gewartet haben, aber auch „Fragile“, zwei Songs später, ist ein echtes Highlight des Auftritts. Für ihre sieben Songs ernten Mesh jede Menge Applaus.


Ab jetzt wird es wieder rockiger und richtig eng vorne:

SAMSAS TRAUM kündigen sich zum letzten Mal in der aktuellen Besetzung an – ohne schlagzeug und ohne Bass. Und was soll man noch über Alexander Kaschte und seine Kapelle sagen? Es ist vollkommen egal, welchen Song er anstimmt, da sowieso jeder hier jeden Song kennt und Samsas Traum ein absoluter Garant
für eine Superstimmung im Publikum ist – Fankult nicht ausgeschlossen.

Besondere Kracher dieses Auftritts bleiben dennoch „Endstation Eden“, „Zärtlichkeit der Verdammten“ und „Ein Phötus wie du“. Leider muss das Publikum heute aber auf die berühmte Handpuppe Trulala während der „Zärtlichkeit der Verdammten“ verzichten, da Kaschte sie nach eigenen Angaben einem besoffenen Berliner auf dem Konzert im Oktober geschenkt hat weil er Geburtstag hatte. Macht aber nichts, denn das Publikum ist
trotzdem vollauf begeistert und fordert lauthals eine Zugabe.

Hier merkt man nun deutlich dass Kaschte wohl ein wenig angepampt ist, weil die Festivalleitung ihn nicht als Headliner aufgenommen haben.

Mit den Worten „jaja, ok…wir haben ja sowieso zehn Minuten früher angefangen“ spielt er aber dennoch „Kugel im Gesicht“ als Bonus und wirbt gleichzeitig noch für seine Tour im September mit vervollständigter Besetzung.


Nach so viel Rock spielen als nächstes natürlich wieder elektronischere Gefilde auf der Bühne. Diesmal in Form der Szeneveteranen von FRONTLINE ASSEMBLY. Auch die Kanadier lassen sich nicht foppen, wenn es um eine gute Performance geht. Mit einigen Brocken deutsch („Ich bin Dieter Bohlen!“) wird das Publikum begrüßt und
mit ordentlich Power losgespielt. Die Stimmung vor der Bühne ist trotz brachialster Musik eher verhalten, aber der Platz ist trotzdem prallvoll und besonders weiter hinten tanzen die Leute. Die Musik selbst ist eigentlich wie zum Abgehen gemacht und es wundert mich wirklich, dass im Publikum keine stärkere Reaktion vorhanden ist:

Brutal-knallharte Beats krachen hier auf eine mörderisch tiefe Riffwand der E-Gitarre, die der schnellen, starken Rhythmik nur noch mehr Biss gibt. Zusätzlich zu den zwei Synthesizern ergänzt noch ein Schlagzeug das Set und später wird statt der E-Gitarre noch ein zweites Percussioninstrument eingesetzt. Die Band prostet sich und dem Publikum ausgelassen mit Bierflaschen zwischen den Songs zu und fotografiert oder filmt auch mal das Publikum. Frontline Assembly legen meiner Meinung nach einen Hammerauftritt hin, aber das Publikum reagiert nicht so stark wie ich erwartet hätte. Möglicherweise täusche ich mich aber auch, denn nach dem letzten Song fordert die Masse eine Zugabe, die jedoch nicht gespielt wird.

Mittlerweile bekomme ich auch mit, dass es in der Halle zu Zeitverschiebungen und Problemen kommt, weil
Emilie Autumn überzogen und die ganze Zeitfolge durcheinander gebracht haben. Während drinnen also noch die Band spielt, die eigentlich schon fertig sein sollte, fängt draußen schon die nächste an.


Die Band, die jetzt zur Mainstage kommt braucht eigentlich gar nicht mehr weiter angekündigt werden. Das erledigen schon die Fans, die bereits jetzt wieder lauthals „Julia und die Räuber“ gröhlen. Der Auftritt von SUBWAY TO SALLY ist für mich das persönliche Highlight des heutigen Tages und wenn eine Show an Front 242 von gestern rankommt, dann diese! Bereits beim Soundcheck ist die Stimmung großartig.

Eine Stagehand wird beim Einspielen der Instrumente wie ein Star bejubelt, man macht sich einen Spaß daraus
eine Zugabe von ihm zu fordern und als er einen einzigen Ton aus der Schalmey quetscht gibt es tosenden Applaus.

Subway selbst legen auf gewohnte Weise los mit ihren brachialen Folknummern. Den Anfang bildet „Das Rätsel II“, bei dem das Publikum am Anfang noch nicht ganz den Bogen raus hat, im rechten Moment „ihr!“ zu brüllen.
Das ändert sich aber schon beim zweiten Song, „Kleid aus Rosen“, bei dem jeder laut mitsingt. Nach zwei alten Stücken wird vor allem „Sieben“ zum Highlight unter den Highlights, denn man kann kaum sagen, dass das Publikum hier bei einem Song nicht abgehen würde. Zu „Eisblumen“ holt Sänger Eric Fish sogar zwei besonders auffällige Fans auf die Bühne, diesmal männliche im Gegensatz zum Auftritt von vor einem Jahr, auf denen er mit der Bühne ein wenig gruppenkuschelt und die dann via Stagediving ihren Weg zurück in die Masse finden. Während des Auftrittes entschuldigt die Band sich auch für den Ausfall der Autogrammstunde und bietet an, diese nach der Show vor der Bühne zu geben.

Aber nicht nur vor, sondern auch auf der Bühne ist die Stimmung großartig:

Die Band kommt gerade von den Aufnahmen des neuen Albums „Bastard“ zurück aus dem Studio. Einen neuen Song gibt es aber nicht zu hören. Stattdessen einige alte Songs aus dem „Nackt“-Programm (nicht akkustisch) und natürlich einige aus der „Nord Nord Ost“-Tour.

Auch an Pyroeffekten wird nicht gespart und am Ende von „Carricfergus“ regnet es Konfetti. Selbstverständlich wird eine Zugabe gefordert und in Form von „Julia und die Räuber“ gegeben. Was wäre ein Subway Konzert auch ohne diesen Song?


Als allerletzte Band treten APOPTYGMA BERZERK auf und auch sie lassen sich nicht foppen. Das Publikum ist in guter Stimmung und der Sänger nutzt die Gelegenheit um die Masse noch weiter anzuheizen. Im Gegensatz zu den Studioversionen kracht die Band live unerwartet gut rein, was wohl an der E-Gitarre liegt, die den Synth begleitet oder dessen Melodie nachspielt. Das Ergebnis sind Songs, die sowohl eine gute Melodie, als auch Härte und gute Rhythmen bieten. Also genau das richtige für den Ausklang des Festivals. Die Stimmung ist ausgelassen, die Leute singen und tanzen mit und die Band sorgt konstant für eine super Stimmung. Gespielt werden neben bekannten Nummern wie „Shine on“ aber auch ältere Stücke wie z.b. „Deep Red“. Mit dem Song „Mourn“ endet der zweite und letzte Tag des Amphifestivals, der über den ganzen Tag verteilt das zu bieten hatte, was gestern konzentriert mit Front 242 auf die Platte kam. Der Sonntag war eindeutig der bessere Festivaltag mit einem Lineup, das ordentlich Power zu bieten hatte und die Stimmung konstant am Brodeln hielt.

Neben den erwähnten Bands auf der Mainstage im Freien spielten auch Katzenjammer Kabarett, Emilie Autumn, Fetisch:Mensch (neue Band von Oswald Henke), Down Below, Untoten Zeromancer und Dreadful Shadows. Gerne hätte ich mir auch eine dieser Bands noch angeschaut, etwa Fetisch:Mensch oder Untoten, aber bei einem so vollgepackten Programm, bei dem vieles gleichzeitig auftritt, ist das einfach nicht möglich.

Das Amphifestival 2007 hat sich jedenfalls ordentlich gelohnt – und das vor allem am Sonntag.

Alle Fotos vom Sonntag


Impressionen
Impressionen
Impressionen
Impressionen
Über 300 Bilder in unserer Fotogalerie

Werbung
Redaktion
Unter diesem Benutzernamen werden Beiträge ehemaliger und freier Mitarbeiter zusammengefasst.