Dieser Tag hatte besonders viel Abwechslung zu bieten. Neben der Lesung der etwas anderen Art mit Oswald Henke haben Bands wie Schneewittchen oder DIN [A] Tod mehr Festivalbesucher angelockt als am Tag zuvor.
OSWALD HENKE (LESUNG)
Die Lesung mit dem Goethes Erben-Mann Oswald Henke sollte 14 Uhr im Sodaclub beginnen. Die Räumlichkeiten hatten ihren eigenen Charme und sorgten für eine entspannte, gemütliche Stimmung. Makaber war nur die große Werbung für Otto Berg-Bestattungen, die jedes Gothic-Klischee bestätigten. Nach und nach wurden die Stühle für die Zuschauer besetzt und es hatten sich doch einige zusammengefunden, um den Worten des Herrn Henke zu lauschen. Der Hauptakteur selbst kam eine Viertelstunde zu spät. Er begrüßte die Gäste mit den Worten: „Selten so gemütlich gelesen.“, während er es sich auf seiner Ledercouch bequem machte. Oswald Henke ist dafür bekannt, eine egozentrische Ader zu haben und lässt diese natürlich nicht nur in der Musik pulsieren. Dazu gehört seine „Zuckerbrot und Peitsche“- Methode. Wer redete, der wurde mit Zuckerwürfeln beworfen, doch wer artig war und etwas von der Lesung zitieren konnte, der durfte mit einem schwarzen Gummibärchen rechnen. Und die Leute hörten zu, denn er zog sie alle in seine unheimliche Aura, die er ausstrahlte. Er las teilweise unveröffentlichte Kolumnen vor, die vielleicht wegen seiner direkten, fast absurden Art von der Öffentlichkeit abgelehnt wurden. Besonders legte Oswald Henke viel Wert auf sozialpolitische Themen, hier bei uns und überall in der Welt. Er nahm auf ironisch-freche Art Stellung zu Themen, wie zum Beispiel Kindestod, Kriegspolitik in Amerika, nahm Bezug auf Minderjährige und das Funktionieren vom Musik-Journalisms. Neben seinen Kolumnen zitierte er auch viele Werke seiner Musik-Projekte, wie zum Beispiel „Blau“ von Goethes Erben. Natürlich hatte er nicht seinen bekannten Koffer vergessen. 1-2-3, er zauberte ein Milky Way, eine Zuckerperlenkette, „Gruft“brause und Lutschmuscheln hervor, mit denen er den Zuschauern so einige Experimente vorführte und witzige Geschichten erzählte. Von Genussmitteln ging er zu Lebensmitteln über. Er erzählte von seiner Mutter, eine fantasievolle Frau, die ihn sehr geprägt haben muss, denn er widmete ihr ein schönes Gedicht, worauf es einen großen Applaus vom Publikum gab. Was auch faszinierend an Lesungen mit Oswald Henke ist, sein gekonntes Einbeziehen der Zuhörer. Er neckte so manches jüngere Publikum, er fragte sie nach Zitaten aus, er holt sie vor und ließ sie zur „Strafe“ vorlesen und erschreckte es natürlich, wenn die Leute drohten, träge zu werden. Etwas muss ich persönlich schon sagen: wer noch nie auf einer Oswald Henke Lesung war, dem ist etwas entgangen. Noch nie war eine Lesung so spannend, witzig und ernst zugleich.
KATANGA
Die Gothic-Rockband aus Greifswald spielte im Kesselhaus. Der Festival-Tag hatte gerade erst begonnen, die Leute mussten langsam wach werden und so hatten nur wenige hergefunden. Sie starteten mit einem Intro, bei dem ein Frauenchor und Stöhnen zu hören waren. Die Bandmitglieder betraten die Bühne und begrüßten die Gäste mit einem herzlichen „Willkommen, Freunde der Nacht!“ Natürlich stellten sie sich vor, so erfuhren die Gäste auch, dass nicht alle aus Greifswald sind, sondern dass ihr Bassist ein echter Berliner ist. Sängerin Doreen sang beeindruckend gegen die harten Gitarrenriffs an und gab der Musik Gothic-Flair. Die Musik und der Gesang erinnerten im Gesamtkonzept an Bands, wie Nightwish oder Within Temptation, auch wenn die Texte von Katanga mehr Vielfalt aufweisen. Doch das Publikum blieb zurückhaltend und keiner wollte so recht in Stimmung kommen. Deshalb wurde als nächstes der Track „Stand Up“ angekündigt, „Für alle die hier sitzen. Hier vorne ist viel Platz.“ Das Lied sollte dann die müden Gäste wecken. Rockige Stimme und Gitarrensolos sollten dabei helfen. Im Anschluß spielten sie den Track „From Dusk Till Dawn“ vom Album „Darkchild“. Den Eindruck des Titels verstärkten sie durch Tragen von Shirts mit dem Aufdruck: „Made In Hell“. Anschließend stellten sie den neuen Track „Schwarze Flügel“ vor. Beim spielen trieben sich die Bandmitglieder gegenseitig an und zeigten, dass sie Spaß hatten. Witzig war, dass der Sänger seine eigenen Songs nicht zu kennen schien, weil er schon mal eine falsche Ansage machte. Aber das war halb so wild für die Band. Sie machten einfach weiter und stellten eine weitere Premiere vor und zwar den Song „Schwarzer Engel“. Zum Abschluss gab es einen dramatischen Abgang mit Chorgesang, Glocken- und Orgelspiel, bevor sie die Bühne frei machten für die nächste Band.
DIN[A]TOD
Nach Katanga folgte DIN[A]TOD. Jetzt erschienen deutlich mehr Gäste. DIN[A]Tod war im Publikum anscheinend sehr beliebt. Nach so vielen Metal- und Gothicrock-Bands bot das Trio eine wohltuende Abwechslung. Die Band, zwei Keyboarder und ein Sänger, begeistern mit ihren verspielten und sehr gängigen 80er Melodien. Die Musik bewegte sich ungefähr zwischen Synthie-Pop, Minimal und New Wave. Hier hörte man Einflüsse von Sister Of Mercy und The Cure raus. Ein besonderer Blickfang war die hübsche Keybaorderin Claudia in ihrem gepunkteten Kleid. Beim Lied „Tragic Blue“ wurden die Rollen getauscht. Claudia verließ ihren starren Posten am Keyboard und sang das Lied zusammen mit dem Sänger. Das Publikum wurde über das ganze Konzert nicht nur mit deutsch- und englischsprachiger 80er Elektronik verwöhnt, sondern durfte auch so manche Instrumentalnummer genießen. Auch härtere Schienen wurden gefahren. So gab es für jeden etwas. Dies war im Großen und Ganzen ein gelungener Auftritt, der sicher manchem Festivalbesucher in Erinnerung bleiben wird.
SCHNEEWITTCHEN
Nun trat einer der beliebtesten Headliner in diesem Festivals auf: Schneewittchen. Natürlich durfte das dunkelbunte Duo auf der Kesselhaus-Bühne vortragen. Und das war auch notwendig. Die Festivalbesucher füllten den Konzertraum fast bis in jede kleine Ecke. Die Sängerin Marianne war mal wieder ein wahrer Hingucker. Die kleine Gothic-Diva trug ein extrem langes, weites Tüllkleid mit Korsett, hatte ihre schwarzen Haare extrem toupiert und war mehr als auffallend geschminkt. Nina Hagen wäre neidisch gewesen. Auch wenn ihre Kleidung sehr bewegungseinschränkend wirkte, ließ sich die Hauptakteurin kein bisschen davon stören. Sie hat getanzt, hüpfte herum und posierte, als ob es kein Morgen geben würde. Respekt, wie eine Frau in ihrem Alter noch mehr abrocken kann als manche junge Künstlerin. Und ihr Stimmeinsatz war großartig. Es gibt selten Frauen mit so einer kraftvollen und facettenreichen Stimme. Sie blühte richtig auf der Bühne auf und riss das Publikum mit sich, wenn sie nicht gerade mit ihrem Keyboarder flirtete. Natürlich pflegte Marianne die Kommunikation mit den Besuchern. Besonders hatte sie sich über einen jungen, enthusiastischen Fan gefreut, die im Schneewittchen-orientierten Look wild mittanzte. Und sie stellte ihre Ehrengäste vor: das Magdeburger Ballet, mit dem sie zurzeit einige gemeinsame Auftritte hat. Besonders toll kamen die Lieder „Der Tod hat sich verliebt “, „Ohne Liebe“ und „Keine Schmerzen“ rüber. „ Keine Schmerzen“ wurde im Hintergrund auch optisch dargestellt, indem das dazugehörige Musikvideo lief. Am Schluß brauchte sich das Duo auch nicht lange um eine Zugabe betteln lassen. Fazit: Der Auftritt von Schneewittchen war ein wahres Feuerwerk der Gefühle.
BAKTERIELLE INFEKTION
Im Maschinenhaus betrat nun das Duo von Bakterielle Infektion die Bühne. Ohne besondere Bühnenoutfits, so minimalistisch wie ihre Musik, legten sie einfach los. Witzige Computerklänge hallten durch den Raum. Die beiden Musiker spielten mit Echoeffekten, Stimmverzerrern und anderen einfachen Elektronikelementen. Die Melodien waren sehr einprägsam und gingen ins Ohr. Da fühlte man sich irgendwie in Zeiten zurückversetzt, wo der Amiga noch als eine hoch entwickelte Technik galt. Witzig ist die Tatsache, dass die englische Sprache noch nie so seltsam bei einem Deutschen klang, und das lag nicht nur an den Verzerrern. Vielleicht lag das daran, dass dieser Sprechgesang ein einziges Parolengewitter war. Die Band konnte nur eine mittelmäßige Anzahl an Leuten anlocken und begeistern. Eine reine Minimal-Band ist wahrscheinlich in einem Gothic/Metalfestival fehl am Platz.
SERO.OVERDOSE
Auch sie bekamen einen Platz im Kesselhaus. Sie erinnerten ein bisschen vom Sound her an Depeche Mode oder Deine Lakaien, stark von Keyboards getragen, mit klarem Gesang. Die drei Herren waren schlicht und schick im Anzug gekleidet. Sie spielten „Einsamkeit“, eine nette, aber nicht umwerfende Synthie-Pop-Nummer und steigerten sich weiter mit hämmernden, rhythmischen Takten. Besonders Sänger Andre konnte natürlich nicht stillstehen und tanzte energiegeladen auf der Bühne. Irgendwie hatte er eine Ausstrahlung wie Steve Naghavi von And One. Auch die Art der Lyrics war identisch. Andre versuchte natürlich, die Leute zum Mittanzen zu animieren, was ihm mit der Zeit gelang. Sie stellten u.a. „Letzte Wut“ vor, was auf dem neuen Album erscheinen wird. Dieser Song wurde neu aufgenommen, sprich aus alt mach neu. Meiner Meinung nach waren sie unspektakulär, aber je später der Abend, desto höher der Alkoholpegel der Festivalbesucher und umso einfacher ist es, sie zu unterhalten.
Dark Eastern Festival 2007 – Der dritte Tag
Fotos zur Verfügung gestellt von Black Fascination.
Autor: Norma












