Mit dem diesjährigen Amphi Festival auf dem Tanzbrunnengelände in Köln präsentierte das Orkus Magazin nicht nur die Fortsetzung des im vergangenen Jahr erfolgreich veranstalteten Amphi Festivals in Gelsenkirchen, sondern gleichzeitig auch das zweite große Festival in diesem Jahr.
Auch wenn in diesem Jahr der Name nicht mehr besonders treffend war, so bewiesen die Veranstalter erneut ein glückliches Händchen für extravagante Locations – und einen schlechten Geschmack für die Pausenwerbung…

Wer pünktlich um 13.00Uhr am Tor des Festivalsgelände zugegen war, wurde womöglich an Szenen der ´80er Jahre erinnert. Laute „Die Mauer muss weg!“ Rufe brandeten nämlich nach wenigen Minuten gen Eingang, als sich der Einlass verzögerte, doch mit dem Einsetzen der ersten Tropfen vom nahenden ersten Schauer öffneten die Tore, und das rund 30.000 qm große Gelände stand für die Besucher offen.

Ein kurzer Check der – und das Herz schlug sofort höher: Ein weitläufiges Gelände, viele Bänke und Tische, Wiesen und Schatten, sowie ein überdachter Bühnenvorplatz der nicht nur Schutz vor den immer wiederkehrenden Schauern sondern vor allem am Sonntag auch Schutz vor der Sonne bieten sollte – was will man mehr?

Essen, Trinken und: „Richtige“ Toiletten! Auch wenn die Wartezeiten bislang etwas happig waren, so dürfte es eine bessere Lösung gewesen sein, als das Gelände mit Dixiklos vollzupflastern und die Stimmung durch die regelmäßigen Schlürfgeräusche des lokalen Faekal-Tankwagens zu trüben.

Auch die Preise gestalteten sich moderat, wenngleich der „Pfandtrick“ der Getränkestände nicht nur mehr als dreist war, sondern auch für eine recht laxe Müllpolitik der Besucher sorgte.

Wer die Werbepausen aus dem Vorjahr befürchtete, wurde zumindest anfangs in Sicherheit gewogen: Galina, die skandalöse Geschichte um einen Mann mittleren Alters und seiner Liebe zu einer jungen Frau (von gerade einmal 12 Jahren…), wurde in einer speziell für das Festival gemischten Zusammenfassung durch die Bühnenanlage auf das Festivalgelände geschallt.

Ohne weiter auf die genauen Inhalte und dir Art des Hörspiels eingehen zu wollen, sei nur so viel gesagt: Nach der zweiten Wiederholung hat es so gewaltig genervt, dass sich die meisten Zuschauer über jeden lauteren Soundcheck und jede Werbeeinblendung von Dependent und Co. freuten, und jede neue Einblendung des Hörspiels mit lauten Protestrufen empfingen.

This Morn OminaÜberpünktlich stand dann um 14.50Uhr This Morn Omina auf der Bühne, denen die Ehre gebührte, das Amphi Festival 2006 zu eröffnen.

Dass es ihnen „gelungen“ wäre, wäre wohl hoffnungslos untertrieben, denn was die Jungs um Miguel „Mika“ Goedrijk auslösten, hatte wohl keiner zu dieser verhältnismäßig frühen Stunde erwartet.

Mit ihrer Mischung aus Rhythm, Industrial und irgendetwas zwischen Ethno und Trance begeisterten sie die Massen, wenngleich man einige böse Zungen munkeln hörte, ihre Musik sei nichts anderes als ein gigantisch performter Regentanz, der allem Anschein nach auch seine Wirkung zeigte: Nach wenigen Minuten ergoß sich ein weiterer kühlender Schauer über das Gelände.

So vergingen die gerade mal 30 Minuten des Auftritts wie im Flug, und nach einer kurzen Umbauphase ging es dann gut 10 Minuten früher weiter als geplant.

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CephalgyJörg, Ronny und Rico, besser bekannt unter dem Namen Cephalgy betraten ein wie immer recht eigenwillig gestaltetes Set und… Moment? Da fehlt doch jemand?

Genau, Stella! Während die Herren der Schöpfung in knapp 40 Minuten ein Best-Of ihrer Alben „Finde deinen Dämon“ und „Engel sterben nie“ darboten, fristete die Gute im wahrsten Sinne des Wortes ein Schattendarsein: Von rücklings angestrahlt durch ein Spot performte sie hinter einer Mischung aus Maschendraht und Bauplane, vereinzelt mit etwas Kunstblut dekoriert.

Dass dem inzwischen warm gewordenen Publikum der Auftritt gefiel muss eigentlich nicht weiter erwähnt werden, und als das letzte Stück „Engel sterben nie“ verklungen war, wartete eine eine feiernde Menge auf Zugaben – welche ausblieben, wie so oft an diesen Tagen.
Stattdessen folgten weitere Wiederholungen der Episoden aus „Galina“…

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Welle:Erdball„Zurück in die gute alte Zeit des C64“ war jetzt das Motto, als Welle:Erdball in gewohnt latent nostalgischem Outfit die Bühne für weitere 40 Minuten enterten.

Neben einem C64, der im Laufe der Show in hohem Bogen ins Publikum wanderte, und den obligatorischen Luftballons, von denen diesmal wirklich 5 Stück mit je einem 50€ (Papiergeld)Schein gefüllt waren, hatten Honey, Alf, Plastiqe und Frl. Venus auch zwei Stücke vom neuen Album „Chaos Total“ mit im Gepäck, welches ab dem ersten September in den Plattenläden erhältlich sein wird.

Ebenso waren natürlich die Klassiker mit dabei, so dass die Zuschauer zu „Arbeit Adelt!“, „Wir Wollen Keine Menschen Sein“ und „Mensch Aus Glas“ ausgelassen feierten.

Doch auch dieser Auftritt musste vorübergehen, und erneut wurden die Rufe nach Zugaben aufgrund des engen Zeitplans abgeschmettert, schließlich hieß es aufgrund der benachbarten Wohngegend ab 22.00Uhr: „Stecker raus!“ – Kein Lärm mehr.

Und mit einem abschließenden Hinweis auf die ausliegenden Unterschriftenlisten für den Tierschutzbund verabschiedete sich die Welle.

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UnheiligDas schwarze Banner und die Kerzenständer kündigten es schon von weitem an: Unheilig sollten jetzt die nächsten Minuten werden, und der Graf schaffte es wie immer zusammen mit Licky und Henning mit einem bunten Querschnitt durch das musikalische Schaffen der letzten Jahre und einer energiegeladenen Show die Zuschauermassen zu begeistern.

Nach insgesamt sechs Stücken, darunter auch „Freiheit“, „Die Maschine“ und „Ich Will Alles“ war dann auch Schluss. Dachte man.

Doch ein Blick auf die Uhr bestätigte schnell, dass die Zeit noch lange nicht vorbei war, und unter lauten „Zugabe“-Rufen kam Unheilig erneut auf die Bühne, um „Sage Ja“ als planmäßige Zugabe zu spielen, und obwohl es noch lange nicht dunkel genug dafür war, wurden auch diesmal wieder Wunderkerzen verteilt, mit denen das Publikum die zweite Zugabe „Mein Stern“ begleiteten.

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The 69 EyesDass jetzt „richtige“ Musik gespielt werden würde, kündigte das erste Drumset an, welches an diesem Tage ins Licht der Bühnenbeleuchtung gerückt wurde.

The 69 Eyes kündigten sich an und gingen nach einem kurzen Intro sofort mit „Devil“ in die Vollen. Zu den Gothrockern, welche wie gewohnt in Lederkluft und Skelettbekleidung auf die Bühne traten, muss man keine großen Worte verlieren. Frei nach dem Motto „sie kamen, sahen und siegten“ präsentierten Jyrki und Co eine ausgewogene Mischung aus Stücken von ihrem letzten regulären Album „Devils“ und alten Bekannten – „Brandon Lee“ lässt grüßen.

Auch hier galt: Leider keine Zugabe…

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Subway To SallyEin kalter Hauch fegte über das Tanzbrunnengelände, als die letzten Klänge des Openers „Sarabande De Noir“ verklangen, und zusammen mit den Schaum-Schneekanonen die ersten Takte von „Schneekönigin“ einsetzten.

Subway To Sally waren jetzt angekommen, die vorletzte Band auf der Hauptbühne an diesem Tage, und es wurde heiß.

Die letzten Schaum-Schneeflöckchen waren kaum auf den Zuschauern gelandet und hatten mancherorts das stundenlang aufgetragene Makeup verwischt, als es den ersten Reihen mit den bei „Feuerland“ einsetzenden Pyroeffekten wieder auf das Gesicht gebrutzelt wurde. Um es kurz zu fassen: Die Show war wie immer – nur noch viel besser. Mit der Zeit hat sich zwar eine mehr oder minder variable Setlist etabliert, aber Ausnahmen bestätigen die Regel. Und so kam es zum beinahe-Skandal, als auf einmal „Kleid Aus Rosen“ aus den Boxen dröhnte. Nur nicht akkustisch.

Dafür, und das wurde allen irritierten Zuschauern bald klar, wurde in Anlehnung an den Erfolg der kürzlich abgeschlossenen „Nackt“-Akkustiktour nun „Minne“ akkustisch performt – und schlug ein wie eine Bombe.

Nach einigen weiteren Stücken aus ihrem reichhaltigen Repertoire waren die anberaumten 50 Minuten Spielzeit auch schon vorbei, und wieder erschallten die lautstarken Forderungen nach Zugaben, und diesmal wurden sie sogar erhört! Mit der inzwischen mehr als euphorischen Menge feierten Erik, die zwei Michaels, Silvio, Silke und der „echte“ Simon zu „Veitstanz“ und dem obligatorischen „Julia Und Die Räuber“, die Rufe „Blut, Blut…“ schallten noch während der Umbauphase aus den Zuschauerreihen und schienen anfangs sogar die ersten Klänge von „Galina“ zu übertönen.

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Noch während Subway To Sally am Spielen war, gab die Second Stage im Tanzbrunnen Theater ihre Bühne frei für Lola Angst, Calmando Qual, Combichrist und Diary Of Dreams, welche ab diesem Zeitpunkt parallel zum Geschehen auf der Hauptbühne auftraten.

Das dies nicht nur ein Problem für alle war, die sich zwischen zwei Bands entscheiden mussten, wurde beim Versuch, das Theater vor oder während eines Konzerts zu betreten, klar. Hier erwartete das Publikum nicht nur eine Dunkelheit, sondern auch Saunatemperaturen und eine Luft zum Schneiden.

Es sei daher an dieser Stelle zu entschuldigen, dass wir den Stress nicht auf uns genommen haben, und von den Konzerten weder Berichte noch Fotos liefern.

VNV NationMit VNV Nation sollte der Samstag seinen musikalischen Abschluss auf der Hauptbühne finden, und so betraten die Future-Popper um Frontmann Ronan kurz vor 21Uhr die Bühne, um die letzten 60 Minuten voll und ganz ausschöpfen zu können. Los ging es mit „Chrome“, und spätestens an dieser Stelle wird sich der ein oder andere geärgert haben, keinen Hörschutz zu tragen: Wer VNV Nation schon einmal live erlebt hat weiß, dass Ronan nicht die Stimmgewalt in Person ist, und einem Herrn Fish in diesem Punkt nicht das Wasser reichen kann. Was hier allerdings aus den Boxen drang, war arg übersteuert und stark entfernt von einem vernünftigen Klangergebnis.

Dies besserte sich nach kurzem Wortwechsel mit dem verantwortlichem Tontechniker deutlich, so dass man die restliche Zeit ungestört zu Tracks wie „Darkangel“ oder „Carbon“ feiern konnte, und nach den zweiten zwei Zugaben an diesem Tage („Further“ und „Beloved“) forderte Ronan die Zuschauer auf, zusammen mit Combichrist im Theater weiter zu feiern, worauf sich die Massen langsam aber sicher gen Second Stage in Bewegung setzten…

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Oswald HenkeNach einem stressigen Tag stand nun mit der Lesung von Oswald Henke für uns der letzte Programmpunkt an. Ein Tisch, eine Flasche Sekt, ein Buch, ein Heft und eine Kiste mit geheimnisvollem Inhalt – mehr brauchte Oswald nicht, um die inzwischen ruhige Zuschauermenge mehr als eine Stunden in den Bann zu ziehen.

Und was tut ein guter Gastgeber? Richtig, er gibt seinen Gästen einen aus. Das tat auch Oswald, unterstützt von zwei eifrigen Helferlein, und verteilte ein paar Gläser Sekt an die „Erwachsenen“ („Den Rest brauch´ ich selber…“) und Lutscher an die jüngere Generation. Und diese lustige Ahoi-Brause®, die es, wie er erstaunt feststellen musste, inzwischen sogar in schwarz gibt, und mit der man so „neckische Dinge anstellen kann“…

Kannte man Oswald nur von seiner Arbeit als Kopf von Goethes Erben, so musste man sicher schlucken ob der Dinge, die er nun in ruhigem Tone vor sich hin erzählte. Sei es nun eine philosophische Auseinandersetzung mit dem Begriff „Szenegröße“, die er in irgendeiner unglaublichen Art und Weise mit Schuhgrößen in Verbindung brachte, die Feststellung, wir seien ja alle Bayern (da eine gewisse Boulevardzeitung textete, „Wir sind Papst“ und Herr Ratzinger nunmal aus Bayern kommt) oder eine Abhandlung über das sexuelle Verhalten von Trauerschwänen – Was dort von der Bühne kam, war eine gelungene Mischung aus (schwarzem) Humor, Aufarbeitung des aktuellen Weltgeschehens und erhobenem Zeigefinger.

Hut ab!

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Trotz des reichhaltigen weiteren Abendprogramms zog es uns nach dieser Lesung zurück in unser Hotel.

Der erste Tag war bis auf einige kleinere Dinge mehr als gelungen, und machte Laune auf das, was uns am Sonntag erwarten würde, auch wenn uns auf dem Rückweg die Worte eines gewissen Hörspiels gewiss eine schlaflose Nacht bereiten würden, und unser Geldbeutel aufgrund der Ausgaben für Getränke schon merklich geschrumpft war…

Amphi Festival 2006 – Der zweite Tag

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