Die Elektriker aus Hamburg, die durch Portale wie mp3.de und myspace.com ihrer Musik Gehör verschafft haben, sind mit ihrer CD „Radio“ am Start. Bald soll auch ein komplettes Album folgen. Wie sie sich selber kategorisieren, ihre Zukunftspläne und was sonst noch so im Jahre 1992 passiert ist, könnt ihr hier nachlesen.
Eniz: Ihr seid GRIMM aus Hamburg. Ihr macht Musik, die ihr über das Internet verbreitet und die großen Anklang findet. Wie hat sich denn das damals alles so entwickelt? Ich las, ihr hattet von „Tanzen“ 1992 bereits eine Version produziert.
Jan: Wir haben uns in der Schule kennen gelernt und dann verschiedentlich gemeinsam Musik gemacht. Songs als Geburtstagsgeschenke und solche Geschichten.
Andreas: Ich hab schon sehr früh angefangen elektronische Musik zu machen und hatte mir schon mit 15 ein kleines Homestudio zusammengespart, was mit den Jahren und der finanziellen Hilfe meines ältesten Bruders ständig gewachsen ist. So konnte ich schon damals, zusammen mit Jan einige Ideen umsetzen. Zwar haben wir bei unseren ersten Songs mangels Mikrofon, stattdessen einen guten alten Sennheiser Kopfhörer benutzt, aber so ist damals die erste Version von Tanzen entstanden. Nach der Schulzeit haben wir dann einige Jahre musikalisch nichts mehr zusammen gemacht. Ende 2005 hab ich Jan dann gefragt, ob er nicht mal wieder einen Text für einen neuen Song schreiben will.
Jan: Das habe ich dann eine ganze Weile nicht gemacht, weil ich mir schon lange abgeschminkt hatte, in dieser Richtung überhaupt mal wieder tätig zu werden. Dann habe ich einen Bericht gesehen über einen irakischen Jungen, dem eine amerikanische Bombe sämtliche Gliedmaßen weggesprengt hatte. Da habe ich dann anfallartig die erste Version von „Konsumier mich” geschrieben. Damals wohnte ich allerdings nicht Hamburg. Deswegen hat es allein ein halbes Jahr gedauert, bis wir diesen Song im Kasten hatten. Die Aufnahmen liefen allerdings so gut, dass wir gleich weitergemacht haben. Ich dachte, wir machen zunächst mal eine Single und schauen wie es läuft, und jetzt arbeiten wir schon seit 2005 an dem Album. Wir sind eigentlich nicht so langsam, aber weil wir natürlich noch andere Verpflichtungen haben, treffen wir uns meist nur ein bis zweimal die Woche, um weiterzumachen. Von dem alten Song „Tanzen” haben wir nur den Refrain übernommen, der Rest ist komplett neu.
Eniz: Eure Songs sind bei mp3.de und myspace.com zu finden. Früher wäre das undenkbar gewesen. Erleichtert das Internet den Karrieresprung?
Jan: Die Vorstellung, dass irgendwo in Arizona ein Mädchen in ihrem Truck durch die Wüste fährt und dabei „Konsumier mich” hört, ist schon cool. Das wäre ohne das Netz wahrscheinlich in zehn Jahren nicht passiert. Unsere Intention mit GRIMM ist jetzt aber nicht in erster Linie eine große Karriere. Es wäre ja auch vermessen, zu diesem Zeitpunkt schon solche Gedanken zu haben. Nett am Netz ist natürlich, dass man seine Arbeit mit sehr geringer Zeitverzögerung dem Publikum präsentieren kann, wenn man das will. Kaum fertig aufgenommen, steht ein mp3 schon im Netz, und man merkt, ob das jemand hören will oder nicht. Wenn man nicht gerade sehr viel Zeit hat, braucht es aber auch für`s Netz Partner, die sich zumindest um eine anständige Promotion kümmern, wenn man so richtig durchstarten will. Bislang haben wir das alles allerdings alleine gemacht und sind schon mal bis hierhin gekommen. Abzuwarten bleibt natürlich auch, was beispielsweise mit unserer Downloadanzahl passieren wird, wenn die Songs irgendwann Geld kosten. Nicht alles, was man gerne geschenkt kriegt, würde man auch gerne bezahlen. Was vor allem zu tun ist, ist Arbeit abzuliefern, die eine gewisse Substanz und Qualität aufweist, dann ist der Vertriebsweg nicht mehr ganz so entscheidend, denke ich.
Eniz: Die Musik, die ihr macht, könnte man lapidar als Industrial oder Dark Electro bezeichnen. Wie würdet ihr sie denn nennen und warum?
Jan: Such Dir was aus. Wo auch immer man als Band ein Profil erstellt, muss man sich gleich erstmal selbst kategorisieren. Einerseits hilft das natürlich dem potentiellen Publikum, dich zu finden, andererseits nervt es auch ein wenig, weil wir selber unsere Musik nicht über irgendein bestimmtes Label, sei es nun „Gothic” oder „Industrial” oder was auch immer, definieren wollen. Kürzlich habe ich uns bei MySpace dann doch mal auf „Gothic” umgestellt, denn finster ist unsere Musik dann ja doch meist. Und wenn wir sagen, wir machen „Industrial” sagt wieder irgendjemand: „Das ist aber kein Industrial!” Uns ist das eh egal. Am Ende machen wir ganz schlicht und einfach Rockmusik, die sich dunkel anhört und mal mehr mal weniger elektronisch. Ob die Hälfte davon direkt im Rechner entstanden ist, macht für mich schon lange keinen Unterschied mehr.
Andreas: Das Kategorisieren von Musik überlasse ich lieber anderen, ich bin noch nie ein Fan von diesem Schubladendenken gewesen. Wer unsere Musik in eine bestimmte Richtung packen möchte wird es sehr schwer haben, zumindest bei der musikalischen Bandbreite des gesamten Albums, da sind so viele verschiedene, musikalische Einflüsse drin, unmöglich alle Songs einer bestimmten Musikrichtung zuzuordnen. Der Hauptgrund hierfür liegt am total unterschiedlichen Musikhintergrund von Jan und mir, da gibt es nicht sehr viele Parallelen, aber gerade das macht mir beim Komponieren so viel Spass, es muss uns beiden am Ende gefallen und das ist mitunter eine sehr spannende Arbeit.
Eniz: Befürchtet man nicht manchmal in der Masse von Electro Projekten einfach unterzugehen und woher dann also die Motivation weiter zu machen?
Jan: Die Masse von Electroprojekten ist uns wurst. Wir messen unser eigenes Vorankommen nicht am Vorhandensein anderer Bands oder deren Erfolg. Unsere Motivation besteht darin, dass es Spaß macht, eine Platte aufzunehmen, und darin dieses Projekt zu einem positiven Abschluss zu bringen. Natürlich ist es auch anstrengend, aber zum Glück wird man ja ab und zu durch Lob und Aufmerksamkeit der lieben Hörer wieder aufgerichtet.
Eniz: Wie steht ihr dazu, dass viele Bands aus Eurem Milieu sich sehr vielen Klischees bedienen, nach dem Motto: Voll evil! Schockt das überhaupt noch jemanden oder sind die Hörer und Anhänger einfach überreizt?
Jan: Uns schockt es schon mal nicht. Unsere Großeltern aber vielleicht. Es muss jeder selber wissen, was er toll findet. Ich habe jedoch den Eindruck, dass bei vielen dieser Bands die Show und der Look wichtiger sind als der Inhalt oder die Musik. Das mag ja legitim sein, sofern es ein Publikum findet. Ich interessiere mich aber eher für Musik, die auf richtigen Songs basiert und für Künstler, die eine gewisse Authentizität und Originalität besitzen. Beispielsweise höre ich mitunter auch mal Marilyn Manson. Muss ich mir dann noch die 197te Kopie davon anhören? Sicher nicht. Ähnlich verhält es sich mit Depeche Mode- Abklatsch u.s.w..
Eniz: Und wie steht ihr selber eigentlich zu dieser Szene? Seid ihr auch solche Selbstdarsteller, die andere Menschen als Bühne für sich selber benutzen oder esst ihr Euer Müsli auch nur aus Omas Porzellanschüssel?
Jan: Eine Bühne aus Menschen bräuchte wohl schon ziemlich devote Fans. Freiwillige bitte vortreten! Immerhin wäre das ein völlig neues Showkonzept. Als Fan würde ich dann allerdings nicht so gerne unter einem Verstärker liegen. Einer Rockband schadet es natürlich nicht, wenn zumindest der Frontmann ein wenig durchgeknallt und exzentrisch ist. Mitunter wurde mir das schon nachgesagt. Wenn das so ist, dann doch wohl eher moderat. Andreas hingegen würde wahrscheinlich lieber einen Roboter für sich auftreten lassen, der per Wireless Lan an sein Gehirn angeschlossen ist, damit er nebenbei an irgendeinem Rechner schrauben kann.
Andreas: Ich halte mich lieber ein wenig im Hintergrund.
Eniz: Bei „Ameisen“ und „Konsumier Mich“ höre ich eine weibliche Stimme, die laut Eurer Vita eine gewisse Carina de Jesus ist. Was hat es mit dieser Dame auf sich? Gehört sie zu Eurem Ensemble oder war sie eher eine Gastsängerin?
Jan: Carina hört man in fast allen unseren Songs. Praktischer Weise ist Andreas Mitinhaber des Studios, in dem wir unsere Songs aufnehmen. Damit fallen viele Probleme, die andere Bands vielleicht haben, für uns flach. Ausserdem lernt Andreas durch die tägliche Studioarbeit natürlich immer viele neue Musiker kennen, die uns auch ab und zu aushelfen können. Carina ist eine sehr gute Sängerin, die schon bei vielen Produktionen mit Andreas zusammengearbeitet hat und der wir mit unseren Songs kaum abverlangen, was sie wirklich drauf hat. Neben diversen Studioproduktionen hat sie auch schon in verschiedenen Musicals mitgewirkt. Aber wir können ja nicht aus jedem Song gleich eine Oper machen. GRIMM besteht bislang allerdings nur aus Andreas und meiner Wenigkeit. Das hat sich bewährt und verkürzt die Diskussionen. Aber natürlich kann man Carina inzwischen durchaus als feste Gast-Kraft bezeichnen.
Eniz: Ferner las ich, dass eine gewisser Herr Richard Stier die Violine bedient. Nun habe ich mir das Demo sicherlich 4x angehört aber keine Violine entdecken können. Wo steckt sie?
Jan: Nicht auf der CD, die Du hast. Bei „Schön” haben wir Streicher, aber das sind Samples. Die echte Geige hört man in dem Song „Tiefer” und vielleicht demnächst noch in einigen weiteren. Richard ist ein junger, sehr talentierter Musiker, der uns hier dankenswerter Weise ausgeholfen hat. Er spielt übrigens nicht nur Geige, sondern auch Klavier. Nicht vergessen sollten wir auch eine weitere feste Gast-Kraft, die maßgeblich zu unserem Sound beiträgt, nämlich Marc, den Gitaristen, der bei vielen unserer Songs auch den Bass einspielt. Auch wenn sein Plek rutscht, er rockt eisenhart durch.
Eniz: „Tanzen“ ist bereits 15 Jahre alt. Kann man das nach so langer Zeit überhaupt noch hören? Das wäre für mich so, als würde ich wieder meine alten Roxettte CDs einlegen. Na, ok… ich habe die Roxette Lieder auch nicht selber geschrieben, vielleicht liegt da der Denkfehler…
Jan: Vielleicht sogar schon 16 Jahre. Da muss ich nochmal genauer nachforschen. Ich hoffe, Du hast durch Roxette keine bleibenden Schäden davongetragen, aber alt bedeutet ja nicht gleich schlecht. Es ist inzwischen ein neuer Song, basierend auf einer alten Grundidee. Trotzdem war in der alten Version schon einiges zu erahnen was man heute bei uns auch hört. Der erste Song, den wir jemals aufgenommen haben, war übrigens eine Coverversion von „Bird Of Passage” von The Mission. Damals hatte ich wohl leichten Herzschmerz. Wenn man diese Version allerdings heutzutage hört, rollen sich einem die Fußnägel hoch. Zum Glück existiert die Festplatte dazu wohl nicht mehr und das Tape muss ich wohl bald mal verbrennen.
Andreas: Zu dieser Zeit hatte ich noch überhaupt keine Festplatte, aber die Vierspurtapes sind mit Sicherheit futsch, also keine Sorge Jan.
Jan: Was auch immer.
Eniz: Die Demo CD ist nun noch nicht so alt. Aber ihr habt schon wieder neues Material am Start. Ich sah etwas von einem Album… Was gibt’s da also für Zukunftspläne? Das riecht ja beinahe so, als ob es nur noch eine Frage der Zeit ist, ehe wir mit einem Album rechnen können…
Jan: Auf der Promo-CD sind keine Demos. Das sind fertige Tracks, an denen wir bestenfalls beim abschließenden Mastering noch mal schrauben werden. In der Tat ist es nun so, dass ein Ende der Aufnahmen in Sicht ist. Aber natürlich wird nach dem Ende noch einige Zeit ins Land gehen, bis die anderen notwendigen Arbeiten erledigt sind. Ich schätze, spätestens im Sommer ist es dann endlich so weit.
Eniz: Und was wird die Fanschar auf dem Album erwarten dürfen? Könnt ihr da schon ein paar pikante Details verraten?
Jan: Kürzlich habe ich mir das was wir bis jetzt fertig haben noch mal in der mutmaßlichen Albumreihenfolge zu Gemüte geführt. Ich würde sagen, wir geben überwiegend Vollgas. Es geht noch härter als „Konsumier mich” und finsterer als „Tanzen”. Gut, wer öfter mal auf unseren Internetseiten vorbeischaut, wird nicht ganz so viele Überraschungen erleben, wie die Leute, die nur „Konsumier mich” kennen. Ab und an hatten wir ja schon mal was online präsentiert. Aber auch für diese Hörer haben wir noch ein paar Überraschungen parat. Das Album ist ziemlich abwechslungsreich. Das muss es auch sein, denn es wird lang. Wir sind jetzt schon bei über 60 Minuten Musik angelangt. Von den Songs, die wir online haben, hört sich keiner gleich an. Das halten wir auf Albumlänge durch. Diese Musik voll aufgedreht und unkomprimiert auf einer vernünftigen Anlage zu hören, ist definitiv nochmal ein ganz anderes Erlebnis als im Webplayer. Es ist kein Konzeptalbum, aber die einzelnen Songs greifen schon ineinander. Bislang kennt der geneigte Hörer nur Auszüge. Das Gesamtbild wird sich dann hoffentlich mit dem Album erschließen. Es ist dunkel und zuweilen böse, heavy und schmutzig. Menschen, denen, so wie mir, die ewige Konsenspropaganda in den Medien auf den Geist geht, dürften sich ausserdem über die eine oder andere satirische Einlage freuen.
Eniz: Nehmen wir an, ich bin jetzt jemand, der von Euch noch nie gehört hat. Wie würdet ihr mich überzeugen wollen, in Eure Musik reinzuhören?
Jan: Unser Album ist das beste, das wir je aufgenommen haben. Ha! Ha! An dieser Stelle möchte ich Keith Richards frei zitieren. Er hat mal gesagt, dass die Leute die besten Platten machen, die selber die größten Plattensammlungen haben. Ich gebe ihm Recht, und meine Plattensammlung ist definitiv umfangreich, hehe. Letzlich gibt es aber nunmal nichts Subjektiveres als den persönlichen Geschmack. Also entweder gefällt Dir unsere Musik oder eben nicht. Wenn nicht haben wir beide Pech gehabt. Mit Argumentation kommt man da nicht weiter.
Eniz: Nehmen wir weiter an, ich bin überzeugt worden und will jetzt Eure CD in meinen Besitz bringen. Wie mache ich das am Besten?
Jan: Du musst warten, bis sie fertig ist, und dann werden wir Dich über die verschiedenen Möglichkeiten des käuflichen Erwerbs aufklären. Das machen wir gerne.
Eniz: Das wars dann auch schon. Ich hoffe, das Beantworten meiner Fragen hat Euch genausoviel Spaß gemacht wie mir selbige auszudenken und ich hoffe, man hört sehr bald wieder von Euch. Bis dahin viel Erfolg!
Jan/Andreas: Sischer dat! Danke und vielen Dank für die Aufmerksamkeit.
Autor: Eniz












