Das Ensemble „Aalfang mit Pferdekopf“ gab uns anlässlich der am 6.9. erschienenen CD „Mezethakia Mukabalatt“ ein Interview. Kopf der Truppe Mirko Uhlig stellte sich einigen Fragen rund um Meerschweinchen und Kochgeschirr.

Eniz: Ich fang gleich mal mit der Frage an: Ist ja schon ziemlich krank, was ihr da fabriziert, oder?

Mirko: Mag schon sein, dass es für jemanden, der nicht so in den Entstehungsprozess involviert ist, etwas seltsam und gewöhnungsbedürftig klingt. Aber ich sitze ja nicht rum und überlege mir, womit man die Hörer jetzt richtig schocken könnte. Im Endeffekt muss es mir zunächst einmal selbst gefallen, bevor ich es überhaupt veröffentliche. Und wenn du die neue Scheibe als krank bezeichnest, dann musst du dir erst mal die Split anhören.

Eniz: Wie kommt man eigenlich auf die Idee, eine 50-Minuten-CD zu machen, wobei nur ein Stück schon 99% des gesamten Albums ausmacht?

Mirko: Eine Laune. Die ersten Mixe waren ja viel kürzer und hatten viel mehr Lieder, die alle nur knapp eine Minute dauerten. Im Frühling war dann aber das ganze Album so aufgeplustert… das war einfach zu viel. Ich hatte aber etliches gutes Material angehäuft, das ich nicht einfach so im Archiv verstauben lassen wollte. Also habe ich es alles durch den Fleischwolf gedreht, um auch selber zu sehen, was dabei rauskommt. Die Kontrolle zu verlieren ist nämlich oft ganz wichtig. Natürlich ist dieses Album nur mit einem gewissen Maß an Geduld zu hören. Das war halt auch so ein Punkt, dass man die CD wirklich am Stück hört. Wenn man sie denn überhaupt hört.

Eniz: Versteht ihr das als Gesamtkunstwerk, oder was für eine Linie verfolgt ihr, wenn ihr auf eurer Homepage ankündigt, nicht zu provozieren? Ich finde schon, dass es eine gewaltige Provokation ist.

Mirko: Findest du? Ich persönlich halte kalkulierte Provokation für extrem langweilig. Die klappt meistens nicht und kann ohne viel Aufwand aus den Angeln gehoben werden. Dieser Spruch auf der Homepage soll einfach aussagen, dass wir schlicht nur das machen, worauf wir Lust haben. Ich will einfach keine Trevor Brown-Cover, keine sinnlosen Runen oder sonstige Szeneposen runterleiern. Damit würde ich mich selbst nur langweilen.

Eniz: Macht es euch was aus, dass der Hörer nur sehr schwer Zugang zu der Musik erhält?

Mirko: Keine Ahnung, ob das überhaupt so stimmt. Das liegt vielleicht daran, dass ich selbst lieber Alben höre, welche ich beim ersten Mal überhaupt nicht verstehe. Ist doch wunderbar, wenn man beim hundertsten Hören immer noch was Neues entdeckt. Ich hoffe, dass es bei unseren Alben so ist. Es kommt ja auch immer auf den Hintergrund des Hörers an.

Eniz: Ich habe gelesen, dass ihr keine feste Besetzung habt und dass die Leute je nach Lust und Laune mitmachen. Gibt es da viel Fluktuation?

Mirko: Das wird eben auch von vielen missverstanden. AmP… das bin in erster Linie ich. Und am besten kann ich immer im Duo arbeiten. Also kommen dann ab und an verschiedene Leute vorbei… oder sind schon da. Wenn sie nur so auf Besuch sind und eigentlich überhaupt kein Interesse daran haben, kann man denen erstaunliches entlocken. Wir nehmen dann also immer live zusammen auf, meistens ohne Vorgaben und Konzept. Danach guck ich mir die Ergebnisse an und meistens ergibt sich dann auch schon ein Bild, was man mit den Sounds machen könnte. So entstehen dann nach und nach die Lieder. Collagen eben.

Eniz: Welche Frage mir sehr am Herzen liegt: Experimentiert ihr tatsächlich mit Meerschweinchen und wie hoch ist da der Verschleiß? ;)

Mirko: Der Verschleiß ist enorm. Vor allem, weil die Line-In-Öffnung bei den Tieren sehr versteckt liegt. Da gehört schon etwas Fingerfertigkeit dazu.

Eniz: Wieso betitelt ihr die Lieder mit unaussprechlichen Namen? Ich meine, z.B. „sägänäki hälöumi“ kann man ja kaum aus dem FF aus- bzw. abschreiben, geschweige dedn aussprechen. Was hat das damit auf sich?

Mirko: Das war von Anfang an das Konzept dieser Platte. Der Album-Titel ist ja einfach aus zwei Wörtern zusammengesetzt. Mezethakia ist griechisch, Mukabalatt türkisch. So weit ich mich noch recht erinnere. Bedeuten so etwa dasselbe. Nämlich „kleine Mahlzeiten“. Wir wollten einfach viele Songs auf ein Album packen, die so unterschiedlich wie nur irgend möglich klingen sollten. Deswegen auch diese ganzen exotischen Titel. Das sind alles Namen internationaler Speisen. Diese ganzen kleinen Lieder kommen dann ja auch im Endmix vor… deshalb die Untertitel. Es hat auch lange gedauert, bis ich das alles nur halbwegs richtig aussprechen konnte.

Eniz: Ihr schriebt weiter, dass ihr das Art-Work zu „Mezethakia Mukabalatt“, die am 06.09.2004 erhältlich ist, u. a. von Kindergarten-Kindern habt malen lassen… Seid ihr damit zu denen gegangen und habt gesagt: „Mach mal was drauf“ oder wie ging das von statten?

Mirko: Das wäre die richtig coole Rock’n’Roll-Story, oder? Ehrlich gesagt, hat mich die neue Cure-Platte drauf gebracht. Und da meine Mutter Kindergärtnerin ist, hat es sich halt angeboten. Außerdem wollte ich nicht schon wieder ein Jewelcase. Ein ordentlich bedrucktes Digipack konnte ich mir allerdings nicht leisten…so denke ich doch, dass es eine mehr als würdige Alternative ist. Da ist für mich auch noch einen Überraschungseffekt, weil ich keinen blassen Schimmer habe, was die Kinder da alles draufmalen. Ist allerdings sehr aufschlussreich, wenn kleine Kinder malen…

Eniz: Wer steckt alles hinter „Aalfang mit Pferdekopf“?

Mirko: Unbekannte Namen und Gesichter. Jeder der Lust hat, kann vorbeikommen. Ich koordiniere das Ganze dann ein bisschen. Mehr auch nicht. Die Endarbeit, also Mixen, Produzieren, Artwork und Finanzieren mache ich dann alleine.

Eniz: Wenn ihr euch trefft, um Musik zu machen, bringt jeder dann sein eigenes Kochgeschirr mit? ;)

Mirko: Nicht nur Kochgeschirr. Jörg bringt immer wieder schöne Dinge mit. War ja lange in Indien. Hat da auch einige kuriose Sachen besorgt. Z.B. ein kleines, höllisch plärrendes, mechanisches Spielzeugboot. Das hört man ab und zu auf dem Titeltrack. Eigentlich wird alles benutzt, was wir in unsere Finger bekommen.

Eniz: Also, ich habe ja schon ziemlich abgedrehtes Zeug aus dem Industrial-Bereich gehört, wo man stundenlang später immer noch dran zu kauen gehabt hat. Aber AmP gibt einem das Gefühl, gleich seinen CD Player aus dem Fenster zu werfen. Es macht nicht unbedingt aggressiv, aber man verspürt doch schon den Drang, auf den „Aus“-Knopf zu drücken. Sprich: Wirklich sehr schwer zu verdauen… Mögt ihr den Hörer so malträtieren?

Mirko: Nein, das liegt nicht in meiner Absicht. Was habe ich davon, wenn die Leute direkt nach einer Minute die CD ausmachen und in die Tonne kloppen ? Ich finde auch, dass das neue Album sehr ruhig und dronig geworden ist. Mit ein paar kleinen Ausnahmen natürlich.

Und in den Industrial-Bereich würde ich AmP auch nicht stecken. Dafür gibt es zu wenig Gemeinsamkeiten mit der Szene und auch zu viele Missverständnisse über den Begriff „Industrial“.

Eniz: Tretet ihr manchmal auch Live auf? Und wenn ja, wie regieren die Anwesenden darauf?

Mirko: Bis jetzt gab es noch keine Auftritte. Wenn, dann sollte das auch was Besonderes sein. Es gibt in Berlin einen sehr guten…ähm…Club ?…, der heisst „Sibirische Zelle“…dort könnt ich mir, allein schon wegen den Räumlichkeiten und der Atmosphäre, einen AmP-Auftritt vorstellen.

Wenn ein Auftritt, dann eine große Jam-Session, in welche die Zuschauer miteinbezogen werden…können. Also eigentlich auch das Prozedere, in dem die Platten entstehen.

Eniz: Wenn ihr die Musik macht, wie fühlt ihr euch dann dabei?

Mirko: Gut. Immer gut.

Eniz: Das ist nunmehr die 3. Veröffentlichung in diesem Jahr von euch. Ich vermute nicht die letzte, oder?

Mirko: Ich denke, in diesem Jahr haben wir VÖ-technisch genug getan. Natürlich gibt es immer noch viel fertiges Material, aber das kann warten. Vielleicht auch mal auf einem anderen Label, wir werden sehen. Wir verhandeln ja schon mit BMG über ein mögliches Best-Of-Album für den Sommer 2005.

Eniz: Was macht ihr nebenbei der Musik? Wie sind die Menschen hinter AmP ?

Mirko: Die Menschen hinter AmP ? Diana arbeitet, Jörg forscht den ganzen Tag am tonlosen Ton oder geht baden, Eisenvater (der Mann hinter Rostiges Riesenrad – den ich auch irgendwie zu AmP dazuzähle) werkelt auch dauernd an irgendwelchen Sachen rum und ich studiere wohl noch ein, zwei Semester Volkskunde in Bonn. Danach versuche ich, ins Massage-Geschäft einzusteigen, oder auch nicht. Und Manu, tja, der trinkt wahrscheinlich grade Champagner und lernt was über Kunstgeschichte und Antiquitäten.

Eniz: Ja, das soll es dann auch mal gewesen sein. Eine tiefgehende Botschaft an den Rest der Welt zum Schluß noch?

Mirko: Nein.

Eniz: Ich bedanke mich für dieses Interview.

Autor: Eniz

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