Bühnenpremieren sind immer ein ganz besonderes und vorallem auch aufregendes Ereignis – sowohl für den anwesenden Konzertbesucher, als auch für die Band selbst. Da macht es auch keinen grossen Unterschied, dass man den Sänger und Kopf der Band bereits von diversen anderen Musikprojekten kennt. Vielleicht ist die Anspannung auf beiden Seiten, in solch einem Fall, sogar noch ein bisschen grösser, da das Publikum bereits ein festes Bild im Kopf und nicht zu vergessen in den Ohren hat und der Musiker sich der Herausforderung stellen muss, die vorhandene Erwartungshaltung der Gäste zu erfüllen und im besten Fall sogar noch zu übertreffen.

Solch einer speziellen „Band trifft Konzertbesucher Konstellation“ sahen sich nun die Musiker und Gäste am 16. Januar 2008 im Schweriner Zeppelin Club gegenüber stehen. Chris „The Lord“ Harms feierte an diesem Tag mit seinem neuen und gleichnamigen Projekt Lord seinen offiziellen Bühneneinstand und präsentierte den interessierten Besuchern nicht nur seine 4 symphatischen Bandmitglieder, sondern insgesamt 11 grossartige Songs von dem bislang noch unveröffentlichten Debutalbum „Not from this world“.

Ursprünglich hatten Lord an diesem Abend die Rolle des Openers als Support von Big Boy übernehmen sollen. Doch da Big Boy Schlagzeuger Happy an einem Beckenbruch operiert werden musste, wurden Lord nun kurzer Hand zum Headliner befördert und die Schweriner Progressive/Postpunk Band Canned Applause sprang als neue Vorband ein.



Die noch verhältnismäßig junge Band – sowohl vom Gründungsdatum, irgendwann 2007, als auch vom Durchschnittsalter ihrer Bandmitglieder – Canned Applause enterte um kurz nach 22.00 Uhr die Bühne, um in einer guten halben Stunde Bühnenpräsenz ein ordentliches Rockprogramm abzuliefern. Mit ihrem zwar durchaus hörbarem und nettem, aber leider nicht bahnbrechend innovativem, oder anderweitig besonders hervorstechend Musikstil und Songrepertoir konnten die Musiker zwar nicht alle Besucher von ihren Stühlen in Richtung Bühne locken, doch nach ihrem Auftritt wurden Canned Applause mit einem durchaus angemessenem Applaus(e) verabschiedet.

Als kurze Zeit später Lord auf der Bildfläche erscheinen, werden die ebend erwähnten Stühle zur Nebensache und es wird richtig eng am Bühnenrand. Dass die Musiker zu Beginn der Show den Besuchern den Rücken zugewand halten, ist ein einfaches, aber gut gewähltes Stilmittel, das seine Wirkung auch nicht verfehlt. Sekunden scheinen hier zu endlosen Stunden zu werden – Anspannung und Vorfreude im Publikum sind fast greifbar und lösen sich erst in dem Moment, als die Musiker sich den Besuchern zuwenden und ihr Programm mit dem ebenfalls gut gewählten, da bereits von mySpace bekannten Song „Dry the rain“ beginnen.

Die Freude darüber, dass das Publikum den Song tatsächlich mitsingen kann, steht dem charismatischen Sänger Lord unverkennbar ins Gesicht geschrieben. Kein Wunder – ist dies doch wohl das beste und eindeutigste Feedback welches man als Musiker generell und dann auch noch beim allerersten Auftritt bekommen kann.
Doch nicht nur die Chemie zwischen Band und ihren Gästen ist wünschenswert stimmig, auch die Musiker selbst scheinen sich einfach gesucht und gefunden zu haben und bilden ein perfektes Team.

Diese für alle Anwesenden sichtbare Einigkeit erklärt sich wohl aus dem Prinzip nachdem Lord seine Mitstreiter ausgewählt hat. So entpuppt sich die quirlige Powerfau Any, die im Hintergrund mit einer Energie aufs Schlagzeug donnert, dass manch männlicher Kollege blass um die Nase werden dürfte, als Crewmitglied der The Pleasures. Und auch hinter den Herren, die rechts und links neben ihrem Frontman, die Saiten zum glühen bringen, verbergen sich alte Bekannte von Lord. Tättowierer Sebsta ist der Mann, dem das eine oder andere Tattoo auf Lords durchtrainierten Körper zu verdanken ist, Class arbeitet in dem Laden in dem er seine Gitarren kauft und Sensai Pleasure kennt man, wie auch schon der Name unschwer erkennen lässt, natürlich von den legendären The Pleasures.

Eine gute Stunde soll das erste Konzert von Lord dauern und obwohl die präsentierten Songs insgesamt wesentlich härter und rockiger rüber kommen, als es die Demo Versionen auf der offiziellen mySpace Seite hätten vermuten lassen, überzeugt an diesem Abend vor allem eines – die Emotionalität und Ehrlichkeit, die in jedem Ton und jedem Wort mitklingt. Und so sind es neben den eingängigen und schönen Melodien, im besonderen die Texte, die einen beim besten Willen nicht unberührt lassen, sondern für wohlige Gänsehautstimmung sorgen. Mit „Enjoy the silence“ hat es zudem ein Cover des Depeche Mode Klassikers auf die Setlist an diesem Abend geschafft. Die altbekannte Nummer fügt sich in ein rockiges Gewand gekleidet nicht nur nahtlos in das musikalische Gesamtkonzept ein, sondern lädt natürlich auch wieder zum Mitsingen in den Publikumsreihen ein.







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Die Bühnenshow beschränkt sich auf ein absolutes Minimum, was natürlich zum einen an den stark eingeschränkten Platzverhältnissen im Zeppelin Club liegen dürfte, zum anderen würde mehr Aktion, aber auch gar nicht zu der Athmosphäre dieses Auftrittes passen. Abgesehen von seiner Funktion als Sänger zeigt sich Lord zudem aber auch relativ wortkarg. Einzig als es darum geht den Ausfall von Big Boy und insbesondere den Krankheitszustand des verletzten Schlagzeuger zu erklären, zeigt sich Lord dann doch ein wenig mitteilungsbedürftiger. Allerdings scheint nach der Lord´schen Ansage nicht mehr ganz sicher zu sein, was genau sich Happy denn nun gebrochen hat, da seine Theorie irgendwie nicht zu hundert Prozent mit der offiziellen Erklärung von Big Boy übereinstimmen will. Nun gut, auch während eines Auftrittes, der vorrangig auf ernste und düster-melancholische Emotionen setzt, ist man offensichtlich nicht vor schräg-humorigen Statements gefeit. Insbesondere dann nicht, wenn man es mit einem Frontmann zu tun hat, in dessen Adern, trotz aller Gothic-Attitüde, natürlich immer noch bunt glitzerndes The Pleasures-Blut fliesst.

Nachdem das Set zu Ende gespielt ist, erfolgt die gewünschte Zugabe des Openers „Dry the rain“ und so endet der erste Auftritt von Lord genauso wie er begonnen hat: Die Musiker wenden sich wieder von den Fans ab, stehen mit dem Rücken zum Publikum auf der Bühne, die letzten Töne klingen langsam aus und genauso sanft fährt die Konzertathmosphäre wieder hinunter – eine absolute runde Sache.

Fazit: Lord haben an diesem Abend ein grossartiges Bühnendebut abgelegt. Und um nochmal das Vorwort dieses Konzertberichtes aufzugreifen: Lord, Sebsta, Sensai, Class und Any konnten die Erwartungen des Publikums nicht bloss erfüllen, sondern um Längen übertreffen. Die Bürde, den eigentlichen Headliner ersetzen zu müssen, haben sie dabei mit verblüffender Leichtigkeit ertragen. Nach einem absolut stimmigen und beindruckenden Auftritt entlassen Lord ihre Fans voller Vorfreude auf die nächsten Livetermine und natürlich das erste Album „Not from this world“.

Setlist:

Dry the rain

Last words

Till death us do part

Nothing words can say

My deepest fear

Not from this world

Prolouge

To die for

Vicious circle

Enjoy the silence

Sooner or later

Dry the rain (Zugabe)

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Pamela Stahl
Pamela Stahl ist ehemalige Mitarbeiterin von Mindbreed.