Nach der schweren Bandscheibenverletzung von Racso Agroyam im Sommer diesen Jahres und der damit bedingten Absage des „Dulce Liquido“-Auftrittes beim M’Era Luna Festival (der wahrscheinlich nächstes Jahr nachgeholt wird), kam eine pünktliche Albumankündigung des neuen Hocico-Albums, trotz Gastauftritt von Bandkollegen Erk Aircrag, schon ein wenig überraschend. Diesen Herbst luden die beiden mexikanischen Berserker Fans und Presse in die Leipziger Moritzbastei ein, um ihr neues Schaffenswerk mit einer Liveperformance und einem „Meet & Greet“ näher vorzustellen. Erstmals wird ein englischer Titel den Longplayer schmücken und damit ein Stück spanischer Bandhistorie brechen, die schon seit eh und je gepflegt wurde. Zumindest ihren Humor hat das mittelamerikanische Duo nicht verloren, denn auf Position 66 gibt es wieder einen Hidden Track der besonders fragwürdigen Art…

Der raue Samplesturm im Opener drängt förmlich danach, das Audioinferno loszulassen und uns „Tales from the third world“, das ziemlich treffend die Palette des Albums repräsentiert, mit einem Intro in bester Skinny-Puppy-Manier nahe zu bringen. Einen ähnlichen Samplewirrwarr finden wir auch später noch mal in „Padre non nuestro“, konzentriert als Instrumentalcollage, wieder. Wer die Platte schon durchgelauscht oder einfach nur angezappt hat, dem müsste der fettere und satte Gesamtsound auffallen, der den Cousins zu noch mehr Druck und feurigem Punch verhilft. Dieser macht aus der Singleauskopplung „Born to be (hated)“ erst einen zeitgenössischen Poltergeist und den vielleicht progressivsten Hocico-Kracher überhaupt. Der berührende Dark Electro in „Bizarre words“ beweist hingegen, dass die beiden „Tiermäuler“ gleichzeitig im zahmen Tempo kraftvoll und diabolisch sein können, auch ohne tollwütig die Regler bis zum Anschlag drehen zu müssen.
Mit „Wrack and Ruin“ bewegen sich Hocico absolut keinen Schritt zurück, auch wenn man sich nicht allzu weit aus dem Fenster lehnt. Der dreckigste Electro musste ja aus den dunkelsten Ecken Mexiko Citys, der vielleicht verschmutztesten Stadt auf diesem Globus, kommen; die aber andererseits so klare Produktion behält den Hocico-Charakter nicht nur bei, sondern schleift noch an dem Sound des „Signos de Aberracion“-Diamanten, um aus dem Nachfolger einen Edelstein zu formen, der mit treibenden, aber kontrollierten Songs bis zur letzten Minute glänzt. Die 10 Tracks sind trotz gewohnten Aufbaus und ähnlicher Strukturen durch ihr angedicktes Synthsound-Design absolut differenzierbar und prädestiniert für den Dancefloor, der sich auf druckvolle und feurige Grüße aus Mexiko freuen darf.

Autor: Francois

Werbung
Redaktion
Unter diesem Benutzernamen werden Beiträge ehemaliger und freier Mitarbeiter zusammengefasst.