Eine urige Kneipe, irgendwo im Ruhrgebiet. Für einen ganz gewöhnlichen Dienstag ist die Location erstaunlich gut besucht, trotzdem ist meine Verabredung für heute Abend schnell gefunden. Den hochgeschossenen Mann mit den leuchtend grünen Strähnen im langen schwarzen Haar, kann man aber auch beim besten Willen nicht übersehen. Chai Deveraux, der absolut Rockstar-untypisch nicht mit der obligatorischen halben Stunde Verspätung sondern sogar noch pünktlicher zu diesem Interviewtermin erschienen ist als meine Wenigkeit, sitzt bereits an einem kleinen gemütlichen Ecktisch und tippt fleissig auf der Tastatur seines Laptops herum.

Während ich mich artig vorstelle, verschwindet die mobile Kommunikationsschnittstelle zur Aussenwelt wieder in der dazugehörigen Tasche. Ob es in Ordnug ginge, wenn er ersteinmal etwas essen würde, werde ich charmant gefragt. Aber selbstverständlich, ich habe Zeit. Wie es sich für einen echten Vegetarier gehört, entscheidet sich Chai Deveraux für die Falafeln nach Art des Hauses, die auch umgehend serviert werden. Am Nachbartisch bestellt unterdessen eine ahnungslose Dame lauthals eine Tasse Chai Tee und sorgt damit, wenn auch eher unfreiwillig, bei uns für den ersten Lacher des Abends.

Situationskomik zum rechten Zeitpunkt ist einfach Gold wert. Nun gut, zugegebenerweise wohl nur für denjenigen, der den Witz auch verstehen kann. Die Dame am Nebentisch, samt Begleitung, wird jedenfalls im Verlaufe des Interviews die Flucht vor uns ergreifen und einen Tisch aufsuchen, der sich ausserhalb unserer Sicht- und Hörweite befindet. Ob wir nun zu laut gelacht, zu viel geredet, oder die Gute vielleicht einfach mit unserem „düsteren Aussehen“ verschreckt haben, entzieht sich hierbei leider meiner Kenntnis.

Fest hingegen steht, dass sich der sympathische Gitarrist von Jesus on Extasy gute anderthalb Stunden Zeit nimmt, mir geduldig Rede und Antwort zu stehen und zuguterletzt noch die eine, oder andere Ansage für unseren Newsflash aufs Band sprechen wird, bevor es wieder Abschied nehmen heisst.

Nach neunzig überaus interessanten Minuten, die zumindest aus meiner Sicht, viel zu schnell verflogen sind, kann ich diesen Abend mit der positiven Erkentnis beschliessen, einen äusserst charmanten Musiker getroffen zu haben, der sich im Gespräch als absolut unkompliziert, humorvoll und frei von jeglichen Starallüren erwiesen hat.

Pamela: Hallo Chai. Schön, dass du dir die Zeit für dieses Interview genommen habt. Die wichtigste Frage lautet natürlich: Wie geht es dir, bzw. euch?

Chai: Also mir geht es super, jetzt gerade nach dem leckeren Essen (lacht). Nein im Ernst, natürlich geht es uns allen im Moment wirklich grossartig. Unser neues Album ist auf dem Markt und läuft gut, wir geben viele Konzerte und treffen viele Leute, die unser Album mögen. Was kann man noch mehr wollen?

Pamela: Zu Beginn würde ich gerne, auch wenn es dir vermutlich schon aus den Ohren raushängen muss, kurz auf eure Bandgeschichte zu sprechen kommen.

Immer wieder werden Stimmen laut, die euch zum Vorwurf machen wollen, dass ihr lediglich eine gecastete Band wäret. Deshalb würde ich dich jetzt nochmal bitten zu erzählen wie es zur Gründung von Jesus on Extasy kam. Wann und wie wurde der Grundstein für diese Band gelegt und wie habt ihr schlussendlich alle zusammen gefunden?

Chai: Also mit genauen Zeitangaben habe ich immer so ein bisschen meine Schwierigkeiten. Einigen wir uns also erstmal auf den Begriff „Damals“. „Damals“ habe ich also angefangen zusammen mit Dorian Musik zu machen. Und das ist zugegebenerweise erstmal gnadenlos in die Hose gegangen. Wir hatten uns bereits ein paar mal im Proberaum getroffen, Ideen ausgetauscht und so weiter, aber dann habe ich plötzlich reissausgenommen. Das heisst konkret, ich habe Dorian einfach sitzen lassen. Und der fand das verständlicherweise irgendwie gar nicht so lustig. Genaugenommen war er sogar sehr sauer auf mich.

Dann ein halbes Jahr, oder ein dreiviertel Jahr später haben wir uns zufällig auf dem Bochum Total wieder getroffen. Allerdings waren wir beide zu dem Zeitpunkt ein bisschen angeschickert, weshalb wir uns dann gegenseitig begrüßten, ohne wirklich zu wissen, wer wir sind. Das haben wir dann erst später realisiert. (lacht)
Jedenfalls haben wir daraufhin den Entschluss gefasst, es nochmal zusammen zu versuchen, sind zusammen in den Proberaum, bzw. mein Tonstudio gegangen und begannen die ersten Songs aufzunehmen. Der erste Song den wir damals aufgenommen haben war „Puppet“. Und weil der Song einfach „funktionierte“, beschlossen wir an diesem Punkt, dass wir die ganze Sache jetzt wirklich durchziehen würden. Von Anfang an war es unser Ziel, nicht wie jede kleine Vorband erstmal klein im Proberaum, dann vielleicht auf einem Stadtfest oder in einem Jugendzentrum zu spielen, sondern diesen Schritt zu überspringen und direkt in die Vollen zu gehen. Durch einen Zufall bekamen wir dann die Möglichkeit unseren ersten Gig auf dem Bochum Total 2006 zu spielen und das direkt nach einer gesignten Band. Bei diesem Auftritt wurde schliesslich unsere Plattenfirma auf uns aufmerksam und von da an ging es halt wirklich los. Wir sind also nicht gecastet!

Pamela: Das Thema Castingbands und auch dementsprechende TV Formate ist nach wie vor sehr aktuell. Wie steht ihr generell dieser Thematik gegenüber?

Chai: Castingshows sind nun mal ein bestimmter Teil der Musikszene, der aber meiner Meinung nach nichts mit Musik im musikalischen Sinne zu tun hat, sondern mehr mit der kommerziellen Schiene. Die Leute, die freiwillig zu solchen Shows gehen, versuchen auf Hängen und Würgen ein Star zu werden. Und dabei machen sich, das muss man ehrlich sagen, zu 99,9% schlichtweg zum Affen. Natürlich sind auch Bewerber dabei die Talent haben und die Gewinner dieser Shows haben auch Potential, können singen und haben das gewisse Etwas. Aber dummerweise geraten sie dann genau in dem Moment an die falschen Leute. Diese Superstars sind, wenn es hoch kommt, ein Jahr dabei und spätestens dann ist Feierabend.

Auch Mark Medlock, der jetzt zwar wirklich lange durchgehalten hat, wird wieder in den Untiefen verschwinden, so wie alle seine Vorgänger. Über mehrere Monate werden hier Zuschauer gefragt, was sie hören wollen, damit den Kandidaten eine Chartplatzierung sicher ist und das war es dann. Dann muss irgenwann der nächste kommen, sonst würde es ja langweilig. Nein, da halte ich nichts von. Aber so ist unsere Gesellschaft nun mal heute.

Pamela: Und was haltet ihr von öffentlichen Songcontesten, die im Fernsehen übertragen werden? Subway to Sally haben z.B. den letzten Bundesvision Songcontest gewonnen. Wäre so ein TV-Format eine ansprechende Plattform für euch?

Chai: Also das finde ich grossartig. Da wird einem ja nicht vorgesetzt was man machen soll. Subway to Sally haben den Sieg auch wirklich verdient. Die reissen sich seit Jahren den Arsch auf und haben auch schon viel erreicht, das muss man ja mal sagen. Und das natürlich auch schon vor diesem Contest. Das sind einfach gute Musiker, die kriegen ihre Hallen spielend voll. Die stehen mit beiden Beinen auf dem Boden, wissen was sie tun und würden sich durch so eine Geschichte auch nie manipulieren lassen. Deshalb ist das auch eine ganz andere Geschichte und der Sieg eigentlich nur mehr ein I-Tüpfelchen auf der bisherigen Karriere dieser Band.

Dann gibt es aber andere Bands, die noch relativ jung sind und bei so einem Contest mitmachen, um ihn als Sprungbrett zu nutzen. Solche Bands müssen gut aufpassen, weil sie schnell Gefahr laufen, sich dann doch wieder manipulieren zu lassen. Und spätestens dann verliert man seine neu gewonnen Fanbase genauso schnell, wenn nicht sogar noch schneller, wie man sie zuvor aufgebaut hat.

Ob so ein Contest eine Plattform für Jesus on Extasy wäre? Mein Gott, warum nicht, wir sind jetzt schliesslich bereits seit zweieinhalb Jahren im Geschäft. Allerdings würden wir dann einfach aus Spass teilnehmen und auch auf keinen Fall beim Grand Prix. Ich glaube auch nicht, dass wir bei diesem Event wirklich durchstarten könnten, oder auch wollten. Dann doch schon eher bei Stefan Raab. Man muss sich halt darüber im klaren sein, dass auch der Typ ein reiner Geschäftsmann ist, dann geht das schon in Ordnung.

Pamela: Als Band, die sicherlich auch polarisiert, müsst ihr euch natürlich immer wieder mit Kritik auseinandersetzen. Wie geht ihr mit dieser Kritik um? Trifft euch das persönlich, oder habt ihr inzwischen gelernt die Ohren auf Durchzug zu stellen?

Chai: Kritik kommt bei uns immer an. Durchzug ist da nicht drin. Natürlich muss man lernen zwischen echter, konstruktiver Kritik und Kritik, die ausschliesslich auf Neid basiert zu unterscheiden. Gerade letztere wird uns ja auch recht häufig entgegengebracht, ist aber für uns absolut belanglos. Anders sieht es natürlich mit Kritik von Leuten aus, vor denen man dann auch Respekt hat, wie jetzt z.B. dem Publikum auf dem WGT.

Da gibt es Leute, die kennen uns gar nicht, schauen sich unseren Gig an und sagen dann: Dies und das war ganz gut, anderes hat uns wieder nicht so gefallen. Solche Informationen sammelt man im Hinterkopf und speichtert sie dort ab. Wir sind gegenüber konstruktiven Vorschlägen immer aufgeschlossen. Und wenn wir merken, da gibt es tatsächlich Dinge, die wir zukünftig anders und vorallem besser machen können, versuchen wir das natürlich auch zu beherzigen.

Es gibt andere Bands, die in solchen Dingen komplett auf Durchzug schalten und einfach stur ihr Ding durchziehen. Die halten es aber, so glaube ich, nicht lange durch.

Pamela: Zu Beginn eurer Karriere seid ihr ja ganz schön mit eurem Bandnamen angeeckt. War das Kalkül, oder wart ihr eher überrascht, dass man mit diesem doch verhältnissmässig harmlosen Namen heutzutage noch für Aufsehen sorgen kann?

Chai: Doch, das hat mich auch sehr überrascht. Der Bandname ist ja eigentlich aus einer Partylaune heraus entstanden, hat allerdings auch eine tiefere Bedeutung, die wir natürlich während der Partylaune noch nicht erkennen konnten. Das kam dann erst etwas später. Klar ist der Name irgendwo provokant. Ich meine, wenn wir „Mohammed on Extasy“ heissen würden, wären wir vermutlich schon alle tot. Christen sind da ja schon glücklicherweise ein ganzes Stückchen weiter. Und wir wollen damit auch ganz bestimmt keine Christen angreifen, die ihre Religion so leben, wie es eigentlich sein sollte. Mit einem Jesus auf Drogentrip assoziiere ich vielmehr Menschen, die im Namen ihrer Religion Unrecht handeln, im schlimmsten Fall zu irgendwelchen Kriegen aufrufen, oder sowas.

Viele Leute hören einfach nur den Namen Jesus on Extasy und stempeln diesen gleich, ohne weiter darüber nachzudenken, oder gar zu hinterfragen, als Blasphemie ab. Auch in der Gothic-Szene selbst, wo es ja bekanntermassen viele Gläubige gibt, hatten wir da schon öfters Diskussionen mit Leuten, die bei unserem Namen ein bisschen auf die Barrikaden gegangen sind. Aber wenn man dann mit diesen Menschen in Ruhe spricht und die ganze Sache erklärt, dann glätten sich die Wogen auch wieder ganz schnell. Wir haben diesbezüglich wirklich schon viel Aufklärungsarbeit geleistet und wenn sich manche Leute trotzdem nicht richtig informieren wollen, oder einfach nicht zu hören, dann können wir da leider auch nichts dran machen.

Und eines steht natürlich auch fest. Die Leute können besser unseren Namen kritisieren, als unsere Musik.

Pamela: Stimmt es tatsächlich, dass ihr in dem Zusammenhang einmal eine Morddrohung von einer militanten Christengruppe bekommen habt? Oder ist das eine Legende?

Chai: Ja, das stimmt tatsächlich. Die haben wir in unserem Postfach vorgefunden. Wir haben halt so eine Firmenadresse, da wird u.a. auch die ganze Fanpost hingeleitet. Und eines Tages bekamen wir dann einen Brief aus Amerika, der eine Morddrohung enthielt. Das war schon heftig. In Amerika leben ja viele Hardcorechristen, ich schätze der hätte am liebsten direkt eine Bombe mitgeschickt. Aber die hätte vermutlich gar nicht in das Postfach gepasst. Ach keine Ahnung (lacht).

Pamela: Gibt es noch heute Schwierigkeiten, oder hat sich der Trubel inzwischen gelegt?

Chai: Ab und zu vielleicht noch, aber im Grossen und Ganzen hat sich das eigentlich inzwischen gelegt. Ich meine wir stehen jetzt mit diesem Namen sogar in der Popcorn drin. Ja tatsächlich wir sind in der Popcorn. Nach zwei Jahren hat sich wohl inzwischen jeder an unseren Namen gewöhnt. Die Tabugrenze ist einfach auch extrem gesunken im letzten Jahr. Um heute in der Gothicszene aufzufallen braucht es keinen extravaganten Bandnamen, da empfiehlt es sich wohl eher komplett in weiss rumzulaufen.

Pamela: Erst ein gutes Jahr ist nach der Veröffentlichung eures erfolgreichen und von der Presse hochgelobten Debutalbums „Holy Beauty“ ins Land gestrichen. Nun habt ihr am 02. Mai mit „Beloved enemy“ (Mindbreed berichtete) bereits einen Nachfolger aus dem Hut gezaubert. Bildet „Beloved Enemy“ aus eurer Sicht die konsequente Fortsetzung von „Holy Beauty“? Wo seht ihr die grössten Gemeinsamkeiten und wo die Unterschiede zwischen den beiden Alben?

Chai: Also, aus dem Hut gezaubert ist wohl etwas der falsche Ausdruck. Das mag vielleicht Manchem so vorkommen, aber hinter so einem Album steckt eine ganze Menge Arbeit und Zeitaufwand. Der Endverbraucher kriegt nur mit, das Album kommt ein Jahr später raus – fertig, aber wir haben effektiv schon vor Veröffentlichung von „Holy Beauty“ angefangen neue Songs zu schreiben, weil wir ganz genau wussten, dass wir in ca. einem Jahr mit einem zweiten Album nachlegen müssen.

Alleine schon weil wir Newcomer sind, da kann man sich mit der zweiten Veröffentlichung nicht einfach zwei, drei Jahre Zeit lassen. Dann gerät man in Vergessenheit und Leute, die uns für ne Eintagsfliege gehalten haben fühlen sich dann bestätigt und sagen: Ah guck, die haben sich nicht gehalten. Man muss direkt den Anschluss finden und dabei am besten noch besser sein als beim Debut. Aus diesem Grund haben wir bereits sehr früh angefangen neue Songs zu schreiben und diese haben sich dann sozusagen aus dem Stil heraus entwickelt, den wir damals hatten. Das neue Album klingt zweifelsfrei anders als sein Vorgänger, das ist nun mal so. Vorallem natürlich wesentlich rockiger, was daran liegt dass BJ als Schlagzeuger jetzt fest mit dabei ist und das Album mit uns zusammen eingespielt hat. Genaugenommen war BJ zwar schon mit dabei als wir „Holy Beauty“ auf den Markt gebracht haben und hat damals auch live mit uns auf der Bühne gespielt, allerdings war er nicht dabei während wir das Album aufgenommen haben, sonst wäre er ja logischweise dort auch schon zu hören gewesen.

Textlich gesehen liefern wir mit „Beloved enemy“ sowas wie ein Resumee des letzten Jahre ab, während „Holy Beauty“ hauptsächlich von der Liebe gehandelt hat. Wir haben in dem letzten Jahr einfach eine ganze Menge erlebt und uns natürlich auch ein Stück weit verändert. Das kommt daher, dass man plötzlich in einer vollkommen anderen Gesellschaft lebt, viel mit irgendwelchen Firmen zu tun hat und auch von Dritten ganz anders wahrgenommen wird wie zuvor. Das letzte Jahr war für uns eine emotionale Berg und Talfahrt und ich denke, dass merkt man auch an den Texten. Kurz gesagt, das zweite Album ist einfach härter, verzichtet aber trotzdem nicht auf wunderschöne Melodien.

Pamela: Hat der Albumtitel „Beloved Enemy“ also „geliebter Feind“ einen persönlichen Hintergrund? Wem habt ihr diesen Titel gewidmet?

Chai: Den Titel haben wir im Grunde genommen der Musikindustrie gewidmet. Die meisten würden damit wohl als erstes schlechte Beziehungserfahrungen, oder sowas in der Art assoziieren. Aber „Beloved Enemy“ drückt simpel gesagt nur aus, dass man etwas zum Leben braucht – man kann halt nicht mit, aber auch nicht ohne. Und das trifft, aus unserer Sicht, so ganz gut auf die Plattenindustrie zu. Denn was da zum Teil abgeht ist wirklich richtig heftig. Das wiederum liegt aber nicht zuletzt auch an den Leuten, die zu Hause sitzen und sich Musik einfach illegal aus dem Internet ziehen. Der Schaden der dadurch angerichtet wird, fällt dann im Endeffekt auf uns Künstler zurück.

Man ist als Künster unheimlich abhängig, obwohl wir es stets versuchen so gut als möglich unsere Selbstständigkeit zu bewahren. Allerdings wird das spätestens, wenn es um Geld geht schwierig, da braucht man einfach jemanden, der einen unterstützt.

Pamela: Seid ihr als Band alle gleichermaßen in den Prozess des Songwritings involviert?

Chai: Für das Songwriting sind ausschliesslich Dorian und ich zuständig. Man kennt das ja, zuviele Köche verderben den Brei. Ich habe damals gemeinsam mit Dorian angefangen die Songs zu schreiben und das hat wunderbar funktioniert. Dorian ist hauptsächlich für die Texte zuständig, während ich mich mehr ums Musikalische kümmere. Jeder von uns hat so seine Ideen, mit denen im Gepäck gehen wir zusammen ins Studio, schmeissen alles zusammen, arbeiten es gemeinsam aus und fertig. Das hat bisher bestens funktioniert und deshalb sehe ich da auch keinen Grund noch jemand Drittes oder Viertes zu involvieren. Dorian und ich stehen musikalisch auf der selben Ebene und ich denke nicht, dass das mit einer weiteren Person genauso harmonieren würde.

Pamela: Ist die Anspannung für euch als Musiker jetzt anlässlich der zweiten Albumveröffentlichung auf dem selben Level wie sie vor der Veröffentlichung eures Debutwerks war? Oder setzt einen der Erfolg des Vorgängers eher unter einen noch grösseren Druck?

Chai: Direkt vergleichen kann man das nicht. Bei „Holy Beauty“ war die Euphorie natürlich riesengross, einfach weil es unser erstes Album war. Das zweite Album hingegen hat jetzt die Aufgabe das Erste zu toppen. Wenn man ein Album abliefert, das genauso ist wie sein Vorgänger, oder gar schlechter, dann ist man ganz schnell weg vom Fenster. Wir haben uns jetzt aber natürlich nicht mit dem Druck hingesetzt, dass wir unbedingt ein besseres Album machen müssen, sondern haben einfach so weiter gemacht, wie wir es vorher schon gehandhabt hatten.

Generell ist für einen Künstler die Zeit vor der Albumveröffentlichung natürlich schon sehr hart. Aber jetzt drei Wochen später ist diese Anspannung auch wieder verflogen.

Pamela: Auf eurer Myspace Seite habt ihr vor einiger Zeit einen Aufruf an eure Fans gestartet, das neue Album legal zu kaufen und nicht, oder zumindest nicht „nur“ im Netz herunterzuladen. Damit habt ihr öffentlich eine heikle Problematik angesprochen, die natürlich nicht nur euch betrifft, sondern den Musikmarkt im Allgemeinen. Denkt ihr, dass diese Botschaft bei den Fans ankommt und auch verstanden wird? Wie war die Resonanz auf euren Aufruf?

Chai: Also die Leute, die Alben aus dem Internet ziehen, haben zu diesem Aufruf natürlich nichts gesagt. Deshalb weiss ich auch nicht, ob und wie unsere Botschaft bei denjenigen angekommen ist.
Obwohl es gibt da natürlich auch Ausnahmen. Es kommen schon manchmal Leute zum Konzert und sagen „Hey, ich hab mir dein Album aus dem Internet gezogen“. Da wundert man sich als Musiker natürlich schon, dass die Fans sich trauen einem sowas ins Gesicht sagen. Es ist in so einem Fall natürlich auch für uns etwas schwierig mit der Situation umzugehen, weil diese Leute einen im Endeffekt ja ganz dreist beklauen.

Die Resonanz derer, die sich aber jetzt auf unseren Aufruf gemeldet haben, war eigentlich durchweg positiv. Viele Leute verstehen die Problematik und können das Ganze auch absolut nachvollziehen Wir haben das einfach gemacht, um mal ein bisschen an dem Bewusstsein der Musikkonsumenten zu rütteln. Sich Songs aus dem Internet zu saugen, ist heutzutage schon so normal geworden, wie mal ebend Zigaretten am Automaten zu holen. Das sowas überhaupt möglich ist, ist auch wieder ein Fehler der Musikindustrie, aber das ist natürlich keine Entschuldigung.

Dann muss man noch unterscheiden, dass es zum einen Menschen gibt, die bei vollem Bewusstsein handeln und sagen ich gebe kein Geld für Musik aus, wenn ich diese doch im Internet umsonst runterladen kann, aber Anderen ist es wiederum gar nicht klar, dass sie da etwas Verbotenes tun und welchen Schaden sie damit schlussendlich anrichten. Und gerade an diesen zweiten Kandidaten ist unser Aufruf gerichtet.

Besonders gefreut hat mich auch, dass viele Bands nachgezogen haben, als sie von unserer Veröffentlichung gehört hatten.

Ich habe dann bombenweise Blogs entdeckt bei anderen Bands, die sich gleich mit daran beteiligt haben. Das fand ich wirklich ziemlich grossartig. Man muss als Musiker für seine Sache kämpfen, sonst steht man irgendwann da.

Pamela: In dieselbe Richtung geht ja der Photocontest, den ihr kurz darauf ins Leben gerufen habt. Hierbei sollten sich Fans gemeinsam mit dem neuen Album ablichten lassen. Die kreativste Einsendung würde dann mit einem exklusiven Privatkonzert von euch entlohnt werden. Das ist natürlich in zweierlei Hinsicht ein cleverer Schachzug von euch. Zum einen motivieren solche Aktionen zum Kauf einer Original-CD, zum anderen werden treue Musikfans, die auch wirklich Geld für Cds ausgeben damit belohnt.

Chai: Gut durchschaut. Den Photo-Contest haben wir gleich in der ersten Woche nach der Veröffentlichung ins Leben gerufen. Wir haben uns zusammen gesetzt und gemeinsam überlegt, wie man die Leute schon direkt am Anfang dazu animieren kann das Album zu kaufen, auch wenn man die Songs möglicherweise schon zu Hause auf dem Rechner hat. Ziel hierbei war es einen Weg zu finden den Endverbraucher an das Album selbst zu binden. Ich finde mit diesem Photo-Contest hatten wir eine ganz gute Idee. Es ist wirklich eine interessante Aktion, an der sich auch viele beteiligt haben und uns sehr schöne Fotos geschickt haben. Spannend ist auch, dass wir noch nicht wissen wohin es uns verschlagen wird, ob das Konzert jetzt in Deutschland, oder vielleicht auch einem der anliegenden Länder stattfinden wird.

Pamela: Ihr seid also noch am auswerten. Du kannst jetzt also noch keinen Hinweis auf den glücklichen Gewinner, oder das Foto selbst geben?

Chai: Sagen wir es mal so, wir haben bereits unsere Favoriten, und kloppen uns gerade heftigst. Es ist halt auch nicht ganz einfach, weil jeder von uns seinen ganz persönlichen Geschmack hat. Ich kann nur wiederholen es sind wirklich viele schöne Fotos dabei, auch richtig einfallsreiche, allerdings auch ein paar eklige Sachen.

Pamela: Eklige Fotos? Da muss ich jetzt aber doch mal nachhaken.

Chai: Mmh, mmh, nee. Ich denke, da möchte ich an dieser Stelle besser nicht näher drauf eingehen. Ich kann nur sagen, über manche Fotos müsste man, wenn man sie veröffentlichen wollen würde, einen schwarzen Balken setzen, der das komplette Bild verdecken würde.

Pamela: Ok, dann kommen wir zu einem anderen Thema. Zu eurer zweiten Singleauskopplung „Stay with me“ habt ihr bereits einen Videoclip gedreht. Kannst du mir ein bisschen über die Dreharbeiten erzählen? Wie funktionierte die Zusammenarbeit mit den anwesenden Fans? Inwieweit konntet ihr euch Ideenmässig miteinbringen?

Chai: Nicht nur das Aktuelle, sondern alle Videos, die wir bisher gedreht haben, sind komplett aus unserem Mist gewachsen. Als wir unser erstes Video zu dem Song „Alone“ drehten, hatten wir noch gar keinen Plattenvertrag. Aber wir hatten einen Bekannten, der wiederum einen Bekannten hatte, der zu dieser Zeit an der Filmhochschule studiert hat. Über diesen Kontakt hatten wir dann das grosse Glück, im Rahmen eines seiner Filmprojekte, den Clip zu „Alone“ drehen zu dürfen. Wir fanden es damals natürlich ziemlich genial ein eigenes Musikvideo zu haben und vorallem eines das sehr gut geworden ist.

Bei „Assasinate me“ hatten wir dann zum ersten mal ein richtiges Budget zur Verfügung. So ein Videodreh kostet schliesslich immer noch eine ganze Menge. Selbstverständlich haben wir beim zweiten Dreh, wieder auf dasselbe Produktionsteam zurückgegriffen. Die haben sich gefreut, wir haben uns gefreut, ganz einfach.

Und da die Zusammenarbeit auch beim zweiten mal wirklich sehr gut funktioniert hat, war es natürlich gar keine Frage, dass wir auch bei unserem dritten Video wieder mit dem alten Team zusammen arbeiten würden. Zusammen arbeiten heisst auch, dass wir uns vorher gemeinsam an einen Tisch setzen und unsere Ideen zusammen werfen.

Das ist ganz wichtig, weil die Filmcrew einfach viel objektiver entscheiden kann, was möglich ist und was nicht. Wenn unsere Vorschläge zu abgefahren sind, sagen die ganz schnell: Stop mal, so nicht, das wird zu teuer. Die halten uns da schon auf dem Boden der Tatsachen zurück. Die Entwicklung eines Konzepts ist bei uns also Teamarbeit und diesmal hatten wir halt die Idee, die Fans mit einzubeziehen.

Nachdem das klar war, haben wir diesen Aufruf gestartet, auf den sich auch unglaublich viele Leute meldeten. Einen Tag vor Drehbeginn mussten wir dann allerdings erfahren, dass es unter Kinderarbeit fällt, wenn unter 18 jährige bei einem Videodreh mitmachen. Das fanden wir ehrlich gesagt ziemlich Banane, weil im Endeffekt haben wir ja nichts anderes als eine Art von Livekonzert gedreht. Aber so ist das nunmal hier in Deutschland.

Aus diesem Grund mussten wir leider einem Teil der Bewerber absagen. Ein anderer Teil kam dann einfach in Begleitung der Eltern. Denn in Begleitung der Eltern waren die Dreharbeiten dann wieder erlaubt. Das war ganz lustig, in einer Ecke hatten wir die ganzen Eltern sitzen, während in einem anderen Raum sich die ganzen Fans versammelt hatten und in regelmässigen Abständen zum Dreh hinzugeholt wurden. Insgesamt haben die Dreharbeiten drei Tage gedauert, davon ein Tag mit den Fans.

Zusammenfassend kann ich nur sagen, dass es wirklich ein grossartiges Arbeiten war, sehr Fan nah und deshalb einfach richtig cool. Wir hatten alle eine Menge Spass. Und wir sind stolz auf das Ergebniss. Es ist ein sehr geiles Video geworden.

Pamela: Den Videoclip kann man sich im Internet und derzeit auch noch in einer amerikanischen Fastfoodkette ansehen. Habt ihr mal versucht das Video bei einem öffentlichen Musiksender unterzubringen?

Chai: Ja, das haben wir versucht, und zwar bei VIVA. Das Problem hierbei ist, dass MTV und VIVA ja eh zusammen gehören und 99% aller Videos, die dort laufen von Universal sind, ganz einfach weil Universal da finanziell mit drin hängt. Ich habe mir mal die Mühe gemacht, die ganzen Bands von einer Stunde aufzuschreiben und die waren tatsächlich durch die Bank weg alle bei Universal. Das wiederum heisst, als Indie Band hat man so gut wie keine Chance da überhaupt mit rein zu kommen. Das ist natürlich einerseits schade, aber wenn man bedenkt, dass auf diesen Musiksendern inzwischen doch eigentlich eh nur noch Klingeltonwerbungen und irgendwelche eigenartigen Dokusendungen laufen, muss man sich fragen wer diese Sender überhaupt noch einschaltet und was es einem bringen würde, wenn der Clip dort ausgestrahlt würde.
Dann kann das Video doch lieber bei der amerikanischen Fastfoodkette laufen.

Pamela: Wobei ich muss ja jetzt mal anmerken, dass ich neulich fast eine ganze Stunde bei Burger King gesessen und auf euer Video gewartet habe. Aber es kam einfach nicht. Da war ich schon ganz schön enttäuscht. Wo kann ich mich beschweren (lacht).

Chai: Das ist ja einfach unglaublich (lacht). Also der Clip läuft 15 mal am Tag, mehr kann ich da jetzt auch nicht zu sagen. Ich weiss nur, dass bei Youtube jetzt ein Video existiert, wo jemand seinen Whopper und seine Cola filmt und unser Video läuft dazu im Hintergrund. Das ist der eindeutige Beweis, dass es tatsächlich ausgetrahlt wird. Und unser Lichtingeneur, hat sich auch schonmal zwei Stunden lang bei Burger King hingesetzt und wohl auch dementsprechend viel gegessen, aber er hat das Video gesehen. Er rief uns dann auch sofort an, hielt sein Handy nach oben und wir konnten unseren eigenen Song spielen hören. Das war schon ziemlich lustig.

Pamela: Werdet ihr noch weitere Videos drehen?

Chai: Zu diesem Album? Schwierige Frage. Wir sind uns da noch nicht so ganz schlüssig, weil das würde dann ja mit einer weiteren Single zusamenhängen. Also ich denke alleine deshalb schon eher nicht. Vielleicht werden wir noch ein Livevideo drehen, aber konkrete Pläne gibt es da derzeit auch nicht.

Pamela: Ihr seid ja bekannt für euren stets perfekten und absolut stylishen Auftritt …

Chai: Sind wir das? (lacht)

Pamela: Ja seid ihr. Legt ihr auch privat so viel wert auf euer Äusseres und einen dem entsprechenden Dresscode, oder würde ich euch, wenn ihr bei Edeka vor mir in der Schlange stehen würdet, vielleicht gar nicht erkennen?

Chai: Ich laufe natürlich nicht mit den Bühnenklamotten draussen rum, das wäre schon ein bisschen übertrieben. Aber so, wie ich jetzt aussehe, mit den schwarzen Anziehsachen und nem Bandshirt, das ist schon mein ganz normaler Alltagstyle.

Und ja es passiert uns sogar recht häufig, dass wir bei Edeka an der Schlange erkannt und auch angesprochen werden. Natürlich auch in anderen Supermärkten … (lacht)

Pamela: Aber seid ihr denn jetzt eitel? Würdest du z.B. in Jogginghose zur Mülltonne gehen?

Chai: Nein, auf keinen Fall würde ich in Jogginghose zur Mülltonne gehen. Wenn die Mülltonne im Keller steht, dann vielleicht. (lacht)

Aber sobald ich in die Öffentlichkeit gehe, lege ich schon wert darauf wie ich aussehe. Das ist für mich einfach eine ganz normale Sache, klar ist da auch Eitelkeit mit im Spiel. Aber das hat jetzt nichts damit zu tun, dass ich denken würde, da könnten jetzt Fans auf der Strasse rumlaufen und ich muss jetzt unbedingt so aussehen, wie in der Zeitung. Das ist einfach mein Style, mit dem ich mich wohl fühle. Und bei den anderen Bandmitgliedern ist das ganz ähnlich.

Pamela: Ist Erkannt zu werden für euch Lob und Selbstbestätigung, oder kann das auch manchmal nerven?

Chai: Wenn wir draussen in der Stadt rumlaufen, das gilt für jeden einzelnen von uns, werden wir andauernd angesprochen. Ich z.B. habe mein Tonstudio in Essen, direkt in der City. Das heisst ich gehe dort auch öfters mal raus, um einen freien Kopf zu kriegen, hole mir dann einen Kaffee, oder so. Da gibt es ja so eine berühmte Kette, die ganz hervorragenden Kaffee macht und es ist inzwischen schon bekannt, dass man mich da finden kann. Aber das stört nicht, ganz im Gegenteil. Das ist sogar sehr schön. Schlimmer wäre es wohl andersherum, wenn man erwarten würde angsprochen zu werden und nichts passiert. Da kenne ich auch so einige Leute, die meinen sie müssten auf die Strasse, weil sie ja so furchtbar toll sind und fühlen sich dann nachher schlecht, weil sie von allen ignoriert werden.

Pamela: Habt ihr auch schon negative Erfahrungen im Umgang mit Fans machen müssen?

Chai: Ja gut, negative Erfahrungen gibts es natürlich auch. Also sagen wir mal es gab bisher zwei Dinge, die waren schon etwas strange. Wobei die eine Sache schon wirklich heftig war.

Ich habe mein Tonstudio ja wie gesagt in Essen und das ist ja auch offiziell und die Menschen wissen nun mal, dass ich da quasi schon fast lebe. Eines Tages, ich wartete gerade auf einen richtig wichtigen Kunden, da klingelte es und ein ganz aufgeregter Fan stand vor mir und wollte reden und Autogramme und so weiter. Aber mein Gott, das ist jetzt eigentlich auch nicht so schlimm, weil das Studio offiziell ist, da muss ich mit Leben. Es kommt dann einfach auch darauf an, in welcher Situation man mich gerade erwischt. Und diese Situation war nun mal sehr ungünstig.

Die heftigere Geschichte ist da unserem Sänger Dorian wiederfahren. Er wurde am Bahnhof von Fans angequatscht und wollte danach eigentlich ganz normal nach Hause laufen. Doch dann merkte er, dass er so im Abstand von 20 Metern verfolgt wurde. Er rief mich dann auf Handy an und sagte: „Chai, ich hab hier ein Problem. Da ist jemand, der läuft hinter mir her, der versucht zwar immer sich zu verstecken, aber ich kann ihn trotzdem sehen!„. Ich riet ihm dann an, bloss nicht nach Hause zu gehen… Immerhin hat Dorian auch noch eine Erdgeschosswohnung. Dorian ist dann jedenfalls um die nächste Ecke verschwunden und ist gerannt.

Es gibt also schon Fans, die die Grenzen überschreiten und Stalkerverhalten an den Tag legen. Da muss man ein bisschen vorsichtig sein. Aber das sind wirklich Ausnahmen. Die meisten Leute sind einfach super, super nett. Und auch sehr höflich.

Pamela: Die wichtigste Frage, die die meisten Fans beschäftigen dürfte, ist vermutlich, ob ihr alle in festen Händen seid? Und falls nicht, welche Vorrausetzungen potentielle Kandidaten und Kandiatinnen wohl zu erfüllen hätten?

Chai: Es ist leider echt schwierig eine Beziehung Aufrecht zu erhalten, wenn man so einen Job hat, wie wir ihn nun mal haben. Gerade in dem Stadium in dem wir uns zur Zeit befinden. Das heisst im Klartext im Moment haben wir überhaupt keine Zeit für eine Beziehung, selbst nicht, wenn wir es wolten. Der zweite Teil, der Frage hat sich ja somit eigentlich schon fast erledigt.

Aber wenn wir mal einen Moment davon ausgehen wollen, dass es doch irgendwie gehen würde, dann ist die Frage natürlich immer noch schwer zu beantworten. Also ich habe jetzt keinen bestimmten Frauentyp, den ich favorisieren würde. Angelina Jolie z.B. finde ich zwar ganz toll, aber wie gesagt ich kann mich da auf nichts Bestimmtes festlegen. In erster Linie kommt es, auch wenn es sich abgedroschen anhören mag, tatsächlich auf den Charakter an. Für die anderen kann ich jetzt natürlich schlecht sprechen. Ich weiss aber, dass unsere Gitarristen sehr auf den Metaltypen steht. Allerdings auf den sauberen Metaltypen. Und Dorian steht mehr auf Blondinen. Was kommt, das kommt, man wird sehen.

Pamela: Bei Interviews kommt ihr stets lustig und auch gerne mal selbstironisch rüber. Wie lässt sich das mit eurem düsteren Gothic-Rockstar-Image unter einen Hut bringen?

Chai: Also ich glaube nicht, dass wir ein düsteres Image haben, ganz ehrllich. Dafür stehen wir uns selber im Weg. Es gibt auch schon genug andere, die einen auf Traurig und Böse machen wollen. Sollen sie auch gerne machen, ist auch gut so, ist aber definitiv nicht unser Style. Wir drücken unsere Gefühle mit unserer Musik aus und haben auf der Bühne immer jede Menge Spass. Wir sind nicht die Band, die sich auf die Bühne stellt und irgendein Gruftiklischee abspielen will. Wir rocken lieber einfach drauf los und gucken, dass wir die Leute animiert kriegen und die Leute uns dann auch wieder zurück animieren. Wir sehen uns eigentlich eher immer mit einem Zwinkern im Auge.

Pamela: Fühlt ihr euch trotzdem in der Gothic-Szene zu Hause?

Chai: Also ich auf jeden Fall. Allerdings ist es mittlerweile ein bisschen schwierig geworden, einfach weil sich die Gothic-Szene meines Erachtens nach in der letzten Zeit extrem negativ verändert hat. Damals ich in die Szene eingestiegen bin, das war so 1997,1998 war ich natürlich ein absoluter Hardcoregrufti. Ich bin mir auch nicht ganz sicher, ob man das vielleicht teilweise so extrem empfindet, weil es einfach schon 10 lange Jahre her ist und man sich ja auch selbst irgendwo weiterentwickelt hat, aber ich denke damals war wirklich noch alles ganz anders.

Im Grunde genommen ist das, wo man früher noch absolut gegen war, heute zur Grundlage geworden. Das WGT z.B. ist zum reinsten Schaulaufen mutiert, dort ist wirklich alles bis ins letzte Detail kommerzialisiert. Wobei ich das jetzt noch nicht mal unbedingt verurteile. Aber Leute, die immer noch glauben, alles wäre genauso wie früher und gross rumposaunen wie „Anti“ sie doch sind, ohne zu merken, dass sie sich auf genau der Schiene befinden, die sie ja eigentlich verurteilen, sind mir doch ein wenig suspekt.

Andererseits kenne ich natürlich auch Leute, die trifft man ja auch auf den entsprechenden Festivals, die tatsächlich immer noch an dem Ursprungsgedanken festhalten und es auch schaffen diesen wirklich noch zu leben. Und vor diesen Leuten habe ich ehrlich einen heiden Respekt.

Es wird natürlich auch irgendwo immer schwieriger aufzufallen und ein allgemeines Veto einzulegen, weil inzwischen schon irgendwelche Löcherhandschuhe bei H&M in den Regalen liegen. Es ist auch so, dass die ganze Szene viel bunter geworden ist. Im Grunde genommen muss man sagen, ist die Szene ja gar nicht mehr schwarz.

Pamela: Innerhalb kurzer Zeit habt ihr zwei Alben auf den Markt gebracht. Hinzu kommen jede Menge Konzerttermine, Videodrehs, Interviews, DJ-Auftritte usw. Freizeit muss für euch ein Fremdwort sein. Aber wie verbringt ihr diese, wenn ihr denn mal welche habt?

Chai: Freizeit? (lacht) Also Freizeit ist natürlich ein schwieriges Thema. Ich gehe aber gerne Sushi essen und da nehme ich mir dann auch wirklich die Zeit für.

Eigentlich verbringe ich aber die meißte Zeit in meinem Studio. Das ist ja quasi mein Hobby gewesen, welches ich dann irgendwann zum Beruf gemacht habe. Wobei das natürlich auch immer weniger wird, da ja die Band immer mehr Raum in meinem Leben einnimmt.

Und sonst? Ab und zu kann man schon noch mal weg gehen, in irgendeinen Club. Ansonsten gehe ich joggen, um mal den Kopf frei zu kriegen.

Und ich fahre natürlich furchtbar gerne in meine Heimat. Immer dann wenn es halt gerade zeitlich geht, aber mal ebend ne Woche frei kriegen, um in den Urlaub zu fahren ist inzwischen eigentlich gar nicht mehr drin. Aber jetzt im Sommer, das haben wir noch heute beschlossen, gibt es 3 Wochen Urlaub für alle. Das ist auch wirklich mal nötig.

Pamela: Apropos Heimat. Du kommst aus Schottland, das hört man dir beim Sprechen aber gar nicht an.

Chai: Ja, ich komme usrprünglich aus Edinburgh, aber ich bin mit 4 Jahren nach Deutschland gekommen. Ich habe also hier in Deutschland „Ruhrpottdeutsch“ gelernt und Englisch wurde mir dann erst in der Schule beigebracht. Aber ich fahre immer wieder gerne zurück nach Schottland. Edinburgh ist einfach die geilste Stadt der Welt.

Pamela: Das klingt fast so, als ob du dir durchaus vorstellen könntest irgendwann wieder ganz nach Schottland zu gehen.

Chai: Ja, absolut. Ich weiss das klingt jetzt hart, aber ich finde Deutschland in vielerlei Hinsicht einfach schrecklich. Das heisst jetzt natürlich nicht, dass ich hier alles hassen würde. In allererster Linie meine ich damit die hier vorherrschende politische Situation und die soziale Lage Deutschlands. Beides ist in meinen Augen eine absolute Katastrophe. Den Leuten wird hier durch das ganze Sozialsystem beigebracht, dass es in Ordnung ist nicht auf eigenen Beinen zu stehen und man wird permanent unterstützt Nichts zu machen. Sowas gibt es in anderen Ländern einfach nicht. Es ist dann natürlich auch mal härter, wenn es in die Binsen geht. aber du hast doch immer wieder eine Chance nochmal von vorne anzufangen und wieder hoch zu kommen. Wenn man aber in Deutschland mit 50 arbeitslos wird, hat man ein echtes Problem.

Die politische Lage, dann aber auch wieder die gesellschaftliche Lage und die Mentalität der Deutschen, das kommt halt alles irgendwie negativ für mich zusammen. Alleine der Untschied, wenn man in Amerika auf die Strasse geht und lächelt spontan irgendwen an, ganz egal od du die Person kennst, oder nicht. Ich garantiere dir du bekommst ein Lächeln zurück. Ich weiss nicht wieso es so ist, aber die Menschen dort haben einfach eine freundliche Grundhaltung. In Deutschland gucken die Leute weg oder grummeln dich im schlimmsten Fall sogar noch an. Ich habe schon oft genug mitgekriegt wie Menschen auf der Strass kollabiert sind und alle Leute laufen dran vorbei. Sagen das war doch nur ein Penner, der ist doch selber Schuld. Das kann ich einfach nicht nachvollziehen und deswegen sehe ich hier für mich auf Dauer einfach keine Zukunft. Und für Deutschland selbst ehrlich gesagt eigentlich auch nicht.

Verdammt, jetzt habe ich wohl unsere Chancen Deutschland beim Eurovision Song Contest vertreten zu dürfen endgültig zu nichte gemacht.(lacht)

Pamela: Jetzt wollen wir den Fans aber mal keine Angst machen. Wenn wir hier übers Auswandern sprechen, dann sind das doch Pläne die eher eine fernere Zukunft betreffen?

Chai: Also eines steht ja mal fest, auch wenn ich in naher Zukunft auswandern sollte, würde das definitiv nicht bedeuten, dass Jesus on Extasy nicht mehr existieren würde. Das ist ja totaler Quatsch. Jesus on Extasy ist mein Leben!

Pamela:Eigentlich hatte ich dich ja noch fragen wollen, was für dich den besonderen Charme des Ruhrgebiets ausmacht. Aber da habe ich jetzt nicht mehr so viel Hoffnung auf eine besonders positive Antwort.

Chai: Nein, so schlimm ist es jetzt selbstverständlich auch wieder nicht. Ich kann dir natürlich auch Dinge nennen, warum ich jetzt speziell das Ruhrgebiet noch schön finde. Mal abgesehen von den Menschen (lacht). Das war natürlich ein Spass, es gibt hier wirklich viele Menschen, die ich sehr gerne mag. Ich muss wohl nochmal klarstellen, ich bin jetzt kein Eremit, der grundsätzlich Alles und Jeden schlecht findet. Auf gar keinen Fall!

Was ich richtig gut finde, ist dass sich hier alles sozusagen „auf einem Haufen“ befindet. Hier gibt es zehn Städte, die zusammen quasi eine grosse Stadt bilden und man kann hier immer irgendetwas unternehmen. Dann finde ich die alten Industrielandschaften richtig cool. Schön ist auch, dass man von hier aus Ruck Zuck am Meer ist. Und auch Essen z.B. hat sehr schöne Ecken. Ich habe mal in einem Stadtteil von Essen gewohnt, da ist man mal ebend um die Ecke gegangen und schon stand man mitten in einem herrlichen Wald.
Der Ruhrpott hat also durchaus auch schöne Seiten zu bieten.

Pamela: In diesem Jahr habt ihr in Leipzig auf dem WGT gespielt. War das ein besonderes Ereignis für euch, oder ist auf dem WGT zu spielen schlussendlich doch dasselbe Gefühl, wie jedes andere Konzert auch?

Chai: Dasselbe ist es definitiv nicht. Allerdings ist sowieso kein Konzert wie das andere. Auf dem WGT zu spielen ist natürlich schon etwas besonderes. Letztes Jahr waren wir auch schon auf dem WGT, allerdings nur zur Autogrammstunde und für ein DJ-Set. Da durften wir leider nicht spielen, weil wir auf dem Woodstage gespielt hatten und das ist sich Organisatorisch irgendwie in die Quere gekommen. Dafür haben wir dann ja dieses Jahr unseren Einstand in Leipzig gehabt und der war einfach richtig, richtig geil. Die Leute haben gefeiert, es war ne schöne Location, was will man mehr.

Pamela: Ihr wart schon mit vielen Künstlern auf Tour. Mit welchem Künstler würdet ihr persönlich mal gerne auf Tour gehen, oder vielleicht auch einen gemeinsamen Song aufnehmen?

Chai: Definitiv mit Nine Inch Nails. Wir sind unglaubliche Fans der Band. Naja, die beiden Mädels jetzt vielleicht nicht so, aber Dorian und BJ auf alle Fälle auch. Aber diese Band ist auch einfach zu genial. Dieser Typ kann der Plattenindustrie ein Stück weit den Finger zeigen und rockt einfach weiter. Und die Musik ist natürlich auch der Hammer. Also mit NIN würde ich schon gerne mal gemeinsam auf Tour gehen, auch wenn das vermutlich unglaublich anstrengend würde. Und irgend eine Band, die näher liegender ist? Keine Ahnung, da lasse ich mich einfach überraschen. Jetzt gehen wir erstmal mit Eisbrecher auf Tour, das wird bestimmt auch lustig.

Pamela: Zum Schluss dann noch ein kurzer Blick in die Zukunft. Wie sehen eure Pläne für die nächste Zeit aus? Und gibt es schon Ideen für ein drittes Album?

Chai: Ja, Pläne für ein neues Album gibt es in der Tat. Genaugenommen sind wir sogar schon dran am arbeiten. Allerdings werden wir uns diesmal doch ein bisschen mehr Zeit dafür lassen. Wir haben jetzt so grob angedacht, die Veröffentlichung für den Herbst nächsten Jahres anzusetzen. Das ist jetzt allerdings noch nichts offzielles und kann sich durchaus noch ändern. Wir wollen es jedenfalls langsamer angehen lassen. Jetzt haben wir erstmal die Hürde des zweiten Albums geschafft, wollen in diesem Jahr noch so viele Konzerte wie möglich spielen und gucken dass wir noch ein bisschen weiter aus Deutschland rauskommen. Unser grosses Ziel diesbezüglich ist gerade Japan. Da wurde jetzt gerade unsere CD veröffentlicht und es wäre schön dort auch auf Tour zu gehen.

Pamela: Ich bedanke mich nochmal herzlichst für dieses Interview. Die letzten Wort gehören Dir.

Chai: Super, da waren ja gar keine bösen Fragen dabei (lacht).Vielen Dank auch und Rock ´n Roll!

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Pamela Stahl
Pamela Stahl ist ehemalige Mitarbeiterin von Mindbreed.