Rund 23.000 Besucher folgten dem Ruf zum zehnten M´era Luna Festival, das in diesem Jahr mit einem hochkarätigen Lineup nach Hildesheim lockte.
Nightwish und The Prodigy, so lauteten die Headliner des Wochenendes, an dem sich das Festival mit vielen neuen Ideen und einem überraschend trockenen
und warmen Klima präsentierte.

Am Samstag Morgen gegen 9 Uhr gings nach wenig Schlaf und hektischem Gerenne zum Baumarkt, um einen neuen Campinggasstrahler zu kaufen, nachdem ich den alten schlauerweise zerbombt hatte, endlich mit unserem Festivalfotografen nach Hildesheim zu meinem ersten „M´era Luna“ seit 3 Jahren.
Bei überraschenderweise recht angenehmem Wetter und auch nicht zuviel Stau kamen wir nach ca. 1 1/2 Stunden am legendären Flugplatz Drispenstedt an, holten unsere Pressebändchen und während die anderen erstmal zum Hotel fuhren, machte ich mich auf die Suche nach einem lauschigen Plätzchen für mein Zelt.

Aufbauen ist garnicht mal so einfach, wenn man das Teil lang nicht mehr genutzt hat, ging letztendlich aber doch und nachdem ich aus meinem Privatvorrat schonmal zur Erheiterung zwei Bierchen geschlürft hatte, schlenderte ich aufs Festivalgelände, um die ersten Bands des Wochenendes zu begutachten.
Leider war ich im Zeitplan ein wenig daneben, so dass ich schon die Kult-Band „No More“ verpasst hatte, und mir ihren größten Hit „Suicide Commando“ nur noch von weitem anhören konnte, und auch die Mittelalter-Ritter-Industrial-Show von „Heimataerde“, die im Hangar sicher elend in ihren Rüstungen schwitzten, an mir vorbeiging.

Dafür gings dann aber gleich mit „Faderhead“ weiter, der ja kurzfristig für „Die Form“ eingesprungen war, was bestimmt für die Planung nicht einfach war, da diese ursprünglich als Headliner für die samstägliche Hangarstage geplant war, und nicht am frühen Vormittag.

Hamburger Schule kennt man ja eigentlich anders, aber Sami aka „Faderhead“ rockt die Crowd eben auf seine Weise. Auf seinem mittlerweile dritten Album zeigt er, dass er in jeder Hinsicht innovativ und experimentierfreudig ist, und die Mischung aus alten und neuen Tracks hat bisher noch jeden Electro-Fan zum Zappeln gebracht.

Natürlich dürfen auch die „Dirtygirrrls/Dirtybois“ nicht fehlen, und nachdem ich bei „Tanz Zwo Drei Vier“ endlich checke, dass oben an den Keys wirklich die Jungs von „SAM“ stehen, bin ich froh, dass es auch bei Ihnen endlich wieder mal vorwärts geht.

 

Oomph! sind für mich ein zweischneidiges Schwert, auf der einen Seite bin ich der letzte, der einer früheren Underground-Band ihren Erfolg nicht gönnt, auf der anderen Seite sollte man vielleicht auch immer mal daran denken, dass auch die ursprünglichen Fans auf ihre Kosten kommen. Deshalb bin ich immer wieder ein wenig enttäuscht, wenn ich auf einem „Oomph!“-Konzert nicht wenigstens mal „Der neue Gott“,“Gleichschritt“ oder „Mein Herz“ höre. Nichtsdestotrotz verstehen es die Wolfsburger Jungs Dero, Crap und Flux jedesmal, mich zu trösten und ein geiles Konzert abzuliefern, auch wenns noch am hellichten Tag ist.
Denn: „Beim ersten Mal tut´s immer weh“, wenn man „Mitten ins Herz“ „Gekreuzigt“ wird, aber wenn man beim „Sex“ mit seinem „Schatz“ immer die „Augen auf“-behält, dann weiss man „Gott ist ein Popstar“, und kein „Sandmann“.

Man verzeihe mir diesen extremen Ausbruch an dilettantischer Poesie, aber besser gings wirklich nicht.

Dero wechselte auch noch spontan seine Hautfarbe, erklärte sich zu Barack Obama, beschämte Deutschland mit der Tatsache, dass über 800.000 Kinder unter Kinderarmut zu leiden hätten, versprach aber auch, dass wir das ändern können. „Yes, we can!“ Die Crowd war ähnlicher Ansicht und so feierten zu doch recht früher Stunde schon etliche tausend ausgelassen vor der Mainstage.

 

Nachtmahr – laut Wikipedia: „Ein Albtraum oder Alptraum, ein Traum, der von Emotionen wie Angst und Panik beim Träumenden begleitet wird. Der Traum kann dabei bedrohliche, aber durchaus auch banale Situationen enthalten.“

 

Von „banal“ kann beim Projekt vom österreichischen „L´Ame Immortelle“-Gründer Thomas Rainer aber absolut nicht die Rede sein, denn bei „Nachtmahr“ kann er seine harten Gelüste, die auch schon bei „Siechtum“ zum Tragen kamen, wieder voll und ganz ausleben.

Mit Hit-Tracks wie „Boom Boom Boom!“, „Feuer frei“ und dem „Tanzdiktator“ beweist er einmal mehr, dass aus unserm Nachbarland auch viel Gutes kommen kann.

 

Blutengel – Die Einen verteufeln ihn als den „Dieter Bohlen“ der Dark-Szene, die Anderen vergöttern ihn, egal, ob er mit „Terminal Choice“, „Seelenkrank“, „Miss Construction“, „Pain of Progress“, „Tumor“ oder eben „Blutengel“ in den Charts ist. Die Rede ist natürlich von Chris Pohl.

 

Der Tausendsassa der dunklen Gemeinde war wieder im eleganten Zwirn voll in seinem Element, umgab sich wie immer nur mit den hübschesten und heissesten Tänzerinnen und natürlich durften auch seine Vocal-Ladies Constance und Ulrike nicht fehlen.

Stücke wie „The Only One“, „Engelsblut“, „Dreh dich nicht um“ oder „Solitary Angel“ durften in der Setlist ebensowenig fehlen wie „Bloody Pleasures“, und eine einfallsreiche Bühnenshow rundete das Ganze ab, so dass Fans wie Nichtfans ihren Spaß an diesem Konzert hatten.

„Blutengel“ ist somit immer wieder ein Erlebnis.

 

 

Welle Erdball – Hachja, 1993, mein erstes Auto, ein Trabant 601 S, Baujahr April 1975, in Papyrus mit grünem Kühlergrill und „Mayday“-Logo auf der Motorhaube, erstanden für ne Schachtel F6.

 

Wenn ich die Bühnendeko von „WE“ sehe, werde ich immer so nostalgisch, dass ich mir manchmal doch die eine oder andere Ostalgie-Träne verdrücken muss.
Meistens bleibt dafür aber gar keine Zeit, ausserdem fiel es auch garnicht weiter auf, denn im Hangar war es so gerappelt voll und dementsprechend bullig warm, dass mir eh der Schweiss in Strömen floß.

A.L.F., Honey, Plastique und Frl. Venus, wie immer in ihren typischen schwarzen Klamotten und puppenhaft geschminkt, haben durch ihre jahrelange Erfahrung in zahlreichen Konzerten keinerlei Probleme, ihre Hörerschaft genau einzuschätzen und auf den Punkt genau die richtige Kost vorzusetzen. Und um den Ganzen den passenden Rahmen zu geben, lassen sie sich immer wieder passende Gimmicks für ihre Fans einfallen, werfen beispielsweise riesige Luftballons oder Papierflieger in die Menge, oder ändern spontan ihre Texte, passend zum Auftrittsort.

Auch in Hildesheim, eigentlich schon zum Inventar des „M´era Luna“ gehörend, zeigen sie wieder, was ihre Fans an ihnen haben. Mit „Arbeit adelt“, „Monoton und Minimal“, „Schweben, Fliegen, Fallen“, „Starfighter F104 G“, „Wir sind die Maschinen“ und vielem mehr aus fast 20 Jahren Bandgeschichte knallten sie den ohnehin schon erhöhten Blutdruck des geneigten Publikums bis zur Schmerzgrenze, so dass der Hangar am Kochen war.

„Welle Erdball“ – Schon tausendmal gesehen, aber immer wieder eine grandiose Erinnerung.

 

 

 

Peter Heppner – Ob Tranceproducer „Schiller“ oder Techno-DJ „Paul van Dyk“, ob „Mila Mar“, „Goethes Erben“, „The Fair Sex“ oder „Umbra et Imago“, egal welche Band oder welcher Künstler mit Peter Heppner zusammenarbeitet, alle können eigentlich nur profitieren, denn wenn dieser begnadete Sänger seine Stimme einbringt, haucht er ihren Liedern völlig neues Leben ein.

Schon mit „Wolfsheim“ hat er etliche Szenehits geschaffen, die er glücklicherweise auch mit seiner sehr guten Band solo zum Besten gibt.

Dieser Abend in Hildesheim war ein Medley seiner schönsten Stücke, zusammengesetzt aus vielen uns allen wohlbekannten Hits, aus „Kein Weg zurück“, „Wir sind wir“, „Dream of you“, „Vorbei“, den „Wolfsheim“-Klassikern „Künstliche Welten“, „Once in a lifetime“ und „The Sparrows and the nightingales“, um nur einige zu nennen.

Auch wenn er die Eigenart hat, seine Texte zum größten Teil ruhig am Mikro stehend aus seinem Textbuch abzulesen, was sich bei Wind manchmal etwas schwierig gestaltet, tut es seinem Gesang keinen Abbruch, und um ganz ehrlich zu sein, hab ich ihn bisher noch nie mit soviel Spielfreude und gelegentlich sogar lächelnd auftreten sehen.

Wenn sich mir die Gelegenheit bietet, wieder mal eins seiner Konzerte zu sehen, werd ich sie sicher nutzen.

 

 

De/Vision – Auch wenn ich im Vorfeld gehört hatte, dass eigentlich „Die Form“ an diesem Abend Headliner im Hangar sein sollten, und „De/Vision“ nur aus der Not geboren, dass diese abgesagt hatten, zum Ersatz gekürt worden waren, war es mir, man verzeihe mir den Ausdruck, „wurscht“.

 

„De/Vision“ ist eine Band, die von vielen, und auch von mir, in einem Atemzug mit Synthie-Pop-Heroen wie „Camouflage“, „Alphaville“, „Elegant Machinery“ oder „New Order“ genannt wird.

Und ich darf sie endlich mal wieder pur, ohne die manchmal sehr lästige Gitarre, hören. Endlich wieder mal meine Alltime-Faves „Your hands on my skin“, „Strange Affection“, „What it feels like“ oder „I regret“ zu hören, und noch viel mehr aus 20 Jahren Live-Geschichte, nach jahrelanger Abstinenz, ist ein wunderbares Gefühl. Steffen hat immer noch die gleichen geilen Dave Gahan-Style-ähnlichen Dancemoves drauf, immer noch die gleiche geile Stimme und auch Thomas hat seine Keys immer noch voll im Griff.

Und wenn es bedeutet, alt zu sein, weil ich „Try to forget“ kenne, liebe und auswendig singen kann, na dann bin ich eben ein alter Sack, aber zumindest einer mit gutem Musikgeschmack! Ein Riesen-Dankeschön an FKP Skorpio für diesen „Not“-Headliner!

 

 

Während auf dem Infield die Bands ihr musikalisches Werk verrichteten ging es auf dem restlichen Festivalgelände hoch her. Neben der Modenshow, die zu verschiedenen Zeiten zahlreiche Besucher in den Disko-Hangar lockte, war auch in diesem Jahr der Mittelaltermarkt mit von der Partie. Neben allerlei Ständen für das leibliche Wohl konnte man auch in diesem Jahr verschiedenes Handwerk bestaunen, Gewandungen erstehen oder Wasserpfeife rauchen.

 

Im Kontrast zu dem eher hektischen und Lauten Treiben im Infield ein willkommener Ruhepol auf dem Festivalgelände, der auch in den kommenden Jahren hoffentlich weiter zum festen Programm gehören wird.

Sonntag morgen, gegen neun. Ich hatte die Hangar-Party gegen drei Uhr verlassen, nachdem der DJ nach einigen doch recht netten Tracks, nur noch mit dem üblichen Kommerzgedöns weitermachte, dass man aus jeder x-beliebigen Disco kennt. Etwas mehr Mut zu Neuem wäre wünschenswert, aber das liegt sicherlich immer im Ermessen des jeweiligen DJs.

Zum Glück hatte ich auch eine recht ruhige Ecke auf dem Zeltplatz gefunden, wo die unvermeidlichen „Helga“-Rufe nicht so ankamen.

 

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