Oomph! haben sich in ihren gut 15 Jahren Musikgeschichte zu einem festen und nicht mehr weg zu denkenden Bestandteil der deutschen Musikszene entwickelt.
Am 4. August erschien nun die dritte Singleauskopplung „Die Schlinge“ von ihrem aktuellen Erfolgsalbum „Glaube, Liebe, Tod“ in den Plattenläden.
Im Interview mit Mindbreed.de sprach der charismatische Sänger Dero über die Dreharbeiten zum Video, freundliche Finnen und religiöse Verwirrungen in Europa.

Pamela: Mit dem Videoclip zu eurer aktuellen Single „Die Schlinge“ habt ihr einem kleinen Western-Epos das Leben geschenkt. Habt ihr mit der Umsetzung der Western-Thematik einen lang gehegten Kindheitstraum verwirklicht, oder wie wurde diese Idee geboren?

Dero: Es bot sich natürlich an, den Track, der ja das Thema des Italo-Western-Klassikers „Spiel mir das Lied vom Tod“ behandelt, auch in irgendeiner westerähnlichen Umgebung stattfinden zu lassen. Allerdings wollten wir keinen typischen Western-Kitsch mit Duellen und so, sondern eine Story, die eigentlich zu jeder Zeit hätte stattfinden können.

Darüberhinaus sollte das Ganze einen mystischen Touch haben. Ken Duken hat den Song mal wieder, wie auch bei „Das letzte Streichholz“, perfekt filmisch in Szene gesetzt. Ich denke, wir haben ein weiteres mal ein kleines Kunstwerk geschaffen, das in der Musikvideowelt seines Gleichen sucht.

Pamela: Wie seid ihr auf die Band Apocalyptica als Ergänzung bei „Die Schlinge“ gekommen?

Dero: Wir kennen uns schon seit Längerem durch diverse Festivals, auf denen wir und auch sie spielten und durch den Labelwechsel zu Gun bot es sich einfach an, diese Single durch die genialen Celliarrangements von Apocalyptica zu perfektionieren. Wir schätzen die Arbeit der finnischen Haudegen sehr und haben uns sehr gefreut, als sie zusagten.

Pamela: Wie war die Zusammenarbeit mit den Finnen bei den Musikaufnahmen und dem Videodreh?

Dero: Die Jungs sind zum Glück überaus freundlich und entspannt, was bei einem Nachtdreh bei 0 Grad Celsius in der Nähe von Prag natürlich eindeutig von Nutzen ist. Wir verstehen uns wirklich sehr gut und respektieren die Musik des Anderen.

Pamela: Wie war der Videodreh ganz allgemein? Gibt es vielleicht eine lustige Anekdote, die ihr unseren Lesern verraten könntet?

Dero: Wir wurden bei lebendigem Leibe gehängt. Das war wirklich beängstigend. Wir bekamen ein Stützkorsett um Oberkörper und Hals und wurden dann richtig mit Schlinge um den Hals an den Galgen gehängt. Der Ruck beim Aufprall tat höllisch weh… ich bin wirklich froh, nicht zur Westernzeit gelebt zu haben… (lacht)

Pamela: Eure Videoclips sind ja wirklich immer sehr aufwendig und mit viel Liebe zum Detail produziert. Könntet ihr euch vorstellen etwas mehr in dieser Richtung zu arbeiten? Eventuell gar eine Karriere im Schauspielbereich anzustreben?

Dero: Warum nicht? Dieses Handwerk ist überaus spannend und es wird dir extrem viel Kreativität abverlangt. Wir haben bei unseren Clipdrehs immer einen Höllenspass. Ich könnte mir durchaus vorstellen, mal in einem kompletten Film mitzuwirken.

Pamela: Apocalyptica sind für euch nach L´Ame Immortelle die zweite Zusammenarbeit mit Künstlern der Gothic-Szene in der jüngeren Vergangenheit. Habt ihr noch einen Wunschpartner für künftige Projekte oder soll es das vorerst gewesen sein mit Gastmusikern?

Dero: Nun, sowas kann man nicht übers Knie brechen, das muss sich natürlich ergeben. Genauso wie mit Nina Hagen damals bei „Fieber“ hatte sich eine ganz eigene Spannung und Dynamik aufgebaut, die sich gegenseitig befruchtet hat… und so soll es auch sein! Ich könnte nicht mit jemandem zusammenarbeiten, den ich menschlich und künstlerisch nicht ausstehen kann oder zu dem ich keinen Draht bekomme.

Pamela: Ursprünglich wolltet ihr eure aktuelle Single „Die Schlinge“ ja nach dem Western-Klassiker „Spiel mir das Lied zum Tod“ benennen. Das wurde euch jedoch urheberrechtlich untersagt.

Ärgert ihr euch über diese Steine, die euch in den Weg gelegt werden, oder kann euch nach dem „Gott ist ein Popstar“-Skandal so schnell nicht mehr aufregen?

Dero: Nun, ich kann da Herrn Morricone schon verstehen, dass er nur seinen eigenen Song mit diesem Titel in Verbindung gebracht haben möchte. Wir hatten diesen Arbeitstitel gewählt und uns nichts Schlimmes dabei gedacht. Dass wir ihn nun nach einigem jurisitischen Hickhack in „Die Schlinge“ umbenennen mussten, finde ich überhaupt nicht schlimm.

Viel wichtiger ist, dass Ennio Morricone den Song überhaupt für uns freigegeben hat, nachdem er ihn gehört und für würdig befundet hat. Es ist eine grosse Ehre für uns diesen Klassiker vertont, verändert und mit einem Text versehen zu haben.

Und das Ganze mit dem Segen des Genies selbst!

Pamela: Nachdem jetzt bereits „Gott ist ein Popstar“ gefallen ist, kommt ihr auch in diesem Interview leider nicht an der obligatorischen Frage vorbei, inwieweit die Blasphemiewelle nun endlich abgeflacht ist, oder ob es da doch noch ab und an Kritik hagelt.

(Ich vermute mal dies ist mittlerweile die Top 1 Frage, die man Oomph! auf keinen Fall mehr stellen sollte, aber es interessiert mich trotzdem.)

Dero: Nun, wie du hier auch selber siehst, wird man immer wieder darauf angesprochen. Wir haben natürlich damit gerechnet, mit diesem Song anzuecken, aber dass die ganze Aktion in einem puritanischen Boykottfeldzug gegen uns ausufert, hätte ich nie im Leben gedacht, denn ich wähnte Europa und Deutschland immer weit weg von den religiösen Verwirrungen Amerikas und relativ tolerant.

Wir scheinen uns aber leider auch auf dem religiösen Gebiet Amerika immer stärker anzunähern…

Pamela: Empfindet ihr es nicht in gewisser Art als Diskreminierung wenn euer Lied als blasphemisch betitelt und mit einem Ausstrahlungsverbot belegt wird, während sich beispielsweise Madonna in ihrer Bühnenshow als Christus ans Kreuz schlagen läßt und dies nur als Unterhaltung gewertet wird?

Es scheint da offenbar einen Unterschied zu geben, ob die Handlung von einer Band aus der „bösen Gruftieszene“, oder von einem „Superstar“ begangen wird.

Dero: Ich denke auch, dass dunkle, provokative Musik immer noch mit dem vermeintlichen Makel des Subversiven belegt ist, hingegen Popmusik nie als verdächtig eingestuft wird. Ich sehe das Ganze allerdings eher als eine Auszeichnung. Wir polarisieren halt noch wirklich und wissen die Massen zu spalten. Ich finde, dass Kunst diesen Auftrag haben sollte.

Pamela: Wie empfindet ihr generell die Zensur vornehmlich der MTV-Sendergruppe, die augenscheinlich die puritanischen Maßstäbe der US-Medien anwendet.

Soll heißen Pistolen, Gewaltverherrlichung und (halb)nackte Models sind ok, aber Kritik an der Kirche ist tabu?

Dero: Nun, ich sagte ja bereits zuvor, dass mich die Puritanisierung Europas erschreckt. Anscheinend weiss man von Seiten christlich reaktionärer Kreise kein besseres Mittel gegen die Fundamentalisierung des Islam als sich selber zu radikalisieren. Ich fürchte, wir sind auf dem besten Wege zurück ins Mittelalter zu taumeln…

Pamela: Um nochmal zu eurer aktuellen Single zurück zu kommen:

„Die Schlinge“ ist in zwei Versionen im Handel erhältlich. Auf der 2 Track Single findet man eine internationale, sprich englische Version von „Gott ist ein Popstar“. Da stellt sich die Frage wie es mit euren Plänen aussieht im Ausland Fuss zu fassen?

Dero: Wir haben in vielen europäischen Ländern veröffentlicht und auch in Japan kann man jetzt die Gun-Releases kaufen. Osteuropa, das Baltikum und auch Russland scheinen auf unsere Sachen ebenfalls abzufahren. Ich freue mich schon sehr darauf, demnächst durch diese Länder zu touren, denn wir hatten bereits im Sommer das Vergnügen, einige Festivals in diesen Ländern zu spielen.

Die Resonanz war überwältigend!

Pamela: Könntest du dir vorstellen in einer anderen Sprache zu singen (als deutsch, oder englisch), um das ausländische Publikum noch besser zu erreichen?

Dero: Ich denke, man kann sich am tiefsten und emotionalsten in seiner eigenen, also der Muttersprache ausdrücken, da man ja seine Erfahrungen in dieser Sprache gelebt hat.

Ich spreche lediglich Englisch annähernd perfekt, so dass ich mir bislang nicht zutraute, in französisch zu singen, welches ich auch ein bisschen spreche. Aber was nicht ist, kann ja noch werden…(lacht).

Pamela: Auf der limitierten 5-Track-EP gibt es zusätzlich noch zwei Coverversionen von den NDW-Klassikern „Zauberstab“ und „Polizisten“. Eure Version von „Zauberstab“ wurde sogar von der Originalinterpretin des Liedes Zsa Zsa mit dem höchsten Lob geadelt, dass dies die beste Version des Songs sei, die sie kenne.

Warum habt ihr genau diese beiden Lieder ausgesucht?

Dero: Nun, wir haben uns ja auch schon zur letzten Scheibe an einige NDW-Klassiker gewagt (Eisbär und Eiszeit). Und auch diesmal standen einige Songs zur Debatte… und so schafften es letztendlich „Der Präsident ist tot“ und „Polizisten“ von Extrabreit bzw. „Zauberstab“ von Zsa Zsa auf die letzten beiden Maxis.

Ich finde dies eine spannende Abwechselung zu den Eigenkompositionen, denn man will sich ja schliesslich auch nach 17 jahren OOMPH! das Bandleben noch reizvoll gestalten (lacht).

Pamela: Wie würdet ihr es empfinden, wenn irgendwann Künstler eure Songs covern würden? Ist das Lob und Anerkennung der eigenen Arbeit, oder hat man dann eher das Gefühl sein „Kind“ zu verkaufen?

Dero: Ich hätte da absolut nichts dagegen. Ich finde nur, dass sich eine Coverversion deutlich vom Original unterscheiden sollte…

Pamela: Am 4. August, pünktlich zur VÖ der aktuellen Single gab es auf eurer Homepage die Möglichkeit mit euch in einem Chat über die Single zu sprechen. Die Kommunikation mit euren Fans scheint euch wirklich sehr wichtig zu sein. Wie war das Feedback der Fans?

Dero: Wir legen nach wie vor sehr grossen Wert auf die Fanbetreuung bzw. den Fankontakt. Ich denke, das beweisen nicht zuletzt die OOMPH!days und OOMPH!weeks, auf denen wir regelmässig unsere Fans treffen und unsere Präsenz auf unserer Homepage ww.oomph.de. Das findet auch grossen Beifall unter unseren Anhängern.

Pamela: Wie sehen eure Pläne für die nahe und die ferne Zukunft aus?

Dero: Eine Europatour, Gun-Best-Of mit exclusiven Tracks und DVD-Release…..

Pamela: Ich bedanke mich ganz herzlich für dieses Interview und wünsche dir/euch alles Gute für die Zukunft!

Dero: Vielen Dank und liebe Grüsse!

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Pamela Stahl
Pamela Stahl ist ehemalige Mitarbeiterin von Mindbreed.