Carsten Klatte, dessen zweites Album „Who killed Barbie?“ am 28.07.06 erscheint, stand Rede und Antwort und gibt einen Blick hinter die Kulissen seines neuen Albums.
Eniz: Hi, danke für die Zeit, die Du dir genommen hast. Dein zweites Solo-Album „Who Killed Barbie?“ erscheint nun am 28.07.2006. Ein Jahr ist es her, seit dein Debüt „Lonestar“ erschienen ist. Was hat sich in der Zeit so getan?
L.Cid: Hi. Ich würde sagen es ist größtenteils das passiert, was immer passiert: Nichts.
Ich habe insofern interessante Erfahrungen gemacht, als daß ich gemerkt habe, was für ein „heißes“ Eisen Lacasa del Cid zu sein scheint, da sich innerhalb eines Jahres keine einzige Booking Agency an das Thema ran getraut hat, und glaube mir, ich habe wirklich an sehr vielen Türen angeklopft, von „Szeneleuten“ bis hin zu ganz anderen Agenturen aus ganz anderen Richtungen.
Das hat mich eigentlich nur bestätigt in der Ansicht, daß hier kulturpolitisch mal was passieren muß in unserer „Musiklandschaft“, da eigentlich alle, mit denen ich gesprochen hatte, keine Einwände hatten, was die Musik angeht, sondern kalte Füsse bekamen, bei dem „Risiko“ das so eine individuelle Geschichte eben in sich trägt.
Bezüglich solcher „Zögerlichkeiten“ der Leute hatte ich damals, anno 2000, mal ne Unterhaltung mit Markus Reinhardt von Wolfsheim, als wir gerade an der Care Company CD schraubten. Er sagte damals, daß das bei Wolfsheim so war, daß alle die, die vorher gesagt hatten: „Na, ob sich das wohl durchsetzt..?“ im Nachhinein meinten: „Ich hab das ja damals schon geil gefunden.“…
Ich meine, was soll man auch erwarten, die Materie ist träge, aber am Ende des Tages folgt sie dem Geist.
Als Künstler steht man drüber.
Eniz: Wenn man deine Musik so anhört, würde man nie im Leben auf die Idee kommen, dass du Wolfsheim, Girls under Glass und Project Pitchfork, nur um einige zu nennen, musikalisch unterstützt. Wie kam es, dass Du dich speziell auf das von dir bezeichnetet „Neo Western“ konzentriert hast?
L.Cid: Die erste Lacasa del Cid CD war 1999 die „Soul Eclipse“, welche leider keinen Vertrieb hatte und deshalb nur auf den Live Shows erhältlich war und auch schon vor 99, genauer gesagt 89, 10 Jahre früher hatte ich schon das Konzept von akustischer „folkiger“ Indie-Musik entwickelt.
Da sich irgendwann eine Menge Musik in meinem Leben befunden hatte, blieb L.Cid lange den Augen der größeren Öffentlichkeit verborgen, da die Stücke hauptsächlich da gespielt wurden, wo sie entstanden waren, auf der Straße, welche mir immer, auch bei allen Gastspielen in anderen Bands und auf anderen Bühnen, die „Zweites Standbein Bühne“ blieb, da dort die Musik, wie ich sie persönlich verstehe, zu Hause ist.
Eigentlich ist das Werden von L.Cid die typische Geschichte eines guten Whiskeys, der eben erst mal ein, zwei Jahrzehnte im Eichenfass reift und dann sein Bouquet entwickelt.
Eniz: Das unterscheidet sich ja nun sehr intensiv, was Du als Studio/Support Musiker gemacht hast. Hat man das dann irgendwann genug und will dann komplett etwas Neues machen?
L.Cid: Nee, über hat man sein Leben oder seinen Nachbarn, aber nicht die Musik.
Ich empfinde mich da als Pluralist. Schon bei der Care Company, wo ich in Interviews „fast“ schon beschimpft wurde, „wie ich als (damals) Cassandra Complex Mitarbeiter so eine Popscheiße machen könne“, habe ich gesagt, daß es so viele Lebenslagen gibt, daß es doch für jeden Moment einen anderen Song gibt, also kann das ganz schön variieren.
Auf der anderen Seite sind die Bands mit denen ich arbeite ja auch alle sehr eigenständig, woraus sich dann ja auch die Art der Zusammenarbeit ergab, bei der ich mich in allen Belangen auch selbst verwirklicht habe, ohne auf den „Dienstleistermodus“ abzurutschen.
Abgesehen davon ist es selbst, oder gerade auch bei meiner eigenen Sache so, daß ich mich da keinen Limitierungen aussetze, erinnere ich mich noch an diverse Performances, unter anderem im Vorprogramm von Erblast und Artwork, in denen zu Metalgitarren derbe berlinert wurde und am Ende der Show so einige aus dem Publikum mit Osama Bin Laden Masken auf der Bühne standen. Wer dabei war, wird sich erinnern… war eine wirre Sache, eher schon Industrial…
Eniz: Im zweiten Album hast Du die Remixe rausgenommen. RoterSand z.B. wirkten letztens noch mit, auf „Who Killed Barbie?“ nun gar nicht. Absicht oder gar der Versuch sich abzulösen oder gar nicht erst in diese Schiene der Elektro-Menschen einzulassen?
L.Cid: Auf der Barbie verfolgte ich eine Idee, die mir ein skandinavischer Filmemacher in den Kopf gesetzt hatte, nämlich Lars von Trier, der anno 1995 seine Filmgruppe „Dogma95“ ins Leben rief und mit ihr den künstlerischen (oder künstlichen) Begriff des „Katholizismus“ erhob in welchem nur noch pur gearbeitet wird, was unsere dänischen Jungs so umsetzten, daß sie mit Handy-Cams, ohne Drehbuch und (fast) ohne Schnitte geniale Filmkunst gemacht haben. Ich selbst, ein großer Fan der „Dogma95“ Gruppe fühlte mich inspiriert, Ansätze davon in die Musik umzusetzen, nahm hauptsächlich akustische Instrument, arbeitete ohne „Overdubs“ und ließ die „Editierung“ absolut links liegen, da das Song Material förmlich danach verlangte, so behandelt zu werden. Im Laufe der Entstehung wurde dann klar, daß Remixe die Sache verwässern würden und somit dann wegfielen.
Die Stärke des Albums liegt diesmal sehr in den Songs selbst, weshalb ich mich dann so entschied. Es war nicht von Anfang an so geplant, das mache ich eigentlich nie.
Abgesehen davon hatte ich vor der „Lonestar“ ein Jahr lang an einer CD gearbeitet, welche „M-orpheus“ heißt und im Gegensatz zu den anderen CDs, voll elektronisch ist.
Sie sollte eigentlich schon längst, als Gemeinschaftsprojekt mit Stephen Mace und Barbara Roca, welche eine Essaysammlung über Magie dazu geschrieben haben, herausgekommen sein, aber leider gibt es da immer noch Interferenzen mit dem Verlag von Roca und Mace.
Eniz: Dein Stil wird ja sehr oft mit dem von Nick Cave verglichen. Ich fand, Du hast sehr viel von Neil Young. Siehst Du das als Kompliment an, wenn Du so was liest oder sagt man sich dann eher: „Hm… wäre vielleicht doch besser, was völlig Neues zu machen“. Wobei man das Rad an sich ja auch nicht neu erfinden kann… Ist man in dieser Situation dann in einem Konflikt?
L.Cid: Als ich Jim Jarmuschs „The year of the horse“ gesehen hatte, welcher Neil Young and Crazy Horse während einer Tour filmt, musste ich heulen. 30 Jahre gemeinsamer Musik sind heutzutage ein verdammtes Privileg!
…und er verspielte sich noch immer, auf dem D-Dur Akkord, der Neil… und dieses Stehen im Kreis auf der Bühne, welcher Musiker kehrt schon seinem Publikum den Rücken, nur um Musik zu machen, ich dachte „die jammen da nicht, die ficken“, so tight war die Band…
Abgesehen von der Stimme, die ich manchmal etwas anstrengend finde, hat Neill Young. meine absolute Wertschätzung. Und das mit dem Rad erfinden sehe ich gar nicht so eng, war es doch schon vor einiger Zeit, eine nüchterne Erkenntnis, daß „Punk“ auch nur ein Remake von Rock and Roll war usw… (hör dir mal die alten Sachen von Eddy Cochran an…).
…und den Damen und Herren Kunsthistorikern fällt ja auch nichts anderes mehr ein, als post-postmoderne…
…in so einer Situation geht es dann eher um Existenzialismus im eigentlichen Sinne, also nicht Individuation, sondern Nahkampf, und da wählt man dann die Waffen aufgrund ihrer Funktion. Unter diesen Gesichtspunkten bin ich eben „auf den Blues“ gekommen. :)
Eniz: Ich fand deine Aussage, bzw. das Anprangern der Gegenwartskultur mit dem Töten von Barbie sehr interessant. Du sagtest, es „bedeutet den Tod der Ästhetik durch falsche Ästhetisierung“. Und da Barbie als DER Idealmensch gilt, macht das sehr viel Sinn. Aber wieso Hommage an den Abschied der Punk-Szene und dem Neubeginn der des Independent?
Für mich klingt das eher nach alten Ton, Steine, Scherben Attitüden, besonders, wenn man diese Aussage in Verbindung mit der Musik, die Du machst bringt, also der Liedermacherei.
L.Cid: Wow, ick gloob ick bin mir denn nun schon zu lange uffn Kreuzberg, wa?
Interessant, daß du das mit Reiser und seinen Hippies in Verbindung bringst, ist vielleicht auch was dran, wenn man die Anarchie bedenkt und den ganzen Scheiß, aber eigentlich wollte ich den alten Punkslogan „Who killed Bambi“ einfach mal aktualisieren, oder „updaten“, wie man heutzutage sagt.
Damals war die „Absage“ an die Unschuld auch eine Ansage an die persönliche Entscheidungsfreiheit und so verstehe ich auch meine Modifikation „Who killed Barbie“, wobei das erstmal nur für mich selber galt, während ich das Album eingespielt habe und deshalb den Titel auch so passend fand, weil er eigentlich alles umschreibt, was in diesem Zeitraum für mich relevant war.
Und bei aller kulturpolitischer Fahnenschreiberei ist ein „Album“ primär erstmal ja auch ein „Kunstwerk“, welches auch für seine Zeit steht, da es ja durch seinen Enstehungsprozeß mit ihr verbunden ist und bleibt.
Ob das andere Leute dann genauso sehen, oder verstehen ist sogar unwahrscheinlich, aber auch nicht so wichtig.
Eniz: Du sagtest, laut Presseinfo, das, was Du machst wäre „Oldschoolmäßig“. Interessieren sich die Leute eigentlich noch für Liedermacher? Insbesondere die Jugend? Gerade dann, wenn sehr viele Western-Akkustik-Elemente mit drin sind?
L.Cid: Definitiv ja.
Es war zum Beispiel ein absolut schönes Erlebnis auf dem diesjährigen WGT in der Moritzbastei ein „leises“ Konzert zu geben, nach einem ganzen Tag mit „Ballerbands“, so daß ich anfangs schon fast dachte, ich sei doch bekloppt, hier einen auf akustisch zu machen und noch nicht mal ein Drumset auf der Bühne zu haben, um dann zu sehen, wie sich die Leute der Musik hingaben und auch einige schon regelrecht gewartet hatten, das „Thema“ mal auf der Bühne zu sehen.
Sicher gingen bei einigen Gesichtern die Mundwinkel erstmal runter, als das erste „Bumm Chacka Bumm“ erklang, einige andere aber gingen regelrecht rauf und daß Musik auch polarisiert, empfinde ich eher als positiv.
Eniz: Und hast du eine gewisse Affinität zum Western-Genre?
L.Cid: Ich war mal vor Jahren mit den Erben in Mexico, da ging das glaub ich los mit der Liebe zum „Western-Genre“, kurz danach hatte ich „Son of a gun“ geschrieben, der dann auf der letzten L.Cid landete.
Bin auch ein Freund von Tarrantino/Rodrigez und so n Zeugs, aber eigentlicher Impuls für so viel „Bumm Chacka Bumm“ (was wirklich eine Bezeichnung für einen bestimmten Anschlag auf der Gitarre ist) in meiner Musik ist einfach ein genereller Hang zum Rock and Roll.
Eniz: Um noch mal auf Neil Young zu sprechen zu kommen: Der hat ja zum Jim Jarmusch Film „Dead Man“ beides, also diese verzerrten Independent Gitarren und die Westernatmosphäre sehr schön verbunden. War das 1995 herum eine Inspiration für Dich? Ich kann mir jetzt nicht vorstellen, dass Du den Soundtrack nicht kennst.
L.Cid: Wie gesagt, Neil Young war immer schon Inspiration, schon seit „Rust never sleeps“ und der Soundtrack, wie auch der Film, wie auch Johnny fucking Depp sind absolut genial. Allerdings kam ich erst ca 2000 dazu, den Film zu sehen. Ich liebe Jarmusch.
Jedoch ist Neil Young nie direkt eine Leitfigur gewesen, da ich Leitbilder in diesem Sinne für mich nicht beanspruche. Ich denke da eher atavistischer, eben in Genres oder, musikalisch ausgedrückt, in Klangfarben.
Eniz: Was im Vergleich zu „Lonestar“ auffällt: Streicherinstrumente stehen in manchen Songs im Vordergrund. War das eine bewusste Entscheidung oder hat sich das aus den Sessions ergeben?
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L.Cid: Es ergab sich dadurch, daß mein alter Freund und Kollege Friedrich Paravicini die Zeit fand, mich bei meinem Unternehmen zu unterstützen. Ich wollte eben ihn und nicht irgendeinen Cellisten auf dem Album, da bin ich zum Teil sehr eigensinnig und deshalb mußte ich quasi bis zur „Barbie“ auf ihn warten. Angedacht hatten wir das bei der „Lonestar“ auch schon, da er ja auch auf der „Soul Eclipse“, 1999, vertreten war, aber das wurde eben jetzt erst wieder möglich.
Eniz: Vermisst Du manchmal das Musizieren für die oben genannten Bands? Und könntest Du dir vorstellen, wieder als Zusatzmusiker für sie zu spielen? Oder geht deine Vorstellung klar in Richtung Solo?
L.Cid: Meine Solopfade gehe ich ja eh und bin ich ja eigentlich auch schon immer gegangen und bin diesbezüglich einfach froh, mehr Öffentlichkeit zu gewinnen.
Was meine Bands angeht, bin ich natürlich am Start, wenn sich da wieder was bewegt, das ist, zumindest in einigen Fällen, absolute Ehrensache.
Eniz: Bedauerten sie deine Abnabelung?
L.Cid: Von meiner Mutter?
Ich glaube eher, daß sie das begrüßen, weil sie sonst nichts von mir gehabt hätten
(Auch ich danke ihr an dieser Stelle mal ausgiebigst dafür).
Ansonsten kann da von Abnabelung keine Rede sein.
Eniz: Wie sieht das mit Dir und einer Live-Tour aus? Wird man da was hören und sehen in Naher Zukunft?
L.Cid: Nun, nach wie vor buche ich meine Shows immer noch allein und bin deshalb immer für Angebote offen…wobei sich da allerdings gerade auch was bewegt, mehr wird erstmal nicht verraten.
Neue Pläne sind auch schon in Arbeit… mal etwas anderes Tonkünstlerisches zu produzieren, vielleicht ein Hörspiel oder ähnliches… und das nächste Album wird auch gerade geschrieben, eben immer einen Fuß auf der Straße…
Eniz: Das sollte es auch schon gewesen sein. Ich wünsche Dir einen guten Start mit deinem neuen Album und hoffe, dass wird nicht die letzte Veröffentlichung gewesen sein.
Autor: Eniz