Nachdem wir uns vor dem Konzert im Duisburger Pulp am 06.04.2006 leider aufgrund organisatorischer Missverständnisse ersteinmal verpasst hatten, haben sich Hein, Nell, Lorentz und Vegard von Theatre of Tragedy nach ihrem Auftritt sehr viel Zeit genommen, um mir bei einem total verrückten und superlustigem Interview Rede und Antwort zu stehen.
Mein Fazit nach einer absolut gelungenen Konzertnacht: Theatre of Tragedy ist eine wirklich nette Band, ohne jegliche Starallüren, mit der man einfach unglaublich viel Spass haben kann.
Pamela: Ersteinmal Danke für ein großartiges Konzert, und auch Danke, dass ihr euch die Zeit für dieses Interview genommen habt.
Hein: Kein Problem. Aber sag mal, ist das deutsche Publikum immer so lahm wie hier in Duisburg?
Pamela: Hmm, kann schon sein, dass wir Deutschen von Natur aus eher ein bischen verhalten und steif sind. Ist das norwegische Publikum denn anders?
Hein: Aber auf jeden Fall.
Pamela: Wie ist eure Tour bisher verlaufen?
Hein: Die Tour ist bisher wirklich gut gelaufen. Ich denke viele Leute sind ganz besonders daran interessiert Theatre of Tragedy mit einer neuen Sängerin zu erleben. Viele Leute
sind auch neugierig auf den neuen Stil von uns. Für uns ist es in erster Linie eine Chance die Band mit einem neuen Line-Up, einer neuen Sängerin und vorallem einem neuen Album zu promoten. Viele Leute die zum Konzert kommen, wissen gar nicht genau was sie erwartet. Ich denke bei den Konzerten die wir bisher gespielt haben, ist es uns gelungen das Publikum davon zu überzeugen, dass Theatre of Tragedy noch immer eine Band ist, der man Aufmerksamkeit schenken sollte. Wir sind noch immer ein wichtiger Bestandteil der Szene.
Pamela: Mit eurem aktuellen Album „Storm“ habt ihr ja mal wieder einen eleganten Stilwechsel vollzogen. Habt ihr nun euren endgültigen Stil gefunden, oder dürfen die Fans auch weiterhin musikalische Überraschungen von euch erwarten?
Hein: Ich denke Theatre of Tragedy wird nie einen ganz bestimmten Stil für sich finden. Das Publikum das zu Theatre of Tragedy Konzerten kommt wird immer das Unerwartete erwarten müssen. Wir machen dies für uns selbst, weil wir Musik über alles lieben. Wir wollen jedesmal das bestmögliche Album produzieren. Aber ich denke das nächste Album wird nicht so eine drastische Veränderung sein, wie es in der Vergangenheit oft der Fall war. Wir werden eher in Richtung von „Storm“ weiterarbeiten.
Pamela: Die Rückkehr zu euren rockigeren Wurzeln, kam gleichzeitig mit Nells Debüt als Frontfrau. War Sie der Anstoss für diese Wandlung, oder lag es eventuell auch an der teilweise heftigen Kritik, die ihr für eure Ausflüge ins sagen wir mal Electro-Pop-Genre einstecken musstet?
Hein: Wir haben „Assembly“ auch selber als ein Experiment angesehen. Wir brauchten halt mal eine Veränderung. Wir wollten uns selbst beweisen, dass wir andere Sachen genauso gut machen können. Als wir anfingen für „Storm“ zu schreiben, war Nell noch nicht in der Band, folglich kann sie gar nicht der Auslöser gewesen sein. Für den Stil den Storm repräsentiert, entschieden wir uns bereits im Jahr 2002. Danach dauerte es noch ein Jahr bis Nell in die Band kam. Dafür wird es aber bei unserem nächsten Album umso aufregenders sein, Songs gemeinsam mit Nell schreiben zu dürfen.
Pamela: Und die Kritik hat euch auch nicht beeinflusst?
Hein: Nein, wir kamen zusammen im Haus unseres Keyboarders, und fragten uns wohin wollen wir uns bewegen, mit der nächsten Platte? Wir hatten bereits Dark-Wave, Goth-Doom und Metal-Stuff in den beiden ersten Alben verarbeitet. Wir haben Gothic Rock in „Aegis“ gespielt, Industrial-Stuff und Electro-Rock bei „Musique“, Electro-Pop bei „Assembly“, also wohin wollen wir jetzt mit „Storm“ gehen? Und wir entschieden uns, lasst uns zu den Basics zurückkehren. Was mögen die Menschen an Theatre of Tragedy? Was können wir selber am besten?
Bei „Storm“ haben wir zunächst nur die Basisinstrumente, wie Gitarren, Bass und Drums mit Raymonds und Nells Gesang on Top aufgenommen.
Wir wollten erst im nachhinein die Entscheidung treffen, ob der Rest wie Programming und elektronische Elemente noch hinzugefügt werden sollte. Aber am Ende zeigte sich, dass die Songs so wie sie waren gut waren und wir sie so lassen konnten. Es sind starke, intelligente Songs mit einfachen und eingängigen Melodien.
Pamela: Gibt es ein bestimmtes Tourerlebnis, dass du erzählen könntest? Vielleicht etwas lustiges?
Hein: Bisher war diese Tour eigentlich ziemlich schön. (Die übrigen Bandmitglieder brechen in schallendes Gelächter aus.) Nichts besonders gruseliges ist passiert. Ausser vielleicht das wir eine Horde Affen mit on Tour genommen haben. Dieses mal wollten wir besonders kreativ sein und haben Affen und Gorillas als Backline angeheurt. (umgehend sorgt der männliche Rest der Band für eine dementsprechende Geräuschkulisse ). Das kann manchmal ganz spannend sein. Abgesehen davon ist es aber eine glatte und saubere Tour. Naja vielleicht nicht ganz so sauber, nicht alle von uns duschen jeden Tag. Ich habe jeden Tag geduscht – ausser gestern – und vielleicht noch einen anderen Tag. (lacht)
Pamela: Nun, lass es mich nochmal anders versuchen. Wie kann man sich euer Tourleben vorstellen? Seid ihr so typische Rockstars, die nach den Konzerten wilde Partys feiern und ihre Hotelzimmer zerstören?
Hein: Ja, ja manchmal schon. Heute z.B. habe ich einen Korb mit Früchten aus dem Fenster geworfen. Wenn Du also gleich nach draussen gehst wirst Du einen Korb und jede Menge Früchte dort liegen sehen. Ich glaube das ist das heftigste Rock´n Roll Verhalten das ich jemals gezeigt habe. Ausser einmal, als wir bei dem Wave-Gothic-Treffen gespielt haben, da haben wir die Fernbedienung aus dem Fenster geworfen, aber nur weil wir keinen Fernseher finden konnten. Ja Obstkörbe und Fernbedienungen, das ist schon ziemlich Rock´n Roll. Und vielleicht die Tatsache, dass wir Bier mögen.
Pamela: Ich würde gerne Nell fragen, wie es ist nur mit wilden Männern zusammen zuarbeiten, bzw. on Tour zu sein?
Nell: Was willst Du von mir, dass ich jetzt sage? Die Wahrheit, oder….? (lacht)
Pamela: Nun ja, ist es eher schön, wirst Du von den Männern wie eine Prinzessin behandelt? Oder ist es eher übel mit den männlichen Marotten klar kommen zu müssen, ohne weibliche Verstärkung dabei zu haben?
Nell: Es trifft sicher beides zu. Aber, ach doch sie sind schon liebe Kerle. Sie passen gut auf mich auf. Manchmal sind sie natürlich auch böse Jungs.
Hein: Jungs bleiben Jungs!
Pamela: Wenn ihr so lange von zu Hause weg seid, sind dann eure Freunde/Lebenspartner und die Kinder mit on Tour? Oder warten die brav auf euch zu Hause?
Hein: Auf Tour ist die Band unsere Familie. Im Ernst, auf eine seltsame Art wird die Band zu dem was dich den ganzen Tag über ausschliesslich beschäftigt. Es ist wirklich das Schöne an Theatre of Tragedy, dass wir alle so gut miteinander klar kommen und uns perfekt ergänzen. Wir passen auf uns gegenseitig auf. Wenn sich jemand nicht so gut fühlt, akzeptieren die anderen das. Wenn jemand alleine sein möchte, akzeptieren wir das. Wenn jemand etwas Komfort braucht, oder eine Massage (…) oder was auch immer, kümmern wir uns darum. Ja wir sind immer füreinander da.
Nell: Es wäre wirklich schrecklich, wenn unsere Familien mit uns on Tour wären. Es wäre für beide Seiten schlecht. Weil wir sind nun mal sogesehen auf der Arbeit, Touren ist nun mal unser Job. Und es ist manchmal wirklich sehr harte Arbeit. Wir müssen einfach tun, wofür wir hier sind und unseren Job bestmöglich erledigen.
Pamela: Nell, hattest du am Anfang ein bischen Angst, dass die Fans dich als neue Frontfrau an Stelle von Liv Kristin nicht akzeptieren könnten?
Nell: Das ist eine wirklich gute Frage. Natürlich hatte ich ein bischen Angst. Aber ich kann niemals jemand anders sein, als ich selber. Ich bin Nell. Die Situation ist nun mal so, dass Liv Kristin nicht länger ein Teil von Theatre of Tragedy ist. Und wenn die Fans schlecht daruf reagieren, kann ich daran nichts ändern. Ich muss ich selbst sein und mit meiner Stimme singen. Aber in der Tat kurz vor meiner ersten Tour Weihnachten 2004/2005 hatte ich diesen Traum, dass ich auf der Bühne erschossen wurde.
Der Grund für diesen Traum war sicherlich die Angst, dass die Fans Theatre of Tragedy nicht mehr mögen würden, ganz speziell Liv Kristins Fangemeinde.
Hein: Ein ganz wichtige Sache die Du wissen musst, ist, dass Theatre of Tragedy für uns immer schon eine komplette Band gewesen ist. Es ist nicht eine einzige Person die unsere Band ausmacht. Natürlich ist der Sänger oder die Sängerin sehr wichtig, und uns ist auch klar das eine Frau in der Band automatisch die Aufmerksamkeit auf sich zieht, aber bei Theatre of Tragedy zählt die Band als Gesamtbild einfach mehr als eine Einzelperson. Wir treffen ausschliesslich Entscheidungen, nachdem von jedem einzelnen die Meinung eingeholt wurde. Wir schreiben unsere Musik immer zusammen.
Deshalb kann man nicht sagen, dass sich unsere Musik verändert hat nur weil Liv Kristin uns verlassen hat, oder gefeuert wurde. Nein die Band die zusammen an den Stücken geschrieben hat ist ja immer noch da, und arbeitet auch weiterhin als Team zusammen. Wir möchten eigentlich keine Band sein, sondern viel lieber soetwas wie ein sechsköpfiges Monster.(lacht)
Für uns war Nell in die Band zu holen die Veränderung, die wir dringend brauchten. Sie hat uns die Augen geöffnet, dass eine Band sich nicht ausschliesslich ums Geschäft und den ganzen Kram der damit zusammenhängt kümmern sollte. Eine Band zu sein bedeutet auch Spass zu haben, Musik zu machen, ein paar Biere trinken, Partys feiern, halt einfach wieder eine gute Zeit zu verbringen. Wir sind jetzt wieder auf dem Level auf dem wir vor zehn Jahren waren, als wir noch nicht den Druck hatten, oh wir müssen ne neue Platte machen, wir müssen ne neue Show machen und so. Wir spielen einfach und haben unseren Spass. Das ist es was wir jetzt machen.
Pamela: Habt ihr irgendetwas von Deutschland sehen können? Wie war euer Eindruck?
Hein: Am Sonntag haben wir viel von Frankfurt gesehen. An einem Sonntag – und alles war geschlossen. (lacht) Wir gingen zu einer grossartigen Cocktailbar, namens „Diamants and Pearls“. Die Cocktails waren sehr günstig, und die Leute die dort arbeiteten waren sehr schwul. (lacht) Das ist selbstverständlich keine schlechte Sache. Wir mögen schwule Menschen. Wir mögen auch heterosexuelle Menschen, wir mögen bisexuelle Menschen, wir mögen Männer die Frauen sein möchten, wir mögen Frauen die Männer sein möchten, wir mögen Männer die mit Männern zusammen sein möchten, wir mögen Männer die mit nochmehr Männern zusammen sein möchten und natürlich mögen wir auch Zwerge, die Sex mit grossen Frauen haben.(…)
Nell: Wir haben schon einige Städte in Deutschland sehen können…..
Hein: (lacht) Es tut mir leid.
Nell: …Wenn wir die Zeit haben versuchen wir uns schon die Sehenswürdigkeiten der einzelnen Städte anzuschauen, das gefällt mir besser als Backstage zu sitzen und Bier zu trinken.
Pamela: Ich schätze das ist eher Heins Part.(lacht)
Nell: (lacht) Ja.
Hein: Nein, das ist nicht wahr. Auf keinen Fall!! Ich wollte heute zum Zentrum von Duisburg fahren. Ich bin extra um zehn Uhr aufgestanden, aber niemand wollte mich begleiten….
Pamela: Das Video zu Storm habt ihr in Deutschland, in Nürnberg gedreht. Wie seid ihr auf diese Location gekommen? Wie war der Videodreh?
Nell: Ja das war in der Kongresshalle in Nürnberg.
Lorentz: Dort ist der Sitz unserer Video Produktions Firma. Wir von der Band hatten einige Ideen und die Video Produktions Firma hatte einige Ideen. Also setzten wir uns zusammen an einen Tisch und arbeiteten das bestmögliche Konzept gemeinsam aus . Am Tag darauf haben wir dann das Video gedreht von 12.00 Uhr Mittags bis um 12.00 Uhr in der Nacht. Das schlimmste war, dass es in dieser Halle so fürchterlich kalt und ohnehin schon sehr windig war. Und dann liefen da noch zusätzlich drei Windmaschienen, tja der Song heisst ja schliesslich auch „Storm“. Jedenfalls haben wir in unseren dünnen T-Shirts ganz fürchterlich gefroren. Aber wir sind sehr sehr glücklich mit dem Ergebniss. Wir haben mit unserem Budget ein sehr gutes Video hinbekommen. Unser Plattenlabel verhandelt derzeit noch mit diversen Musiksendern, damit der Clip dort gezeigt wird. Bis dahin hat man aber die Möglichkeit, sich das Video auf unserer Homepage anzugucken. Die Qualität dort mag nicht die beste sein, aber es reicht um sich einen Eindruck zu machen.
Pamela: Wie könnt ihr euch erklären, dass soviele Gothic-Rock-Acts aus eurer Heimat kommen? Ist Norwegen tatsächlich so ein düsteres Land?
Vegard: Goth ist ein Kleinstadt-Phänomen. Goth-Musiker kommen immer aus kleinen Städten. Und in Norwegen gibt es nun mal viele Bands aus kleinen Städten. Ich denke das ist des Rätsels Lösung.
Pamela: Wie kam es das ihr mit Gothminister, den Horrorentertainern aus Norwegen auf Tour gegangen seid? Wie ist euer Verhältniss zu der Band?
Hein: Unser Verhältniss zu Gothminister ist ziemlich gut, weil wir die Band schon sehr lange kennen. Nell hat u.a. bei Gothminister im Background gesungen.
Ich selber kenne die meisten aus dieser Band noch aus der Zeit bevor sie zu Gothminister wurden. Also haben wir uns gesagt, warum nicht zusammen auf Tour gehen. Es wird bestimmt lustig, weil wir uns so gut kennen. Und darüberhinaus ist Gothminister eine sehr gute Band.
Pamela: Habe ich irgendwas wichtiges vergessen zu fragen? Oder möchtet ihr noch etwas ganz bestimmtes an unsere Leser los werden?
Lorentz: Wir hoffen sehr, dass euch unser neues Album „Storm“ gefällt. Wir haben soviel Zeit und Energie hineingesteckt und sind selber sehr zufrieden damit.
Hein: Hört euch das Album unvoreingenommen an. Und seid nett zu euren Müttern!!
Pamela: Vielen Dank für dieses wirklich äusserst amüsante Interview.
Theatre of Tragedy: Kein Problem. Wir danken, dass du dir die Zeit für uns genommen hast.












