Die Sonne ist schon lange untergegangen, als sich zwei tapfere Redakteure durch die ländliche Idylle Wartenbergs (nahe Fulda) einen Weg ins „Oval“, dem Veranstaltungsort des anstehenden In Extremo Konzertes, bahnen. Zufriedenes Muhen von schlaftrunkenen Kühen, die am Wegesrand von den nahenden Konzertbesuchern aufgeweckt wurden bestätigt den aufkeimenden Verdacht: Wir sind in einem Dorf gelandet, in dem die Lieblingsbeschäftigung der Kinder keine Computerspiele, sondern Traktoren sind.

Endlos scheinende Wiesen schmiegen sich an Trampelpfade und werden nur durch ein paar selbstgezimmerte Drahtzäune begrenzt. Wie sieht die Location aus? Gibt es außer selbstgezapfter Milch vielleicht auch noch kühles Bier an der Theke? Diese und ähnliche Fragen stellen sich selbstverständlich in solchen Situationen und es überrascht wenig, dass die Halle bereits gut gefüllt sein ist, ist dies bei einer Band mit dem Bekanntheitsgrad von In Extremo fast schon selbstverständlich. Vor den Toren des Ovals, dass sich nicht so Recht in das ländliche Bild dieser Gegend einfügen will, haben sich schon lange Schlangen von Fans und Neugierigen versammelt.

Die Massen anheizen sollen auf der aktuellen Tour Krieger. Leider merkt man der Band ihre Unerfahrenheit im Umgang mit dem Publikum schon nach den ersten Liedern an: Die Bühnenpräsenz des Sängers beschränkt sich auf einen starren Blick, entweder auf sein Instrument, oder geradeaus zur anderen Hallenwand.
Kommunikation findet auch nur dann statt, wenn der Titel des nächsten Lieds angekündigt werden muss, eine Bühnenshow sucht man vergeblich.

Auch musikalisch bietet sich dem Zuhörer Nichts, was lange im Gedächtnis haften bleiben könnte, denn Krieger spielen lediglich grundsoliden Rock, mit einem leicht melancholischen Einschlag. Eine gewiss ausbaufähige Kombination. Dieser Rock ist jedoch so solide, dass er kaum Platz für Innovationen, geschweige denn mitreißende Klänge bietet. Dementsprechend mau fällt auch die Resonanz des Publikums aus: Zwar erntet die Band etwas Applaus, doch geschieht dies wohl mehr aus Höflichkeit als Begeisterung, und auch den „Zugabe“-Rufen scheint man einen gewissen Sarkasmus nicht absprechen zu können.

Pünktlich um 21 Uhr darf das Herz des In Extremo Fans höher schlagen, denn „das letzte Einhorn“ gibt seinen abendlichen Einstand auf der Bühne mit einer akkustischen Version von „Spielmann“, ehe dann der Rest der Meute mit einem lauten Knall in das Lied einstimmt und die Halle zum ersten Mal richtig zum Kochen bringt. Wie schon aus der Live-DVD „Raue Spree“ bekannt, ist die Bühne wie ein Schiff gestaltet, auf der sich die Spielmänner platzieren. Mit „Nur ihr allein“ steigt die Stimmung noch einmal um ein Vielfaches, denn jetzt können auch die Besucher mitsingen, die In Extremo nur von ihren Charterfolgen und aus dem Fernsehen kennen.

Dass beim Pogo in der Mitte der Halle mitunter die ersten Reihen in Mitleidenschaft gezogen werden, sollte jedem, der schon einmal ein Rockkonzert besucht hat, klar sein. Den erhobenen pädagogischen Zeigefinger bekommt in einer Pause auch gleich ein Besucher zu sehen, der es etwas übertreibt. Frei zitiert nach dem letzten Einhorn:

„Ey, du da, mit dem weißen Kragen! Mach das noch einmal, und ich komm runter und geb dir eine aufs Maul!“

Beifallstürme und Jubel sind die berechtigte Resonanz auf eine solch klare Ansage.

In Extremo warten nicht nur mit neuen Hits auf, sondern präsentieren eine ausgewogene Mischung, versetzt mit großen Klassikern wie „Der Wind“, bei dem ältere, wie jüngere Fans gleichermaßen das Tanzbein schwingen oder die Schulter zum Pogen benutzen können. Als dann mit „Kein Sturm“ ein bisher noch unveröffentlichtes Lied des neuen Albums „kein Blick zurück“ angespielt wird, sind die Erwartungen selbstverständlich groß, doch ab der ersten Strophe weiß auch das neue Material zu überzeugen.

Als dann die ersten Riffs zu „Spielmannsfluch“ aus den Boxen hämmern, gibt es auch für altgediegene Redakteure kein Halten mehr. „Es regnet Blut“ ist allgegenwärtig. Ein gebührender Abstand zur Bühne ist dabei allerdings immer Pflicht, denn viele Lieder werden von Pyroeffekten begleitet, die die Halle kurzzeitig in einen Backofen verwandeln. Gut, dass da auf Weisung von Micha kühles Wasser gratis an das Publikum ausgeschenkt wird – klasse! Auf den Gesichtern der Crew kann man die „Freude“ ablesen, als hunderte von glänzenden Quadraten auf der Publikum herrabschweben.

Nach „Liam“ verlässt die Band die Bühne, nur um aber ein paar Minuten später unter fanatischem Jubel wieder begrüßt zu werden. Mit „Poc Vecem“, „Rotes Haar“ und „Villeman Og Magnhild“ beendet die Band ihren zweistündigen Auftritt. Einziger Wermuhtstropfen war, dass „Herr Mannalig“ fehlte. Aber um es mit den Worten von Bernd Stromberg zu sagen: „Das Leben ist kein Ponyhof!“

Interessant geworden ist mittlerweile auch das Publikum, welche In Extremo mit ihrem Sound ansprechen. Wo früher langhaarige Rollenspieler und Touristen vor kleinen Bühnen auf abgeschiedenen Mittelalter-Märkten zu „Gold“ Zeiten den Klängen der Band lauschten, ist das Publikum heute bunt gemixt. Mütter begleiten ihre Töchter, jedoch nicht mehr nur um auf die Kleinen während des Konzerts aufzupassen. Frisch gestylte junge Männer, die man sonst nur in Clubs zu elektronischer Musik tanzen sehen würde werden gleichsam wie Metalheads und Goths angezogen. Mittlerweile sind In Extremo zu einem festen Punkt geworden, auf denen sich viele Menschen vorbehaltlos einigen können.

Wir haben übrigens den Weg zurück in die Zivilisation wohlbehalten gefunden, und werden diesen Abend in guter Erinnerung behalten, so dass es auch auf der nächsten Tour heißen wird: „Es regnet Blut“…


21 Fotos in der Galerie

Setlist
Spielmann

Nur ihr allein

Der Wind

Macht und Dummheit

Küss Mich

Erdbeermund

Kein Sturm

Singapur

Spielmannsfluch

Ave Maria

Omnia Sol Temperat

Hiemali Tempore

Horizont

Alte Liebe

Raue See

Mein rasend Herz

Krummavisur

Liam

Poc Vecem

Rotes Haar

Villeman Og Magnhild

Autor: Nico

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