Christian von Aster bezeichnet sich selbst als einen sprachverliebten Verseflexer, literarischen Hedonisten, extremfabulierenden Menschenfreund, zynischen Misanthropen und manischen Halbwissensmauschler. Zweifelsfrei narzisstisch, zeitweise kokett und seines Erachtens bei weitem nicht so erfolgreich, wie er es verdiente. (aus dem Pressetext von www.big-f-promotion.de
Es brauchte schon ein bischen Mut, diesem in der Tat aussergewöhnlichen Herren, ein paar zumindest halbwegs gescheite Interviewfragen zu stellen. Aber Mut wird belohnt und hier sind die Antworten…

Pamela: Vom 20. April 2006 bis zum 5.Juni 2006 wird es in der Leipziger Moritzbastei (u.a. im Rahmen des WGT) eine Ausstellung zu Deinem Kultcomic „10 kleine Grufties“ geben. Kannst Du kurz beschreiben, was genau den Besucher erwartet und warum man die Ausstellung auf gar keinen Fall verpassen sollte.

von Aster: Den geschätzten Zuschauer erwarten vor allem anderen 10 kleine Grufties. Allerdings mit schwindender Tendenz. Wie der Titel erahnen lässt, erwarten den Zuschauer wenig später bloss noch neun Grufties. Diese reduzieren sich erwartungsgemäß auf acht, sodass den Zuschauer gegen Ende der Ausstellung eigentlich niemand mehr erwartet.

Allein diese existenzialistische Lehre, dass man am Ende immer allein ist, sollte Anreiz genug sein, diese Ausstellung zu erfahren. Desweiteren können jedoch normale Leute Berührungsängste mit der schwarzen Szene abbauen, Grufties mit Humor grinsen und Grufties ohne Humor sich aufregen. Wenn man dann auch noch bedenkt, dass es auch noch exquisites Bildwerk zu betrachten gibt…

Pamela: Beim WGT gehörst Du ja mittlerweile sozusagen zum Inventar. Was macht für Dich den besonderen Reiz dieses Festivals aus?

von Aster: Zunächst einmal ist es die Veranstaltung, in der ich gewachsen bin. Ich habe dort mit einem Publikum von 15 Leuten angefangen. Alles was folgte, war Mundpropaganda, und mit jedem Jahr wälzte sich mehr schwarzes Volk durch die Gänge. Als plötzlich der erste Kinosaal voll war, war ich echt erstaunt, gerührt und ungläubig. Das WGT ist für mich dementsprechend jedes Jahr wieder die angenehme Verpflichtung, ein Publikum, das mich mit groß gemacht hat, nicht zu enttäuschen.

Davon ab gibt es freilich noch das klassische Festivalargument, des Leute treffens, die man eine Ewigkeit nicht mehr gesehen hat…

Pamela: Du beschäftigst Dich in Deinen Werken ja ganz offensichtlich bevorzugt mit den „schwarzen“ Seiten des Lebens. Würdest Du Dich selbst als Gothic bezeichnen? Was macht in Deinen Augen einen Gothic aus?

von Aster: Ich halte nicht viel von Definitionen dieser Art. Ich mag Shakespeare und Computerspiele, und verwehre mir weder einige höchst spießige Grundeinstellungen, noch ein paar Punkrockallüren. Ich bin also vor allem ein Christian von Aster. Das ist gothic genug, um anderen Angst zu machen und zu wenig, um in einem Sarg zu schlafen.

Gothic ist für mich die Möglichkeit einer vielschichtigen Individuation. Diese Szene bietet wie wenige andere vor allem in ihren Randbereichen zahllose Möglichkeiten, eine eigene Identität zu finden und auszuleben. Aber eben auch die viel angeprangerte Gefahr, sich in schwarzer Oberflächlichkeit zu verlieren. Gothic ist für mich dementsprechend eine großartige Möglichkeit.

Pamela: Der Comic und der Kalender zu „10 kleine Grufties“ sind ja in Zusammenarbeit mit P. M. Hoffmann und Scharwel entstanden. Wie kann man sich eine Zusammenarbeit von drei derart kreativen Menschen vorstellen?
Läuft das Ganze total harmonisch ab, oder gibt es auch Stress untereinander? Ich persönlich stelle mir ja eher ein grosses Chaos vor, wenn drei Männer, deren Köpfe voller Ideen stecken, an einer Sache gemeinsam arbeiten wollen/sollen.

von Aster: Die Arbeit wird natürlich durch die Krankenhausaufenthalte behindert, die sich durch nachhaltige Diskussionen mitunter ergeben. Natürlich bewirft man sich im Rahmen einer solchen Zusammenarbeit mit Aschenbechern, zückt Springmesser und bedroht sich mit zerbrochenen Bierflaschen. Da unterscheiden Künstler sich nicht von Berliner Hauptschülern. Aber man beruhigt sich wieder, wenn die anderen einen für zwei Tage im Klo einschließen …

Im Ernst, je professioneller die Leute sind, desto einfacher wird es. Und die vielen Ideen, die jeder hat, gewinnen schlussendlich eine gemeinsame Form, wenn man das gleiche will. Dann braucht jeder Künstler noch einen gewissen Freiraum, und dann wirkt es allenfalls nach außen noch chaotisch. Und Schwarwel und Hoffmann sind schließlich Koriphäen in ihren Operationssälen, so dass man ihnen ohne Bedenken ein paar Grufties unters Messer legen kann.

Pamela: Wie alt warst Du als Du Dein Talent zum Schreiben entdeckt hast? War Dir von Anfang an klar, dass Du Deine Berufung eines Tages zu Deinem Beruf machen würdest?

von Aster: Mit 13 habe ich ernsthaft angefangen zu schreiben. Gedichte übrigens, die man niemandem zeigen sollte. Ich bin übrigens der Meinung, das Talent nicht einfach vorhanden ist. Es ist etwas, das entsteht und wächst, wenn man es lässt. Ich habe mir das Schreiben über nunmehr knapp 20 Jahre erschlossen. Jeder, der einen Job ausübt, wird nach so einer Zeit wesentlich besser darin sein als viele andere. Ich habe es einfach ernst genommen und mehr Zeit auf das Schreiben als auf vieles andere verwendet. Spätestens als ich mit 16 einen Literaturwettbewerb gewann, war klar, dass ich mein Geld mit meinen Kopfkindern verlieren wollen würde.

Pamela: Haben Familie und Freunde Dich auf diesem Weg unterstützt, oder wurdest Du eher für total verrückt erklärt?

von Aster: Beides. Und das ist das wichtige. Menschen, die einen unterstützen, obwohl sie einen für verrückt halten. Eltern beispielsweise zweifeln und unterstützen gerne zugleich. Wenn man im Fernsehen oder in der Zeitung auftaucht ist der Stolz groß, wenn man sich einen Monat nicht meldet ist die Sorge es nicht minder. Und Freunde habe ich tatsächlich nur solche, die nicht minder dem Wahnsinn verfallen sind. George Bernhard Shaw hat diesbezüglich mal was Schönes gesagt: Wir brauchen mehr verrückte Leute. Wir sehen ja, was die normalen aus dieser Welt gemacht haben.

Pamela: Wo wärst Du heute, was würdest Du machen, wenn Dir nicht der grosse Durchbruch gelungen wäre?

von Aster: Die geilste Frage, die mir seit langem gestellt wurde. Ich und der große Durchbruch sind uns bis heute noch nicht wirklich begegnet. Sicher, wir haben voneinander gehört, aber dafür hätte ich das Superstarcasting schon ernster nehmen müssen. Ich habe es geschafft, von dem zu leben was mir Spaß macht. Auf einen kleinen Durchbruch können wir uns einigen.

Ohne den wäre ich am Ende wahrscheinlich Lehrer geworden oder hätte meine Modelkarriere weiterverfolgt…

Pamela: Wenn man es wie Du geschafft hat, sich in derart vielen Bereichen erfolgreich zu verwirklichen, (immerhin bist Du Schriftsteller, Kabarettist, Drehbuchautor, Regisseur, Schauspieler, Comiczeichner,….. man möge mir verzeihen, wenn ich etwas vergessen habe aufzuzählen), kann man dann überhaupt noch eine Art Zufriedenheit verspüren? Strebt man dann nicht unweigerlich danach, sich immer neue, noch grössere Ziele zu stecken und auch zu verfolgen?

von Aster: Selbstredend strebt man. Aber diese höheren Ziele sind das wichtigste. Jedes verwirklichte Projekt ist ein Etappensieg. Am Ende geht es um große Filme und große Bücher, die aber erst entstehen können, wenn die Zeit reif ist. Es wird immer größere Ziele geben, größere Ideen, und das ist der Rausch. Je mehr man tut, desto weniger Grenzen gibt es. Ars longa, vita brevis.

Und die Zufriedenheit, na ja, die wohnt immer hinter dem nächsten Projekt…

Pamela: Was dürfen wir denn in Zukunft noch an Überraschungen von Dir erwarten?.

von Aster: Ich habe gerade mit meinem nächsten Roman angefangen, im Mai wird mein seltsamstes Drehbuch bis dato umgesetzt, zum WGT erscheint meine DVD und außerdem bin ich Schirmherr der Initiative zur Rettung des blassschwarzen Kellerlemmings. Ich hoffe des weiteren, von der Vogelgrippe verschont zu bleiben, bekomme nächste Woche eine Praktikantin und gedenke bei nächster Gelegenheit einen Präventivkrieg gegen einen Staat zu führen, den ich allerdings erst noch auswürfeln muss.

Pamela: In einem Pressetext gibst Du ja das Versprechen ab, Deine Lesungen abzuhalten, ohne dabei zu singen. Offensichtlich ein kleiner Seitenhieb an alle „Superstars“ und singenden Schauspiel-Sternchen dieser Welt. Aber wäre Gesang nicht noch eine grosse Herausforderung für Dich, die es zu meistern gilt? Du würdest dabei doch bestimmt Unterstützung von einem befreundeten Schlagzeuger einer bekannten deutschen Punkrockband erhalten.

von Aster: Ah ja. Der Schlagzeuger… Du meinst Torsten von den Happy Wankers. Sind die denn so bekannt? Wir haben jedenfalls tatsächlich schon daran gedacht, ein paar klassische Duette aufzunehmen. Aber eigentlich habe ich mit dem Management der Los Feratus schon genug zu tun.

Pamela: Ich bedanke mich für dieses Interview, wünsche Dir für Deine Zukunft alles Gute und hoffe, dass man noch viel von Dir hören wird.

von Aster: Ich bedanke mich nicht minder, und bemühe mich redlich, von mir hören zu lassen.

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Pamela Stahl
Pamela Stahl ist ehemalige Mitarbeiterin von Mindbreed.