SylbenMeister ist das aktuelle 1-Mann-Projekt von Torsten Schwarz alias Sylvan=e aus Berlin. Der Remixer und Produzent (auch der Menichal Servants) hat Anfang des Jahres seine erste Solo-EP „Spür ich die Haut“ veröffentlicht. Im Interview hat sich der SylbenMeister jetzt tapfer, souverän und mit einer grossen Portion Humor, auch kritischen Fragen der Mindbreed-Redaktion gestellt.

Pamela: Wie bist Du auf die Idee gekommen Dich SylbenMeister zu nennen? Ich persönlich
hätte bei diesem Namen ja eher Mittelaltermusik oder sowas in der Art
erwartet?

SylbenMeister: Mit dem Namen wollte ich ausdrücken, dass die deutschen Texte bei diesem Projekt eine wichtige Bedeutung für mich haben. Und würde ich mir so einen Namen geben und tatsächlich Mittelaltermusik machen, dann wäre es für mich so oberplakativ und aufgesetzt, als hätte ich mich nun „TechnoMann“ genannt. Vielleicht bin ich aber auch tatsächlich nur ein moderner Minnesänger, der seine Laute einfach gegen einen lauten Synthesizer eingetauscht hat (lacht).

Pamela: Jedenfalls hat man bei so einem klangvollen Namen große Erwartungen, was den Umgang mit der deutschen Sprache angeht. Ist es denn Dein Ziel, anspruchsvolle Texte zu schreiben und den Fans Liedern mit tiefem Sinn zu bieten?

SylbenMeister: Unbedingt – also fangt an zu graben! Und wenn Ihr ihn nicht findet, den tiefen Sinn, dann legt euch gleich hinein, ins selbstgeschaufelte Grab (lacht). Jeder Mensch besitzt doch einen freien Willen. Er entscheidet sich ständig bewusst oder unbewusst, welchen von den unendlich vielen Wegen, die sein Leben kreuzen, er weitergehen will. Glaubst du daran, dass der Weg das Ziel ist, so offenbart sich dir ein tieferer Sinn in meinen Texten vielleicht dann, wenn du zufälligerweise den gleichen oder einen ähnlichen Weg wie ich gehst. Anderen Menschen also von seinen Erfahrungen auf seinen ganz persönlichen Wegen zu erzählen, ist doch nichts Neues und Besonderes, sondern ein ganz natürliches Bedürfnis sich mitzuteilen. Aber selbst wenn meine Texte für dich nur fabulöse Geschichten bleiben, so sollen Sie doch zusammen mit der Musik einfach unterhaltsam sein.

Pamela: Ist es dann nicht schade, dass Gesang und Text bei elektronischer Musik schnell in den Hintergrund geraten und gar nicht so richtig aufgenommen und verstanden werden?

SylbenMeister: Die elektronische Musik ist ein sehr schwammiger Begriff. Aber betrachte ich vielleicht mal Stilrichtungen wie EBM, Industrial, Hellelectro oder wie man es auch immer noch nennen wird, so merkt man schnell, dass die Stimme in einem solchen Klaster von harten und chaotischen Klängen nur ein Effekt bleiben kann. Sie wird in einem solchen Kontext, wenn Sie gefühlvoll gesungen werden würde als schwach empfunden und überhört werden. Sobald ich anfange zu schreien oder sie mit Verzerr-Effekten versehe, bekommt Sie die richtige Stimmung und Durchsetzungskraft. Wie im richtigen Leben halt oder hast du schonmal einen verletzten um Hilfe Singenden gesehen? Leider reduzieren sich dann die Texte bei den meisten Songs auf kurz artikulierte aber effektvolle Laute. Nehme ich Future-Synthie-Pop oder wie man es auch immer nennen mag als musikalischen Gegensatz, dann wird schnell klar, dass hier die Stimme den Ton angibt und der Song in der Regel sogar einen melodiösen Wiedererkennungswert hat. Eine meiner elektronischen Lieblingsbands, die es meiner Meinung nach bis heute als Einzige geschafft haben, harte elektronische Sounds und wiederkennungswerten Gesang miteinander auf homogene Art zu verbinden, waren Front 242.

Pamela: Der Pressetext beschreibt Dein aktuelles Werk „Spür ich die Haut“ als Musik für Leute, die gerne mal neben der gewohnten Spur hören. Das kann ich nur bestätigen. In der Tat lässt sich deine Musik auch nicht so hundertprozentig einordnen. Ist es nicht gewagt Musik zu machen, die einerseits für hart Gesottene EBM-Freaks zu soft, andererseits aber für Liebhaber harmonischer Klänge zu hart sein dürfte?

SylbenMeister: Du meinst also, dass ich lieber nur Musik machen sollte, wenn ich mich vorher mit den Fanclubs FC Front und Eintracht Berzerk abspreche, ob es Ihnen auch gefällt? Hm..da habe ich noch nicht darüber nachgedacht, aber bei den nächsten Clubtreffen in der örtlichen Telefonzelle, werde ich das mal ansprechen (lacht). Ich weiß aber, dass es bei der Musik nicht in erster Linie ums Denken sondern ums Fühlen geht. Von daher wird es immer ein unkalkulierbares Risiko sein, Musik auf den Markt zu werfen, wenn man damit Geld verdienen will. Für mich ist es aber insofern ein kalkulierbares Risiko, als dass ich nichts zu verlieren habe. Ich würde verlieren, wenn ich mich von meiner Musik distanzieren würde und es mein Bestreben wäre nur ein Abziehbild mit der Nummer 23 zum Einkleben ins Sammelalbum von so genannten Fans zu werden. Ich mache meine Musik nicht, um irgendjemandem zu gefallen. Es sollte genau anders herum sein. Wenn dir meine Musik gefällt, dann habe ich Sie für dich gemacht. In diesem Fall richte dir einfach eine neue Schublade in deinem Plattenschrank ein, bzw. um es mal modern auszudrücken, leg dir einfach einen neuen MP3-Ordner auf deiner Festplatte an (lacht).

Pamela: Wie geht es jetzt weiter mit SylbenMeister? Werden weitere Songs folgen, oder wirst Du Dich jetzt erstmal wieder der Arbeit mit den Menichal Servants zuwenden?

SylbenMeister: Ich habe bereits weitere Songs fertig und es werden sicher immer wieder weitere entstehen, da ich nicht vorhabe, morgen mit dem Musikmachen aufzuhören. Eine 70 Minuten CD mit mindestens 14 Titeln und vielleicht Bonusremixen von anderen Musikern ist mein großes längerfristiges Ziel. Aber find mal jemanden, der außer mir bereit ist für lau ´nen Remix zu machen – also bleibt die ganze Arbeit immer an mir hängen und das braucht halt so seine Zeit! (lacht)
Mit Daniel und Katharina arbeite ich bereits an neuen Ideen. Das läuft eigentlich immer alles ganz parallel, neben den anderen Projekten. Je nach Lust und Gefühl setze ich mich dann als Menichal oder als Remixer- Sylvan=e! oder als SylbenMeister an die Tasten. Diagnose: multiple Persönlichkeitsstörung! (lacht)

Pamela: Was ist für Dich der größte Unterschied zwischen den beiden Projekten?

SylbenMeister: Die Arbeitsweise mit Daniel und Katharina ist ja in der Regel auf das Austauschen von Midifiles und Gesangsspuren über Email beschränkt. Da Katharina in Dresden, Daniel in Wismar und ich in Berlin leben, ist also der Anteil den jeder an der Musik der Menichal Servants hat, am Anfang sehr individuell. Niemand von uns redet dem anderen rein, wie er zu singen, zu spielen oder zu komponieren hat. Es ergibt sich meist aus einer noch sehr rudimentären Grundidee, oft schon mit einem Text von Daniel. Ich entwerfe dann nach und nach Version 0.1 bis 1.0, bis wir alle mit dem Ergebnis zufrieden sind und ein in sich stimmiger Menichals Song fertig ist. So gesehen kommt mir diese Arbeitsweise sehr entgegen, da ich schon zugegeben ein Eigenbrötler bin und es auf den Tod nicht leiden kann, wenn mir jemand beim Produzieren über die Schulter guckt. Ich bin jedenfalls keiner, der in muffigen Übungsräumen zu Hause ist. Aber der größte Unterschied ist wohl, dass ich durch die Zusammenarbeit eine direkte Resonanz habe und lerne auch mal andere Wege zu gehen. Ich muss mich mit den Ideen anderer auseinander setzen und das Ergebnis wird nicht wie so oft bei meinen Solo-Projekten mehr vom Zufall und dem Chaos geprägt. Ich betrachte es also als kostenlose Therapiestunden, zwischen meinen eigenen musikalischen Wahnsinnsattacken. (lacht)

Pamela: Wie bist Du überhaupt dazu gekommen, Musik zu machen?

SylbenMeister: Ich habe schon immer Musik gemacht. Meine Mutter hat bei meiner Geburt gesagt:“ Gott sei dank, jetzt hört endlich das Trommeln in meinem Bauch auf. “ Also ich glaube ich war dann so 8 oder 9, da habe ich durch meinen Musiklehrer in der Schule die Möglichkeit bekommen, das Trompetespielen und Notenlesen zu erlernen. Es stellte sich dann doch heraus, dass ich wirklich nur Blech blasen konnte und habe mir dann von meiner ersten selbst verdienten Ausbildungsvergütung einen Synthie gekauft. Nach und nach wurden es immer mehr elektronische Geräte und Equipment. Ich würde mich selbst heute wohl eher fragen, wie bin ich eigentlich vom Musikmachen zum Kabelverlegen, SequenzerKlötzchenRücken und an ReglerDranRumschrauben gekommen?

Pamela: Wie entstehen Deine Songs? Woher nimmst Du die Ideen? Welche anderen Künstler inspirieren Dich?

SylbenMeister: Ich höre momentan sehr gerne Maria Solheim und Royksopp. Aber auch nach wie vor inspirieren mich Frontline Assembly, Fear Factory, eigentlich alle Projekte von Fulber&Co. und andere Gitarrenmucke a la Foo Fighters. Während ich den Song „Stirbt zuletzt“ gemacht habe, war ich gerade auf dem Retro-Trip und hatte mir alte Nitzer Ebb Platten, ja ich sage bewusst: Platten auf Vinyl! angehört. Im Übrigen höre ich auch sehr gerne Soundtracks von Filmen, die mir gefallen und bin oft angespornt durch die unglaublich gute Produktionsqualität.
Für die Sylbenmeister-EP waren die Texte zuerst geschrieben, was normalerweise bei mir nicht der Fall ist. Da ich soviel Zeit wie möglich mit Musikmachen, bzw. einfach so vor mich Hinspielen verbringe, kommt hin und wieder mal eine Idee dabei heraus, die dann einfach gut zu diesem Projekt passt.

Wie bei den meisten elektronikbegeisterten Musikern kommen die Idee und die Inspiration wohl beim Ausprobieren. Selten, dass ich mich an die Synths setze und sage, so heute mache ich mal ein Lied, das genau SO klingen soll und SO eine Melodie antäuscht. Meist geht das viel chaotischer zu: hier mal ne andere Wellenform im Virus eingestellt, da mal am Cutoff und Resonanz-Regler gedreht, so jetzt die Sequenz eingespielt. Zwischendurch den Computer wieder hochfahren, nachdem er auf unerklärliche Weise abgestürzt war. Ach und da hattest du doch neulich ´ne Drumloop gehört, von der du jetzt die Snare gebrauchen könntest.

Pamela: Könntest Du Dir vorstellen eine ganz andere Art von Musik zu machen?

SylbenMeister: Ja, z.b. Soundtracks oder Hörbuchvertonungen. Ein Song auf der Menichal Servants CD ist deshalb auch mein absoluter Favorit: „Feeling like Karl Roßmann“. Am liebsten wäre es mir einen kompletten Roman von Kafka oder eine Horror-Geschichte von Lovecraft zu vertonen. Hier habe ich dann unmittelbar die Möglichkeit, direkt durch gerade optisch ins Hirn gesogene Bilder – und schwupps, mit den Fingern ins Keyboard gehauene Eindrücke musikalisch zu verarbeiten.

Pamela: So richtig „schwarz“ ist Deine Musik ja nicht. In einem Menichal Servants Interview hat Daniel Jahn sich auch nicht gerade positiv gegenüber melancholischer Musik wie Lacrimosa oder Ähnlichem geäußert. „Grufti-Gerotze“ war der genaue Ausdruck. Wie ist Deine Einstellung zu dieser Musik? Und wie ist deine Einstellung generell zur „schwarzen Szene“?

SylbenMeister: Ich sehe das etwas gemäßigter. Zunächst muss ich wohl sagen, dass auch Daniel sicher nichts gegen melancholische Musik hat. Sonst gäbe es uns Menichals wohl auch kaum. Die Grenze bei Gothic oder auch jeder anderen Musik ist bei mir dann erreicht, wenn für mich nicht stimmige religiöse oder politische Ansichten verbreitet werden. Da kann die Musik noch so toll sein, aber ich finde es dann insgesamt halt scheiße. Ansonsten habe ich überhaupt kein Problem damit, wenn ein Lacrimosa-Song bei Lidl oder im Fahrstuhl bei Karstadt gespielt wird. (lacht)

Pamela: Was antwortest Du Kritikern, die der möglicherweise etwas altmodischen Auffassung sind, richtige Musik wird mit echten Instrumenten und nicht mit Computern gemacht?

SylbenMeister: Musik wird als Allererstes mit dem Herzen gemacht. Ich höre Sie danach in meinem Kopf. Um Sie dann anderen hörbar zu machen, bediene ich mich Hilfsmitteln – Arbeitsgeräten. Es geht letztlich dann nur darum sein Arbeitsgerät so zu beherrschen, dass man sich nicht an einer Gitarrenseite ständig die Finger blutig haut oder einen elektrischen Stromschlag bekommt. So entsteht zu jeder Zeit und in jedem Winkel dieser Erde, vielleicht sogar im gesamten Universum, Musik, geschaffen mit den Arbeitsmitteln, die die jeweilige Gesellschaft zur Verfügung stellen kann. Außerdem bin ich ganz froh, dass ich nicht in Tibet lebe und mir selber eine Blockflöte schnitzen muss (lacht).

Pamela: Ich bedanke mich für die Beantwortung meiner Fragen und wünsche Dir für Deine musikalische Zukunft alles Gute!

SylbenMeister: Ich danke Dir. So long, Ranger.

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Pamela Stahl
Pamela Stahl ist ehemalige Mitarbeiterin von Mindbreed.