Eurorock Festival 2015 Programm Vergangene Woche fand in Belgien das Eurorock Festival 2015 statt. Nach zwei Tagen voller Spaß, Bands und guter Laune folgte am Samstag die Ernüchterung: Änderungen im Lineup, Pausen, Verschiebungen und ausgefallene Acts. Schnell kochte die Gerüchteküche hoch, aus der wir uns bewusst herausgehalten haben. Zurecht, denn heute erreichte uns ein offener Brief von Bernard Van Isacker, Pressesprecher des Festivals.

Der Brief wurde frei aus dem englischen Original übersetzt:

Es war (nicht wirklich) überraschend als die Mainstream Medien, die im Vorfeld nicht über das Eurorock berichten, geschweigedenn es ankündigen wollten, plötzlich die Zeit fanden, wie die Geier über das Festival herzufallen und es zu zerpflücken (was das Verbreiten von völlig falschen Nachrichten einschließt), nachdem am Samstagmorgen Probleme auftraten.
Nur TV Limburg berichtete von Anfang an völlig korrekt, genauso wie die Leute von één, die sich gerade per Email für die Zusammenarbeit bedankt haben.
In Hinblick auf die vielen völlig falschen Informationen die derzeit auf Facebook und in Blogs kursieren, möchte ich euch wirkliche Insiderinfos geben, denn ich war die kompletten drei Tage auf dem Gelände und als Pressesprecher engagiert (wobei es alles andere als klar ist, ob ich bezahlt werde). Ich muss sagen es war ein verdammt schwerer Job, zumal alle Zutaten für ein wirklich interessantes Drama vorhanden waren.

Am Samstagmorgen, während Lovelorn Dolls spielten, wurde ich in Kenntnis gesetzt, dass Geld gestohlen wurde. Das Geld war nicht die ganze Nacht dort, wie die Medien es einem weißmachen wollen, sondern war gerade angekommen und unverzüglich in einem verschlossenen Container verwahrt worden. Da waren 20 Minuten zwischen der Hinterlegung des Gelds und dem Diebstahl. Während ich mit Rudi Donckers, dem Organisator des Festival, sprach, bemerkte ich, wie er blasser und blasser wurde je mehr Zeit nach der Entdeckung des Diebstahls der 45.000 Euro verstrich, sodass ich ihm sagte er solle sich im Erste Hilfe Zelt versorgen lassen. Er wurde unverzüglich ins Krankenhaus gefahren, da die Symptome die er aufwies sehr besorgniserregend waren.

Gerüchte, dass Rudi seine Krankheit vortäuschen würde, sind absolut falsch. Er liegt derzeit im Krankenhaus, sein Zustand ist sehr ernst und er wird vermutlich im Laufe des Tages am Herz operiert. Es steht fest, dass er nicht in Kürze wieder zu Hause sein wird und ich wünsche ihm alles Gute.

Auch wenn vom Diebstahl nur ein paar Leute informiert wurden – es geschah ja erst ein paar Minuten vorher – so bekam ich plötzlich einen Anruf einer Tageszeitung denen ein Tipp gegeben wurde (vermutlich von einem aus Rudis Team). Sie fragten was passiert wäre. Ab diesem Zeitpunkt klingelte mein Telefon wie verrückt, da sich immer neue Medien meldeten. Ich gab ein paar sehr kurze Interviews an ein paar Zeitungen und sagte ihnen, dass wir uns nach einer Lösung umsähen.

Vertraue niemals der Presse, denn kurze Zeit später verbreitete eine Zeitung Gerüchte, dass Killing Joke, einer der Headliner, abgesagt hätten. Natürlich war das absoluter Unsinn, aber es hatte unmittelbare Auswirkungen auf den Ticketverkauf und ich sah wie Leute, die gerade ein Ticket kaufen wollten, wieder gingen.

Während Rudi ins Krankenhaus gefahren wurde, war damit auch die Organisation lahmgelegt, denn er war die Schlüsselperson im Festival, das wurde mir schnell klar. Um absolutes Chaos zu vermeiden entschlossen wir zusammen mit der Polizei ein Szenario umzusetzen, in dem Angestellte wie ich zusammen mit anderen Menschen die Backstage arbeiteten und den Stagemanagern zusammen als neue Organisatoren auftreten würden. Die Idee war, herauszufinden, wie viele Bands spielen wollen würden und welche nicht, und zu versuchen, das Festival noch für eine begrenzte Zeit am laufen zu halten. Der Sicherheitsdienst und die Polizei sprachen sich ab und es wurde vereinbart, dass sie bis zum Ende des Festivals bleiben und die Sicherheit der Menschen gewährleisten würden.

Mein erster Job war nun, die Öffentlichkeit darüber zu informieren, dass wir mit Problemen zu kämpfen hätten, die eine Pause von etwa einer Stunde bedingen würden – Zeit die wir brauchten um ein neues Line-Up auf die Beine zu stellen.

Nachdem wir mit verschiedenen Bands gesprochen hatten (ich denke ich habe noch nie so zügige Verhandlungen rund um ein Festival gesehen) wurde klar, dass viele bereit waren zu spielen, entweder weil sie bereits komplett oder zumindest teilweise bezahlt wurden – oder weil sie auch umsonst spielen wollten (wie zum Beispiel Legend). Am Ende entschloss sich nur eine Band dazu, das Festival zu verlassen: The Fields Of The Nephilim, bei denen noch ein kleiner Betrag fehlte, wir sprechen von einigen hundert Euro oder so.
Aber gut zu wissen: Der Klinke und viele andere Bands die nicht für das Festival gebucht wurden, boten an umsonst zu spielen, während Lovelorn Dolls (die auch noch nicht bezahlt wurden) sogar anboten, noch einmal zu spielen, falls das notwendig würde.

Das einzige was zu tun blieb war, das Lineup so zu organisieren, dass die Bands rechtzeitig ihren Flieger o.ä. erreichen konnten. Es brauchte etwas Überredungskraft, aber am Ende hatten wir ein Lineup dass bis nach 2Uhr morgens reichen würde. Zwischen diesen Verhandlungen kündigte ich die Bands an, die sicher auf dem Festival spielen würden.

Während ich mangels genug Informationen nicht sagen kann warum The Neon Judgement nicht spielten, so weiß ich jedoch, dass Front 242 schon genug Geld investiert hatten um Crew und Backline zu organisieren und ein paar tausend Euro mehr verloren hätten um ihren Auftritt zu stemmen. Ich kann komplett verstehen dass sie Nein gesagt haben und finde es sehr unfair dass sie jetzt von der Presse öffentlich als Sündenbock und als die belgische Band dargestellt werden, die nicht spielen wollten, während ausländische Bands gespielt haben.

Die Wahrheit ist, dass nur ein paar Acts wie Legend (wobei sie aufgrund der späten Stunde nicht spielen konnten), Lovelorn Lost, The Dallas Project, The Juggernauts, Asrai, Lescure 23, Whispers in the Shadows und sogar Tanzwut komplett kostenlos gespielt haben.
Der Rest, wie Peter Hook, Anathema, Therion, Killing Joke oder Absolute Body Control, wurde komplett oder teilweise bezahlt, wobei einige etwas kooperativer waren als andere. Zum Beispiel haben sowohl Anathema als auch Killing Joke sofort vorgeschlagen ihre Sets zu verlängern (Anathema) oder extended Versions zu spielen (Killing Joke), ohne zu sehr über den Rest vom Geld zu sprechen. Außerdem wurde Peter Hooks Backline genutzt damit Anathema und Therion spielen konnten.

Während ich diese Zeilen schreiben habe ich mehr als 100 Nachrichten von der Presse auf meinem Anrufbeantworter, weitere Interviews stehen an und so weiter. Vor dem Festival hatten sich nur ein paar Journalisten gemeldet. Drama verkauft sich besser, unglücklicherweise. Aber eines ist sicher, wenn die Kacke am dampfen ist, sieht man schnell wer loyal ist und wer von jeglicher Verantwortung davonrennt. Aus meiner Sicht, der Sicht des engagierten Pressesprechers, war das eine einmalige Erfahrung.

Mein Dank geht an die Leute, die das Festival für den Rest gerettet haben: Jelle, Maarten, Riet, Philip Lievens, Bart, Danny, Serge, Johan, Mark, Lisa, Sabine und all die anderen, deren Namen ich nicht kenne.

Cheers,
Bernard Van Isacker

 

Nachtrag: Schon am vergangenen Sonntag haben sich Fields of the Nephilim zu den Problemen geäußert. Aus ihrer Sicht liest sich der Vorfall etwas anders:

Für diejenigen die sich wundern oder enttäuscht sind, das ist auf dem EuroRock passiert: Wir sind aus England zur Show mit gemieteten Bussen, Fahrern etc. losgefahren, während unserer Reise waren wir in permanentem Kontakt mit der Festivalproduktion und bedauerlicherweise wurde nichts erwäht (wobei man sich zu diesem Zeitpunkt der Situation voll bewusst war). Nach unserer Ankunft auf dem Festivalgelände wurden wir darüber informiert, dass es eine „Situation“ gäbe. Für uns stellte sich heraus, dass es mehr als nur eine Situation ist: Das Equipment dass für uns gebucht wurde um zu spielen war nicht vor Ort, da der Organisator nicht dafür zahlen konnte. Keine unserer technischen Anforderungen wurde erfüllt. Kein Catering (die Jungs waren 10 Stunden lang unterwegs). Und um es noch schlimmer zu machen wurde uns gesagt, dass wir nicht bezahlt werden würden. Wir hatten keine Alternative außer uns in unser Hotel zurückzuziehen und zu akzeptieren, dass wir aufgrund von Problem jenseits unseres Einflussbereichs davon abgehalten werden würden, die Show zu spielen. Wir entschuldigen uns vielmals bei den vielen enttäuschten Fans, wir sind genauso enttäuscht.

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Matthias Irrgang
Von Anfang an dabei, lag mein Hauptaugenmerk zunächst vor allem auf der technischen Realisation des Magazins. Inhaltlich habe ich mich über die Jahre vom Allrounder weg, hin zu den Bereichen Konzertfotografie und Newsredaktion entwickelt. Man trifft mich regelmäßig vor den Bühnen diverser Clubs in NRW, sowie auf meinen Pflichtfestivals (M'era Luna, Amphi Festival).