Eins direkt vorab, hätte ich diese CD in einem Plattenladen stehen sehen, ich wäre vermutlich achtlos daran vorbeigegangen. Denn 5 rot ausgeleuchtete Damen mit stylischen Hochsteckfrisuren auf einem CD-Cover, lassen eher auf eine weitere, unnötige Girlyband a la Spice Girls und Konsorten, als auf einen skandinavischen Elektropop-Act, schliessen. Aber Lowe sind definitiv alles andere als die schwedische Antwort auf die wiedervereinten No Angels. Die Band, die im Jahr 2002 gegründet wurde, ist mit Jörgen „Leo“ Josefsson, Rickard Gunnarsson und Mehdi Bagherzadeh komplett in männlicher Hand und lässt sich musikalisch am ehesten irgendwo zwischen New Order, den Pet Shop Boys und Depeche Mode einordnen.

Im Jahr 2004 veröffentlichten Lowe ihr erfolgreiches Debutalbum „Tenant“. Es folgten einige Singleveröffentlichungen und schliesslich für Oktober 2007 die Ankündigung des zweiten Albums mit dem Titel „Kino international“. Während die drei Herren noch an ihrem offizielen Nachfolgewerk feilten, machten sich diverse Musiker aus Schweden, Frankreich, Polen, Russland und Deutschland an die Arbeit und begannen die einzelnen Songs des Debutalbums zu remixen. Schlussendlich fügte man noch einige bisher unveröffentlichte Songs aus dem Hause Lowe hinzu und Voilà fertig war ein Überbrückungsalbum mit dem Namen „Tenant Remixed“.

Nun soll der Sinn oder Unsinn reiner Remix-Alben an dieser Stelle gar nicht weiter hinterfragt werden. Doch bereits der erste Song auf „Tenant Remixed“ weiss Öl ins Feuer des Zweiflers zu giessen.
„Ahead of our time“, im Original ein flotter und eingängier Popsong, entpuppt sich hier schnell als eine ziemlich nervige, von einem alles übertönendern Beat überlagerte, Clubversion. Dieser erste verunglückte Remix lässt schonmal Schlimmstes befürchten, was einen im weiteren Verlauf dieser Doppel-CD wohl erwarten wird. Aber mutige Musikredakteure lassen sich nun mal nicht von einem schlechten Intro verschrecken, sondern harren schier unendliche 5 Minuten und 48 Sekunden tapfer aus und können dann beim zweiten Song endlich erleichtert aufatmen. Der Beat wird deutlich zurückgeschraubt, der Schwerpunkt verlagert sich zugunsten von Melodie und Athmosphäre. „Face to face“ ist ein eingängiger Song, der nicht nur in die Ohren, sondern auch in die Beine geht. Zweifelsohne liegt das Hauptaugenmerk dieses Silberlings, auch bei den folgenden Tracks, auf seiner Tanztempeltauglichkeit, aber im weiteren Verlauf zeigt sich auch, dass hinter Lowe richtig gute Songwriter stecken. Eingängige Refrains, kreative Songstrukturen und vorallem ein unglaublich emotionaler Gesang wissen zu gefallen. Inwieweit die einzelnen, elektronischen Spielereien nun „Original“, oder „Fälschung“ sind, kann ich hierbei nur schwer beurteilen, da mir bei den meisten Liedern einfach die Ursprungsversionen zum Vergleich fehlen. Fest steht jedoch der softerer Einsatz von Elektronik verträgt sich deutlich besser mit den sanften Vocals. Harte Beats, wie sie einem dann auf der zweiten CD teilweise wieder entgegen wummern, bilden einfach einen viel zu starken Kontrast. „Why complicate things…?“ fragen Lowe in dem Ohrwurm „Simplicity“. Die Frage stellte sich an der Stelle auch, denn manchmal wäre hier weniger einfach viel mehr gewesen.

Die zweite CD enthält neben weiteren Remixen des Debutalbums (darunter auch eine wesentlich gelungenere Version von “ Ahead of our time“), einige bisher unveröffentlichte Stücke. Die Tatsache, dass hier echte Raritäten zu finden sind macht „Tenant Remixed“, vorallem unter dem Aspekt betrachtet, dass die Auflage limitiert ist, für Lowe Fans natürlich zu einem echten Sammlerstück. Neueinsteiger sollten vielleicht zunächst mit der Originalversion „Tenant“ beginnen und dann überlegen, ob sie sich mit den Remixen anfreunden können.

Alles in allem, ist „Tenant Remixed“ trotz einiger etwas zu wagemutiger Entgleisungen, ein solides Electropop-Album, das Spass macht zu hören und sicherlich von vielen DJs sehr gerne in die Rotationsliste aufgenommen werden wird.

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Pamela Stahl
Pamela Stahl ist ehemalige Mitarbeiterin von Mindbreed.