Auch wenn die Wettervorhersagen Anderes ahnen ließen, so wurde das diesjähige Woodstage Festival kein Opfer der Willkür des Wettergottes – was letztenendes auch der guten Planung des Veranstalters zu verdanken war.
So kam es, dass sich an diesem Wochenende gut achttausend Besucher im idyllischen Gründelpark in Glauchau einfanden um bei 16 Bands gehörig zu feiern.
Doch bevor man sich ins Getümmel stürzen konnte, galt es zunächst einmal das Gelände zu finden. Trotz Beschilderung gestaltete sich dies zunächst als schwierig, und so führte der Weg letzten Endes quer durch das Gebüsch auf einem Trampelpfad Richtung Einlass.
Aufgeweichter Boden nahm die Besucher als Zeuge der nächtlichen Regengüsse in Empfang und ließ mich bereuen, die Boots im Hotel gelassen zu haben.
Umso überraschender war der Anblick des eigentlichen Festivalgeländes: Während der Bühnenvorplatz mit zentimeterdicken und rutschfesten Hartgummimatten ausgelegt war, wurden aufgeweichte Bodenbereiche großzügig mit Rindenmulch beschüttet, wodurch die größten Sauereien verhindert werden konnten.
Gesäumt von Bäumen lag die große Wiese unter freiem Himmel, und lud zum Verweilen und Ausruhen ein.
SAMSTAG
Felsenreich
Den Start in den Festivalsamstag machten Felsenreich. Als Newcomerband angekündigt, entpuppte sich die Formation, deren musikalischen Wurzeln gut und gerne 10 Jahre zurückreichen, als handfeste Gothrocker, die ihre Musik zu präsentieren wussten. Auch wenn die Deko und die dargebotene Bühnenshow recht mager ausfiel, so füllte sich der anfangs gut überschaubare Bühnenvorplatz in Kürze – hier überzeugte die Musik.
Lacrimas Profundere
Weiter ging es mit den Goth-Rockern von Lacrimas Profundere, welche sich bei zunehmender Zuschauermenge anschickten, die Massen gehörig anzuheizen. Mit ihrem aktuellen Album „Filthy Notes For Frozen Hearts“ schafften sie das auch recht gut, so dass Sänger Peter, der ehemals bei Fiddlers Green an der Gitarre stand und für den ausgeschiedenen Lacrimas Profundere Frontmann Christopher nun den gesanglichen Parn übernahm, sich durchaus überrascht äußerte.
Dass hierbei auch der Oberkörper entblößt wurde um sich etwas abzukühlen, gefiel vor allem den weiblichen Fans, so dass bei Hits wie „Sweet Caroline“ oder „Amber Girl“ sowohl auf als auch vor der Bühne gehörig gefeiert wurde.
Mit dem abschließenden „Ave End“ ging dann der nur halbstündige Auftritt zu ende.
Agonoize
Nun war es an der Zeit, andere Saiten aufzuziehen. Oder besser, die Saiten einmal ganz wegzulassen und mit Synthesizern, Keys und einem Vocoder zu ersetzen.
Jetzt war Zeit für Agonoize.
Während sich Mike und Oliver an den Pulten im Hintergrund positionierten und die ersten Takte von „Glaubenskrieger“ in den Gründelpark schallen ließen, betrat Chris, seineszeichens Frontmann von Agonoize, die Bühne, um sogleich mit seiner etwas gewöhnungsbedürftigen Show zu beginnen. Der unbedarfte Zuschauer dürfte sich bereits bei den Warnschildern mit der Aufschrift „Warning – There will be blood on the floor“ gefragt haben, was nun auf ihn zukommt…
Nach dem pseudo-satanischen Ausflug „999“ griff Chris zum Messer, welches sich nach einiger Spielerei zu den Takten von „Sacrifice“ in den (künstlichen) Pulsadern vergrub. Blut spritzte und wurde großzügig auf Sänger und Bühne verteilt – das Publikum ist hingerissen, Blutrausch am Samstag.
An Hits wurde nicht gespart, und so durfte „BangBang Goodbye“ genauso wenig fehlen wie „Death, Murder, Kill“ oder der Clubhit „Koprolalie“. Kaum war dieser verklungen, so meldete sich Chris am Micro und entschuldigte sich dafür, dass man dieses Jahr nicht auf dem Amphi Festival spielen würde – die Band sei „dem Orkus zu peinlich“. Und: „Ihr findet das peinlich? Dann hört euch das mal an!“. Sprachs, und versuchte sich an einer Coverversion des KISS Klassikers „I was made for loving you“. Und auch, wenn es nicht unbedingt peinlich war – ungewohnt war es auf alle Fälle.
Welle:Erdball
Die wiederholte Gotteslästerung von Agonoize hatte wohl irgendjemanden erzürnt, denn noch während der Umbauarbeiten zogen rasend schnell dunkle Wolken auf und entluden sich über dem Gründelpark. Doch noch bevor Welle:Erdball die Bühne betreten konnten, war dieser Spuk schon vorbei. Welle:Erdball gehört inzwischen zu jedem Festival dazu, so dass es fast unmöglich ist, sie noch nicht gesehen zu haben. Auch diesmal lieferten sie eine souveräne Show ab, und präsentierten neben wenigen Stücken vom neuen Album viele Klassiker, wie „Arbeit Adelt“ (leider ohne Fass-Drums), „Mensch aus Glas“, „Schweben, Fliegen und Fallen“ (mit den obligatorischen Luftballons) und „Starfighter F-104G“ (inklusive kleiner Vorab-Kritik an unseren amerikanischen Freunden) bei dem kleine Papierflugzeuge in die Publikumsmassen geschickt wurden .
Überraschenderweise gab es auch neues von Welle:Erdball zu hören: Plastique präsentierte das Stück „Ich bin aus Plastik“ (eine Hommage an Barbie®puppen?) als Solonummer.
Tanzwut
Einen harten Kontrast boten jetzt Tanzwut, welche in ungewohntem Outfit die Bühne enterten. Statt Lederklamotten mit Metallbeschlägen gab es jetzt Uniformen und Anzüge zu sehen, die am ehesten aus der Garderobe des Filmklassikers „Beetlejuice“ stammen könnten. Nach einem kurzen Orgelintro gab es mit „Toccata“ volle Kanne auf die Ohren bis der „Vulkan“ fast auszubrechen drohte. Stücke des neuen Werks „Schattenreiter“ wechselten sich mit altbekannten Stücken ab, so dass auch Fans der ersten Stunde bei Tracks wie „Lügner“, „Der Wächter“ oder „Bitte Bitte“ voll auf ihre Kosten kommen konnten.
Die Meute von Tanzwut mag zwar anders aussehen, jedoch spielen sie mit der gleichen Begeisterung und Hingabe wie eh und jeh – und mit noch mehr Power!
Paradise Lost
Man muss die Band um Frontmann Nick Holmes schon mögen, um einem Auftritt etwas abgewinnen zu können. Die gut zwanzigjährigen Geschichte scheint nicht ganz spurlos an der Band vorbeigegangen zu sein, denn nach anfänglichen Problemen mit der Technik erwartete das Publikum eine unspektakuläre Show Goth-Rock Show ohne besondere Highlights. Dass der Auftritt auf gerade einmal 45 Minuten beschränkt und auf den frühen Abend terminiert war, schien nicht unbedingt zur guten Laune des Sängers beizutragen, der fast schon energielos sein Programm abspulte.
Für Fans der Band sicherlich ein interessanter Auftritt, für alle anderen lediglich ein Pausenfüller im abendlichen Programm.
Blutengel
Apropos mögen: Das Blutengel nicht jedermanns Sache ist, dürfte wohl ebenso bekannt sein wie der Hang von Sänger Chris Pohl zur Melodramatik. Für den Woodstage-Auftritt bedeutete dies, die Geheimformel „Nackte Haut + Blut + Pyroeffekte = Gute Show“ herauszukramen, und damit Eindruck zu schinden. Um etwas Neues zu bieten, gab es obendrein noch mehrere TFT Screens mit lodernden Flammen und Teufelsfratzen.
Gesanglich und qualitativ hielt sich das Ganze eher in Grenzen und sorgte höchstens bei eingeschworenen Blutengel-Fans für Begeisterung. Da konnten mich auch nicht die maskierten Kuttengestalten mit lodernden Fackeln beeindrucken, denn sowohl von Gesang als auch Inhalt wurde hier zu dick aufgetragen.
And One
Jetzt hieß es Bühne frei für den heimlichen Headliner des Samstags: Gut gelaunt betraten Steve, Chris und Gio die Bühne, wo Steve auch flugs mitteilte: „Hiermit erkläre ich das Woodstage Festival für eröffnet!“. Musikalisch wurde alles geboten, was man sich wünschen konnte: Neben den üblichen Verdächtigen wie „Steine sind Steine“, „Deutschmaschine“ oder „Technoman“ (zusammen mit Chris) gab Steve seine Coverversion von Project Pitchforks „Timekiller“ zum Besten, welche von der Menge begeistert aufgenommen wurde.
Um die Zeit bestens auszunutzen blieb das dynamische Trio gleich auf der Bühne um den Rufen nach Zugaben gerecht zu werden (O-Ton Steve: „Ihr wollt es doch auch..!“), welche dann mit „Krieger“ (inklusive der obligatorischen „Sweet Dreams“ Einlage), „Military Fashion Show“ und „Get you closer“ vor einem ausgelassen-feiernden Publikum abgeleistet wurden.
Type o Negative
Den samstäglichen Abschluss sollte die Band um Frontmann Peter Steele headlinen, welche um 23Uhr ihren Auftritt mit einem minutenlangen Intro auf hellgrün erleuchteter Bühne begannen. Was auch immer da aus den Boxen drang, klang nach einer Persiflage von Sesamstraße und den Schlümpfen und nervte nach kürzester Zeit ungemein.
Vielleicht lag es an den hohen Erwartungen an die Band, den inzwischen niedrigen Temperaturen oder an dem vorausgegangenen Auftritt von And One – bereits nach wenigen Stücken leerte sich der Bühnenvorplatz merklich. Vielleicht lag es aber auch an dem, was sich auf der Bühne abspielte, denn einen derart unmotivierten Auftritt habe ich für meinen Teil lange nicht mehr gesehen, und so zog es mich nach gut 20 Minuten auch in mein Hotel.
SONNTAG
Nach einer verhältnismäßig kurzen Nacht sollte es am Sonntag erst um 14 Uhr losgehen – also mehr als genug Zeit, sich auf den zweiten Festivaltag vorzubereiten.
Beim Betreten des Geländes fiel sofort die große Zahl an Manson-Shirts auf, welche den abendlichen Auftritt ankündigten. Erfreulicherweise hatte das Wetter ein Einsehen mit den Festivalbesuchern, so dass es angenehm warm und trocken war, was viele auf die Wiesen zum Sonnen und Relaxen zog.
Krieger
Die Newcomer Krieger, einigen bereits durch ihre Supportauftritte bei der vergangenen In Extremo Tour bekannt, hatten die undankbare Aufgabe, den Sonntag musikalischn zu eröffnen. Ansich wäre das auch nicht weiter schwer gewesen, jedoch bewegt sich diese Band in einer Musikrichtung die auf dem Woodstage absolut fehl am Platz war. Da half auch die souveräne Bühnenshow nicht – während der ersten Hälfte des Auftritts standen mehr Fotografen im Fotograben als Zuschauer vor der Bühne, und erst während ihres letzten Stückes „Heimat“ füllte sich der Vorplatz auf – jedoch mit Fans der Folgeband…
Jesus on Extasy
Bereits vor Beginn der eigentlichen Show zogen zwei Luftballonverteilerinnen durch die Reihen, so dass während des Gigs allerorts schwarze JoE Luftballons zu sehen waren. Los ging es mit „Drowning“, was von den Zuschauern begeistert aufgenommen wurde. Wurde in den letzten Monaten ein regelrechter Hype um die Band entfacht, konnte man sich jetzt von den Livequalitäten überzeugen – und ich für meinen Fall wurde hier alles andere als enttäuscht! Die Kombination aus frischer origineller Musik und einer überzeugenden Show sorgte für Bewegung in den Reihen und bot einen idealen Einstieg in den Festivalsonntag.
Fiddlers Green
Einen harten Kontrast bildeten Fiddlers Green, deren Speedfolk wieder einmal die Massen ins Wogen brachte. Mehr als eintausend Shows hat die Band bereits erfolgreich absolviert, ohne sich dabei selbst zu kopieren oder einfallslos zu wirken. Dass der obligatorische „Widderman“ zunächst die Bühne stürmte um die Fans anzuheizen gehörte ebenso selbstverständlich dazu wie das Plastikschaf, welches mit angeklebtem Ohr auf der Bühne verharrte.
Auch wer mit irischer Musik ansonsten nicht so viel anzufangen weiß, dürfte hier auf seine Kosten gekommen sein – wenn Fiddlers Green kommen, ist Party getreu dem Motto „Folk´s not death“ angesagt, so dass hier zu altbekannten Hits wie „The night Pat Murphy died“, „Shut up and dance“ oder „Queen of Argyll“ abgefeiert wurde.
Die Krupps
Wer bereits 25 Jahre auf der Bühne steht braucht sich um seine treuen Fans nicht zu sorgen. Dass diese auch auf dem Woodstage zahlreich vertreten waren, bemerkte man bereits in der Umbauphase: Man könnte es fast schon einen Generationenwechsel nennen, denn binnen kürzester Zeit stieg das Durschnittsalter auf dem Vorplatz um mindestens 10 Jahre. Die Krupps, wie immer mit metallenen Bühnenaufbauten und dem hochmotivierten Frontmann Jürgen an vorderster Stelle, gaben getreu ihrem letzten Tourmotto „25 Jahre Wahre Arbeit Wahrer Lohn“ alles, und präsentierten einen musikalischen Querschnitt durch ihre bewegte Bandgeschichte. Mit dem gleichnamigen Track sowie „Fatherland“ als Zugabe verschwanden die Krupps nach nur 50 Minuten Spielzeit wieder von der Bühne.
Project Pitchfork
War einem unter den Festivalbesuchern schon der ein oder andere mit blauem „Zierstreifen“ im Gesicht aufgefallen, so kam nun mit Peter Spilles das Original auf die Bühne. Unter bedrohlich schwankenden Querbauten etliche Meter über der Band legte sich Project Pitchfork mächtig ins Zeug. Selbstverständlich durfte „Timekiller“ nicht fehlen, welches von Peter „mit kleinem Gruß an alle And One Fans da draußen, die glauben das Original sei von And One“ vorgetragen wurde. Steve Naghavi, welcher im Bühnengraben dem Konzert zuschaute, fand es offensichtlich lustig…
Auch hier wurde der Zeitdruck der Organisatoren spürbar, denn nach der Zugabe „The Seeker“ verschwand die Band schnell von der Bühne um dem Umbauteam Platz zu machen.
Lacrimosa
Unter ohrenbetäubendem Gekreische weiblicher Fans betrat Tilo Wolff die Bühne, in deren Hintergrund ein unübersehbares „Lichtgestalt“ Banner prangte. Mit den Worten „Wunderbar euch anzusehen, ihr seht so schön aus!“ eröffnete Frontmann Tilo sein Konzert, das im Großen und Ganzen aus den üblichen Hits bestand. Neben „Alles Lüge“, welches passenderweise direkt im Anschluss an Tilos blumige Worte gespielt wurde, gab es mit „Brennender Komet“, „Der Morgen danach“ und dem kontrovers diskutierten „Stolzes Herz“ jede Menge Pathos für die Zuschauer.
Marilyn Manson
Kaum war Lacrimosa von der Bühne verschwunden, verdeckte ein gigantischer schwarzer Vorhang mit blutrotem „MM“ den Blick auf die Bühne. Lediglich vereinzelt aufblitzende Taschenlampen zeugten vom geschäftigen Treiben hinter dem Blickschutz. Eine Viertelstunde vor Konzertbeginn hüllten dann dichte Nebelschwaden die Bühne ein und zogen gen Innenstadt – die Spannung stieg ins Unermessliche.
Pünktlich um 21.50Uhr fiel der Vorhang und enthüllte den Blick auf – blutroten Nebel.
Mr. Manson stolzierte aus eben jenem zu den Takten von „If I was your vampire“ und leitete damit den Höhepunkt des Sonntags ein. Wurde im Vorfeld eine völlig neue Bühnenshow propagandiert, offenbarte sich das Programm als gute Mischung aus Stücken des neuen Albums „Eat me, drink me“, welches mit alten Klassikern durchsetzt war. So gab es neben „Tainted Love“, „Sweet Dreams“, „mObscene“ und „I don´t like the drugs“ auch den „Fightsong“, bei welchem die Massen frenetisch „Fight! Fight!“ skandierten.
Nebel, wechselnde Kostümierung von Marilyn Manson und die fantastische Lightshow sorgten für einen Höhepunkt nach dem anderen, so dass die Zeit sondergleichen verflog. So kam es, dass als „The beautiful people“ unter Begleitung eines Konfettiregens zu Ende ging und die Band mit einem gewaltigen Knall die Bühne verließ, man noch gar nicht richtig glauben konnte, dass das Konzert zu Ende war. Schade, aber Punkt 23 Uhr war Schluss.
Alles in Allem bleiben durchweg positive Eindrücke an das Festival selbst zurück. Eine gute Organisation, nette Securities sowie eine geniale Location bildeten den perfekten Rahmen für eine solche Veranstaltung.
Schade war lediglich, dass im Vergleich zu anderen Festivals keine Aftershowparties eingeplant waren, was aber wohl an der Location und den mangelnden räumlichen Voraussetzungen vor Ort lag. Vielleicht lässt sich dies in den kommenden Jahren ändern.
Ich blicke zumindest auf ein meiner Meinung nach rundum gelungenes Festival zurück und freue mich auf nächstes Jahr!












