Die Stadt Moers liegt am unteren Niederrhein im Westen des Ruhrgebiets in Nordrhein-Westfalen. Soviel vorab zur geographischen Orientierung. In Sachen guter Gothic und Rockmusik ist dieses Städtchen ein nahezu unbeschriebenes Blatt und daher wohl nur den wenigsten überhaupt ein Begriff. Während zu Pfingsten das „schwarze Volk“ geschlossen gen Leipzig zum WGT pilgert, zelebriert man hier zu dieser Zeit lieber alljährlich ein grosses Jazzfestival.
Umso gieriger, sollte man da meinen, müsse doch der Moerser Underground sein, wenn sich endlich mal ein wirklich guter GothRockAct aus der fernen Schweiz hierhin verirrt, diesem seltenen Highlight auch beizuwohnen. Doch diese Rechnung ging für „Stoneman“ und ihre Vorband „Incredi-Ballz“ leider nicht auf.

Als Veranstaltungsort hatte man die „Volksschule“, ein alteingesessenes Jugendkulturzentrum in der Innenstadt, gewählt. Bereits um 18.00 Uhr öffneten die Pforten der „Volksschule“ und tatsächlich einige schwarzgewandete Gestalten fanden sich schon zu dieser frühen Uhrzeit hier ein. Noch bestand also Hoffnung, dass es ein gut besuchtes Konzert werden würde. Während einige beschlossen die restliche Wartezeit im sommerlichen Park, oder einer nahen Eisdiele zu verbringen, nutzten andere die Gelegenheit die Örtlichkeit vorab schonmal etwas genauer zu inspizieren. Neben dem JUZ üblichen Equipment, wie einem wenig spannenden Kickerautomaten, traf der erstaunte Konzerbesucher hier auf den wohl kleinsten Konzertsaal der Welt, der dann allerdings trotz seiner geringen Größe, mit insgesamt nur 16 Gästen im Laufe des gesamten Abends, übersichtlich leer bleiben würde.

Den Anfang des eigentlichen Konzertabends machten dann um 21.15 Uhr die „Incredi-Ballz“. Was auf dem Flyer als Goth-Death-Rock angekündigt wurde, entpuppte sich schnell als reine Hardcore Geschichte mit vielleicht hin und wieder einer winzigen Spur Südstaaten-Hill-Billy-Trash untermalt. Rock oder gar Gothicelemente suchte man hier vergebens. Aber die „Incredi-Ballz“ machten gute Miene zum bösen Spiel und rockten für die 16 anwesenden Besucher als wären es mindestens 160. Nach anfänglicher Unsicherheit im Publikum sprang der Funke schliesslich auch hier über und man begann ungehemmt zu moshen und zu pogen. Das wiederum motivierte Sänger und Gitarristen nun auch dazu sich von der Bühne unters Volk zu mischen und der Auftritt der „Incredi-Ballz“ mutierte damit praktisch zu soetwas wie einer kleinen privaten Party. Das Publikum hatte seinen Spass, die Band nahm die Situation mit Humor und nach einer guten dreiviertel Stunde inklusive Zugabe verliessen die „Incredi-Ballz“ allen voran ihr gut gelaunter Sänger, der während dieses Auftrittes häufiger das Wort „Fuck“ in den Mund genommen hatte, als Ozzy Osbourne persönlich es getan hätte, die Bühne.

Es folgte eine 15 minütige Umbaupause, die der „Incredi-Ballz“ Frontman alsgleich dafür nutzte seine aktuelle CD persönlich an den Mann oder die Frau zu bringen. Und da der Sänger mit dem Schweizer Akzent, dieses Unterfangen mit einem wesentlich charmanteren Wortschatz, als noch ebend auf der Bühne zu hören war, anging, gelang es ihm auch den einen oder anderen Silberling zu verkaufen.

Zu dem wohl bekanntesten Stück der Carmina Burana „O Fortuna“ betrat dann schliesslich um 22.15 Uhr der Hauptact die Bühne. Sänger Mikki Chixx verlor keine allzu grossen Worte an das Publikum und das Konzert ging direkt los. Anfängliche Probleme mit der Aussteuerung seines Mikrofons wurden erst drei Songs später behoben. Danach wurde dann für wirklich jeden spürbar, dass in dem fast zierlich wirkenden Sänger eine ganz enorme Stimmgewalt steckt. „Stoneman“ spielten an diesem Abend einen mehr als soliden Gig, nur leider gelang es ihnen im Vergleich zu ihren Vorgängern nicht wirklich die zweifelsohne sehr verständliche Enttäuschung über den leeren Konzertsaal zu überspielen. Die etwas angeschlagene Stimmung auf der Bühne transportierte sich dann unglücklicherweise auch auf das anwesende Publikum, so wurde der Applaus von Song zu Song immer verhaltener und selbst ihr grösster Hit „Devil in a Gucci Dress“, oder das von Mikki wirklich sensationell interpretierte „I am taking your life“ konnten die Situation nicht wirklich retten. Nach einer dreiviertel Stunde, gefüllt mit den besten Songs aus dem Stonemanschen Musikrepertoire, um Punkt 23.00 Uhr verabschiedete sich Frontman Mikki genauso knapp wie er zuvor die Bühne geentert hatte von dem Publikum und verliess den Konzertsaal. Die restliche Band folgte ihm auf den Fuss und der Konzertabend in der Moerser „Volksschule“ war vorbei. Niemand der Anwesenden forderte eine Zugabe und nachdem die ersten Helfer anfingen, das Equipment abzubauen war auch dem letzten klar, dass es definitiv keine geben würde.

„Stoneman“ und „Incredi-Ballz“, sind sowohl optisch als auch musikalisch gesehen, zwei sehr unterschiedliche Bands, die beide auf ihrem Gebiet grosses Potential besitzen. Unter musikalischem Aspekt betrachtet haben beide Bands an diesem Abend ein für sich perfektes Konzert gespielt. Selbstverständlich ist es mehr als bitter vor einem so kleinen Publikum performen zu müssen, doch ein guter Musiker muss für einen einzigen Besucher genauso enthusiastisch spielen können, als wären es Tausend. „Stoneman“ sind zweifelsohne eine verdammt gute Band, die mit „sex.drugs.murder“ ein ebenso gutes Album veröffentlicht haben. Neben weiterem Erfolg für ihre musikalische Laufbahn möchte man den Herren aus der Schweiz nur eine Spur mehr Gelassenheit und Souveränität wünschen, um zukünftig auch schwierige Liveauftritte besser meistern zu können.

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Pamela Stahl
Pamela Stahl ist ehemalige Mitarbeiterin von Mindbreed.