Wir schreiben den 16. Februar 2007. Man kann seine Augen und Ohren einfach nicht davor verschliessen: König Karneval scheint ganz Deutschland in seiner Hand zu haben. Fast ganz Deutschland …

Als einem bereits seit Tagen von Jecken und sonstigen absonderlichen Frohnaturen geplagtem Ruhrpottkind war mir natürlich kein Weg zu weit, diesem grausigen Schicksal wenigstens für kurze Zeit zu entrinnen. So kam es also, dass ich mich am Freitag Nachmittag schleunigst von meiner immer lauter „Viva Colonia“ gröhlenden Nachbarschaft verabschiedete, um der Einladung ins idyllische, wenn auch nicht gerade um die Ecke liegende Hessen, zu einem Karneval Event, der etwas anderen Art zu folgen – dem CARNEVAL NOIR PART II.

Nach dem grossen Erfolg der Veranstaltung im Jahre 2005 war dies bereits der zweite Carneval speziell für die dunkle Szene, den die Veranstalter von MusicXtreme mit viel Liebe zum Detail ausgerichtet haben. Schon die Wahl der Location, die Goldene Krone in Darmstadt, ein bereits 350 Jahre altes Gebäude, dessen uriger Charme und düsteres Ambiente einfach Kultstatus hat, wirkte vielversprechend. Und dieser erste Eindruck sollte sich auch im Laufe des Abends weiterhin bestätigen, denn als sich um 21.00 Uhr die Türen für die Besucher öffneten, wurde allen schnell klar, dass einem hier definitv eine ganze Menge fürs Geld geboten wurde.

Neben dem musikalischen Hauptprogramm, welches sich im oberen Konzertsaal abspielte, befand sich auf der unteren Ebene der Krone ein Discobereich, indem sich DJ Lothar (Seelenzorn) und DJ Tino die Hand gaben, um das dunkle Volk zum Tanzen zu bringen. Weiterhin galt es diverse Verkaufsstände zu entdecken und zu plündern, und als ganz besonderes Schmankerl entpuppte sich einer der Nebenräume als kleines, altes Kino, in das man sich zurückziehen konnte, um sich die Gruselklassiker „The Corpse Bride“, „Tanz der Vampire“ und „Night of the Living dead“ in aller Ruhe anzusehen.

Die zwei Etagen der Krone waren an diesem Abend mit einigen Fledermausgirlanden, Spinnennetzen und sogar Schälchen mit Weingummifledermäusen dezent und unaufdringlich dekoriert. Ein Lob an dieser Stelle für soviel Stil, denn jegliche Sinnesüberreizung durch allzuviel Dekogedönse hätte sich zum einen mit dem Ambiente der Location nur schlecht vertragen und weiterhin wurde auch auf diesem Wege die Distanz zum gewöhnlichen Karneval nochmals gewahrt.

Das erste Konzert begann dann aus Rücksicht auf ein Fußballspiel, das an diesem Abend lief, erst um 23.00 Uhr. Ein wenig Erstaunen über die neugewonnene Erkenntnis, dass es tastsächlich Gruftis gibt die Fußball schauen, sei mir an dieser Stelle erlaubt. Doch fiel der etwas verspätete Konzertbeginn in keiner Form negativ auf, da es einfach genug Ablenkung gab und Langeweile an diesem Abend definitv ein Fremdwort war.

Als erste Band spielten die GothRocker von Reptyle. Nachdem Murder at the Registry aufgrund eines bandinternen Krankheitsfalles leider kurzfristig absagen mussten hatten sich die 4 Jungs aus Bielefeld glücklicherweise eben so schnell dazu entschlossen diese Lücke zu füllen.

An dieser Stelle sendet das Mindbreed-Team auch noch einmal beste Genesungswünsche nach Braunschweig.

Reptyle spielten zweifelsohne einen soliden Gig, doch gelang es ihnen nicht immer das anwesende Publikum wirklich mitzureissen. Sänger Zulu informierte die Anwesenden zwischendurch über die Tatsache, dass Frankfurt das bereits erwähnte Fußballspiel verloren hatte. Diese Information erzeugte allerdings keine Stimmungsänderung im Publikum, weder zum Positiven noch zum Negativen. Reptyle rockten also munter weiter und wurden nach ihrem Auftritt dann auch mit gebührendem Applaus verabschiedet.

Nach einer Pause, die man nutzen konnte, um sich den anderen gebotenen Attraktionen zu widmen, oder aber einfach nur um einmal zu verschnaufen, enterten dann Miguel and the Living Dead aus Warschau die Bühne. Der leicht trashige Auftritt der Horror-Punk-Goth´n Roller machte jetzt einfach allen Anwesenden, sowohl auf der Bühne, als auch vor selbiger, riesigen Spaß. Wenn Sänger Nerve69 zu den Fans hinabstieg, um Wodka trinkend durch die ersten Reihen zu tanzen, hatte man auch keine andere Wahl als begeistert mitzufeiern. Auch den übrigen gruselig geschminkten Musikern war die Freude an der eigenen Musik untrüglich ins Gesicht geschrieben. Sicherlich mit eine der wichtigsten Vorraussetzungen für einen Musiker, um selbst das skeptischste Publikum von sich überrzeugen zu können. Doch Überzeugungsarbeit war in diesem Fall wirklich nicht von Nöten. Der skurril-morbide Auftritt von Miguel and the Living Dead bildete eindeutig das grosse Highlight dieses Abends und das polnische Gruselkabinett konnte ganz bestimmt den einen oder anderen neuen Fan für sich gewinnen.

Im Publikum selber fand man dann auch den ein oder anderen maskierten, bzw. verkleideten Gast, doch die Zahl der Krankenschwestern, Dominas und sonstigen blutverschmierrten Gestalten hielt sich in Grenzen. Der Großteil der Besucher hatte sich nämlich einfach in seine Standardkluft geschmissen. Wobei böse Zungen natürlich behaupten könnten, dass die Grenzen zwischen Gothicstyle und Karnevalsschick heutzutage irgendwie immer schwammiger werden…

Wie dem auch sei, verkleidet, oder nicht – das Publikum war berechtigterweise begeistert von dieser Veranstaltung, die auch nach dem Auftritt von Miguel and the Living Dead noch lange nicht vorbei war!

Fazit: Der Carneval noir Part II war ein rundum gelungener und perferkt organisierter Abend, der mit zwei Konzerten, einem Gruselkino, diversen Verkaufsständen, sowie einem Tanzbereich wirklich viel an guter Unterahltung zu bieten hatte. Ein Herzliches Dankeschön nochmal an die Veranstalter für eine mehr als willkommene Alternative zu dem üblichen, nur schwer zu ertragenden Karnevalseinheitsbrei.

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Pamela Stahl
Pamela Stahl ist ehemalige Mitarbeiterin von Mindbreed.