Totgesagte leben länger.
Megaherz, eine der bekanntesten Vertreter der Neuen Deutschen Härte, stehen erstmals seit drei langen, krisengeschüttelten Jahren endlich wieder auf der Bühne und touren durch Deutschland. Wir waren live vor Ort im Underground zu Köln um zu sehen ob und wie die Band ihre Krisenjahre gemeistert hat.
Denn für viele war seit langer Zeit klar: Diese Band ist tot.
Ursache war eine fortwährende Krise, die ihren Anfang 2003 nahm, als sich Frontmann und Mitbegründer Alexander „Alexx“ Wesselsky und Noel Pix vom Rest der Gruppe trennten um kurz darauf mit Eisbrecher ihr eigenes Projekt weiterzuspinnen. Ein Ersatz wurde für die nächste Zeit zwar in Matthias „Jablonski“ Elsholz gefunden, der jedoch stieg aus mysteriösen Gründen mitten während der Tour 2005 wieder aus. Auf der Strecke blieben damals vor allem die Fans und es wurde lange, lange Zeit sehr still um Megaherz. Sollte das wirklich das Ende einer Band sein, die in den 90´ern noch beinahe in einem Atemzug mit Oomph! oder Rammstein genannt wurde… ?
Vor kurzem meldete sich die Band zurück mit einer neuen Besetzung, einem neuem Frontmann und vor allem einem neuen Album. Der neue Mann am Mikrofon heißt lustigerweise ebenfalls Alexander, aber um die Verwirrung der Fans in Grenzen zu halten nennt man ihn schlichtweg Lex und nicht Alex(x). Vielleicht ist das auch ein Entgegenkommen, denn alte Gewohnheiten sterben ja bekanntlich nur langsam. Mit Lex scheint sich die Band jedenfalls endlich wieder gefunden und gefangen zu haben. Also auf zu neuen Taten!
Kurz vor Konzertbeginn herrscht eine entspannte Stimmung mit viel Geplauder und etwas Soundcheck. Auch als die Lichter ausgehen und die Vorband die enge Bühne betritt verdichtet sich die Menge auf dem mit Metallplatten verschraubten Boden nur unmerklich. Die lockere Zuschauermenge scheint neugierig und lauscht den Klängern aufmerksam. Durch die blaue Beleuchtung hinter den durchlöcherten Blenden, die hier überall an den Wänden verlaufen, macht sich eine gluhmige Atmosphäre im Raum breit, als die ersten synthetischen Klänge der Vorband aus den Lautsprechern durch die Halle schallen. „Soon“ heißt die Gruppe, sie kommt aus Hamburg und böse Zungen im Internet behaupteten im voraus, sie würden der eigentlichen Hauptband locker die Show stehlen.
Tatsächlich hat man es hier mit einer der dankbareren Vorbands zu tun, die nicht bei jedem Zucken noch eine Extra-Extra-Zugabe spielen oder ihre nackten Oberkörper bei jeder Gelegenheit zur Schau stellen wie sonst nur B-Promis ihre vermalledeiten Hackfressen im Privatfernsehen. Wer will denn auch schon wissen ob der Schlagzeuger wirklich den Namen seiner Freundin in seine Brusthaare einrasiert hat?!
Geschwätz beiseite: Soon punkten mit guten, ehrlichen Riffs mit einer Musik, die ein wenig wie ein Nachhall auf Nu-Metal klingt. Geprägt sind die durchweg englisch gehaltenen Songs vor allem durch eine variable Rhythmik, die einen starken Reiz ausübt und kräftige Riffpassagen, die in den Strophen meist kurz und knackig, in den Refrains meist lang und gedehnt auftreten, aber stets wuchtig bleiben. Abgerundet wird das Ganze durch eine an sich etwas schwache (lag möglicherweise am leisen Mikro), dafür aber sichere Gesangsstimme, die nicht selten für ein zusätzliches, melodisches Element sorgt. Kurzum: Eine gute Mischung, die greift – was sich an den mitwippenden Füßen im Publikum zeigt. Ab und an werden einige nicht allzu technische, aber dafür umso stimmigere Gitarrensoli eingebaut, manchmal auch ein paar elektronische Effekte. Interessant: Der Gitarrist schlägt ab und an mit einem Drumstick auf einem Effektgerät rum und benutzt ihn dann auch gleichzeitig als Plek. Nach dem letzten Song erhält die Band einen braven Applaus vom Publikum und es gibt sogar einen Zugaberuf, den die Band aber gottseidank nicht beantwortet – Das Down Below-Syndrom scheint abgewehrt. Und so verlässt möglicherweise die Traumvorband einer jeden Schwiegermutter die Bühne, baut die Instrumente ab und den eigenen Merch-stand auf.
Die Publikumskonsistenz erinnert an eine Art Mini-Rammstein im Terrarium, denn es ist erstaunlich bunt gemischtes Volk zu Gange. Neben den üblichen Verdächtigen finden sich auch einige Skater oder auch komplett „normal“ wirkende Leute im Underground. Mich sprechen unter anderem ein Altrocker und sogar ein bald ehemaliger Hip Hopper an, der mit seinem grellen weißen Kapu und dem Palituch aus der weitestgehend dunklen Menge hervorsticht wie ein Finne im Matrosenkostüm.
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Als Megaherz dann auftreten ist der Bühnenvorraum natürlich mit einem Mal sehr viel dichter besetzt als zuvor und auch die Stimmung schlägt schlagartig um. Das Sängermikro ist lauter gestellt, der Sound der Gitarren wuchtig wie eh und je, bereit, die Masse an die Wand zu spielen. Das Publikum ist jetzt nicht mehr locker-interessiert, es ist aktiv und in bester Laune. Der erste Song an diesem Abend ist „Das Tier“ vom neuen Album „Heuchler“. Dass Lex auf den ersten Blick eher wie das Stuntdouble von Alexx anmutet und nicht wie ein komplett neuer Sänger, ist angesichts der vollkommen überzeugenden Performance der Band schnell vergessen. Fest steht: Das ist der Sänger der Gruppe und über alle anderen Zweifel ist man erhaben. Es ist viel Bewegung auf der Bühne und man sieht den Musikern ihre Freude am Spielen deutlich an. Das Publikum vergilt es ihnen mit guter Stimmung und einem kräftigem Applaus. Die Band beweist bei der Setlist Fingerspitzengefühl und tut das einzig Richtige: Sie setzt gezielt auf altes Material und spielt gleichermaßen Songs, die seit Jahren gut ankommen wie „Glas und Tränen“ oder „Herzblut“, als auch neue Songs wie „Ebenbild“ oder „Fauler Zauber“. Gut ist das deshalb, weil das neue Album „Heuchler“ nicht bei allen Fans auf Begeisterung stieß und Songs wie „Liebestöter“, „Jordan“ oder „5. März“ nicht groß hinterfragt werden. Wozu auch?
Die Gruppe überzeugt einfach. Die Stimmung ist ausgesprochen gut und sowohl Band als auch Fans sind begeistert als mit dem Song „5. März“ das erste Highlight des Abends gespielt wird. Der Dialog zwischen Bühne und Publikum funktioniert perfekt und es gibt kaum einen der nicht die Songs lauthals mitsingt.
Mittendrin wartet Megaherz mit einer kleinen Überraschung auf. „Meine Band fragt mich gerade, welchen Song wir spielen sollen?“, spricht Lex und überlässt die Wahl dem Publikum, das sich mit lautstarken Rufen nicht für „L´aventure“ sondern für „Kaltes Grab“ entscheidet. In einem anderen kleinen Exkurs erzählt er von seinem ersten Konzert mit Megaherz in Moskau und von der Angst einen weiteren Klassiker zu vermasseln, was aber damals wie heute nicht passierte: „Kopfschuss“. Kurz vor Ende nimmt die Band noch einmal ein wenig Tempo raus ohne an Qualität einzubüßen. „Freiflug“, „Es ist egal“ und „Alles nur Lüge“ sind gleichermaßen Songs mit Biss, in denen man sich noch einmal treiben lassen kann bevor es ans Finale geht. Interessanterweise stammen diese drei Songs aus allen drei Phasen der Bands (Alexx, Jablonski, Lex).
„Heuchler“ räumt nochmal richtig ab mit seinem stampfenden Rhythmus und wirkt live deutlich lebendiger als auf dem Album. Das Publikum stimmt lauthals mit ein. Das Beste haben sich die 5 aber mit „Gott sein“ für den Schluss aufgehoben, was zumindest für mich das absolute Highlight des Abends ist. Der Song ist einfach kult und bleibt eben einfach kult. Die Band ist noch nicht von der Bühne als schon die ersten „ZUGABE!!“ brüllen und diese lässt dann auch nicht lange auf sich warten.
Als die Truppe unter dem lautstarkem Applaus der Zuschauerschaft wieder die Bühne betritt, nutzt Lex noch schnell die Gelegenheit um Werbung für eine Autogrammstunde im Dark Ages und das morgige Konzert in Bochum zu machen. Gespielt werden „Himmelfahrt“, „An deinem Grab“ und selbstverständlich das Stück mit dem wohl irgendwie jedes Konzert von Megaherz auhören muss: „Miststück“. Und das, wie wohl bei jedem Konzert von Megaherz mit der starken Unterstützung des Publikums. Das Konzert kommt so gut an, dass die Band auch ein zweites Mal nach einem weiteren Abgang wieder hinter der Bühne hervorapplaudiert wird und für die begeisterte Menge nochmal „Morgenrot“ abgibt, bevor sie sich noch einmal bei den Zuschauern bedanken und mit Verbeugungen und den üblichen Ritualen ihren verdienten Applaus genießen. Alle restlichen Zugaben gibt es anschließend am Merchandisestand, wo die Band dann für alle Fragen und (Autogramm)wünsche zur Stelle steht.
Fazit: Geblendet, verhungert und verendet, die beste Zeit verschwendet?
Mitnichten! Megaherz beweisen derzeit, dass sie noch immer kräftig rocken und wissen wie man ein gutes Konzert schmeißt, auch wenn sie nicht der Phönix aus der Asche sind. Die Show im Underground war solide gespielt, hatte eine sehr gute Setliste und vor allem ein begeistertes Publikum. Megaherz sind wieder voll und ganz da! Zumindest live.
Hier geht es zur Bildergalerie.
Setliste
Das Tier
Liebestöter
Jordan
Schau in mein Herz
Ebenbild
Fauler Zauber
Herzblut
Beiß mich
5. März
Kaltes Grab
Glas und Tränen
Kopfschuss
Mann von Welt
Freiflug
Ja genau
Alles nur Lüge
Heuchler
Gott sein
—-ZUGABE—-
Himmelfahrt
An deinem Grab
Miststück
—–ZUGABE—-
Morgenrot












