Marco Calvo hat einen sehr erfolgreichen Start mit seinem zweiten Album „Social Phobia“ gelegt. Im mindbreed Interview erzählt er über die Zusammenarbeit mit Johan Van Roy und wissenswertes über sein neues Album.

Eniz: Danke für deine eingeräumte Zeit, um für uns und unsere Leser dieses Interview zu geben. Dein neues Album „Social Phobia“ wurde nun unter Johan Van Roy´s neuem Label „NTP“ veröffentlicht und er ist Gastsänger bei „Words of Judas“ und „Invasive Therapy“. Welche Umstände machten diese Zusammenarbeit möglich?

Marco Calvo: Kurz nach dem Motorradunfall erzählte mir Johan von seine Idee NTP zu gründen und er wollte Dioxyde dabeihaben. Wir sind alte Freunde und vertrauen uns blind und waren letztendlich froh, dass wir zusammenarbeiten konnten. Johan kam den ersten Tag ins Studio in Essen um die Vocal Aufnahmen für das Album zu beaufsichtigen. Und da dachten wir, es wäre sicher cool was gemeinsam aufzunehmen und so taten wir es dann auch. Es war eine spontange Aktion.

Eniz: Dein Debüt „Torschusspanik“ ist schon lange ausverkauft, in der EBM Szene wurdest du lange Zeit als Geheimtipp gehandelt. Was hat sich mit dem Wechsel zu einem bekannten Label geändert? Ist der Underground Spirit verflogen?

Marco Calvo: Es ist richtig, dass der Name „Dioxyde“ nun in der EBM Szene ein Begriff wird und das ist sehr großartig und macht mich sehr stolz und dankbar an allen und jeden, wie jemals ihr Vertrauen in mich gesetzt haben, ganz speziell Johan. Ich stimme zu, dass Dependent ein großes Label ist, aber NTP repräsentiert sein Underground Gesicht und so hat sich nicht wirlich viel verändert. Klar, je mehr Respekt zu kriegt, desto mehr Verantwortung hast du zu übernehmen.

Aber der Druck kommt von dir selber, nicht vom Label den Medien oder von sonstjemanden. Sicher, manche großen Band kriegen Richtlinien und manchmal sind diese sehr streng. Aber „Dioxyde“ ist ein eher kleiner Name und hatte niemals sich mit solchen Dingen auseinanderzusetzen.

Eniz: „Social Phobia“ begeisterte die ganze EBM Szene, dein Album ist diese Woche auf Platz 9 der DAC. Hast du mit solch einem Erfolg gerechnet? Und ist eine Chartplatzierung in den DAC für dich wichtig?

Marco Calvo: Der Künstler muss der erste sein, der an sich glaubt. aber man kann niemals voraussehen, wie ein neues Album funktionieren wird. Die Reaktionen waren sehr enthusiastisch seit dem ersten Tag nach der Veröffentlichung. Wir waren 8 Wochen in den Dac, das Maximum was eine Band in den Charts sein kann und habe niemals mit so einem Ergebnis gerechnet.

Ich weiß nicht, ich sehe die DAC, ich sehe „Dioxyde“ zwischen all diesen großen Namen und kann es garnicht fassen. Ich bin wirklich sehr glücklich. „Social Phobia“ hat in allen wichtigen Magazinen und Webzines großartige Kritiken gekriegt, ich habe einen Haufen unterstützende Emails von Fans gekriegt, auch von solchen, die noch nie was von „Dioxyde“ gehört hatten. Und das gibt mir meine volle Energie.

Eniz: Als ich dein Debüt „Torschusspanik“ mit „Social Phobia“ verglichen hatte, ist mir ein Unterschied aufgefallen. „Torschusspanik“ ist eher – ich will nicht sagen – amateurhaft, aber die Produktionsqualität ist nicht so gut wie auf „Social Phobia“. Klar, du hast es in Eigenregie gemacht. Aber „Social Phobia“ hört sich dahingegen professioneller an. Haben sich die Möglichkeiten geändert, sogar verbesser, als du zu NTP kamst?

Marco Calvo: Die Musik wurde in meinem Heimstudio in Madrid aufgenommen, wie einst „Torschusspanik“, aber aufgrund mehr Erfahrung und vielleicht differenzierterer Ideen habe ich eien klareren und schärferen Sound kreiiert. Dank NTP konnte ich im XMP Studio in Essen aufnehmen, die eine gute Arbeit mit dem Mastering geleistet haben. All dies zusammen machen den großen Unterschied zum Debüt aus.

Eniz: Im Debüt hast du jede Menge 2. Weltkrieg Samples benutztt, bei „Social Phobia“ nun garnicht. Ist die Zeit der 2. Weltkrieg Samples vorbei und ist es ein hohes Risiko, dass die Leute die Intention hinter dem Ganzen nicht verstehen und die Band somit in die faschistische Ecke stellen?

Marco Calvo: Wenn ich dieses Mal keine 2. Weltkrieg Samples benutzt habe, kannst du sicher davon ausgehen, dass ich das nicht gemacht habe, weil ich die Befürchtung hatte, dass die Band in eine faschistische Ecke gestellt wird. Es ist ganz einfach so, dass ich was anderes machen wollte. Sicher bin ich mir des Risikos bewusst, dass die Verwendung gewisser Samples in sich birgt, und natürlich gibt es immer ein paar Menschen, die dazu neigen, so eine Sache die eine oder andere „besondere“ Bedeutung beizumessen, aber ich für meinen teil sehe das recht offen und habe damit auch keine Probleme.

Eniz: Du hast außerdem ein Sample aus Gasper Noé kontroversem Film „Irreversiblé“ benutzt. Bis du ein Fan von Noé´s Filmen und was denkst du über diese scheinbar endlose Vergewaltigungsszene, die du als Sample benutzt hat? Darf man sowas überhaupt in einem Spielfilm zeigen?

Marco Calvo: Mein Gott, wie lang war sie? 10min? 15min? Brutal, oder? Ich war total von dem Film beeindruckt. Ich denke, ein Künstler muss schon sehr von sich und seiner Sache überzeugt sein, egal wie bizarr sie auch in den Augen der anderen erscheinen mag und dieser französische Typ tat es. Gott, er hat es bis zum Ende durchgezogen. Er drehte den Film rückwärts, Sequenz über Sequenz, was ohnehin schon sehr seltsam war. Und dann, irgendwann, erschlägt er dich ohne Gnade mit solch einer Vergewaltigungsszene. Ich kann mir sehr gut vorstellen, was er für eine Druck von den Produzenten gekriegt haben muss, dass er diese Szene ändert.

Mit dem Song „Aftermath“ habe ich versucht damit zu experimentieren, eine ähnlich quallvolle und beklemmende Soundatmosphäre zu schaffen, um beim Hörer dieselben Gefühle auszulösen, wie der Zuschauer dieser Szene. Irgendwie: „Gott, stopp es, es ist genug!“

Eniz: Du hast dein Album „Social Phobia“ genannt. Viele Psychiatrie Elemente und Themen sind darauf behandelt. Warum hast du dich gerade für dieses Thema entschieden und was war die inspiration?

Marco Calvo: Ich war schon immer irgendwie von dieser Krankheiten-Thematik besessen. Und gerede Geisteskrankheiten haben es mir angetan. Auch mein Motorradunfall im Jahr 2004 ist auf dem Album sehr präsent, wie es in mir präsent war, als ich die meisten Texte schrieb. Die Texte sind jetzt nicht autobiograhisch, aber die Gefühle dann doch schon, meinte ich damit.

Eniz: Die Todesbescheinung, die im inneren der CD abgedruckt ist, sagt, dass du am 17. April 2006 gestorben bist. Ich dachte zunächst, es wäre das Erscheinungsdatum deiner CD, aber die war ja am 28. April 2006.

Marco Calvo: Deine Überlegung geht schon in die richtige Richtung. Als das Design gemacht wurde, war die Veröffentlichung auf den 17. April angesetzt. Später wurde es auf den 28. April verschoben und da war es dann schon zu spät es nochmal zu ändern. Nun, am Ende hätte es sogar noch funktioniert, da ich mich am 17. April umgebracht hätte, wäre die Veröffentlichung noch mal verschoben worden.

Eniz: Die Texte auf „Social Phobia“ sind in drei Sprachen. Spanisch, Englisch und Deutsch. Was war der Grun dafür? Vielleicht das Spiel der Aussprache in den fremden Sprachen?

Marco Calvo: Irgendwie meine ich, dass Englisch gerade dafür gemacht ist, Texte zu schreiben. Ich wollte auch irgendwas in Spanisch, meiner Muttersprache, schreiben, aber das ist ganz normal. Und als ich sagte, dass Englisch die Sprache ist, um generell Songs zu schreiben, ist Deutsch die Sprache des Elektros. Wenn ich einen Song auf Deutsch schreibe, so rückt mich das näher an die EBM Wurzeln und ist so meine Art der Tributzollung der großen Unterstützung für „Dioxyde“ aus Deutschland.

Ich muss sagen, das war schon eine große Herausforderung mit meinem schlechten Deutsch, da brauchte ich Hilfe. Aber ich würde gerne fähig sein andere Songs auf Deusch zu schreiben.

Eniz: Du kommst ja aus Madrid. Was für Unterschiede zwischen der spanischen und deutschen Elektroszene?

Marco Calvo: Die spanische Elektroszene ist so klein, dass ich garnicht erst von einer „Szene“ sprechen würde. besonders in Madrid. 5 Millionen Einwohner, 3 Clubs. Alle drei spielen seit Jahren dieselben Depeche Mode und Sisters of Mercy Songs. Nun, ich kann schwer sagen, wie die Dinge heutzutage dort aussehen, ich bin da ziemlich raus. Aber ich vermute, dass du hier und da kleinere Communities finden kannst.

Letztendlich sind da ein paar große Promoter in Spanien, wie Kromlech im Norden oder Ladefunction auf den Canarischen Inseln, die dann Bands wie Hocico, Agonosize, Stin Scatzor und andere bringen und immer mit großem Erfolg.

Eniz: Ist eine Tour geplant, die dich durch Deutschland bringt? Vielleicht mit Suicide Commando? Und wirst du dir die übrigen Festivals anschauen, wie z. B. das M´era Luna? Ich sah, dass du dort nicht auftrittst.

Marco Calvo: Vielleicht wird es eine kleine Tour in Mexico geben am Ende des Jahres, aber das ist alles noch nicht besttätigt. Ein paar Suicide Commando „Blood Tortour Kill“ Shows sind abgesagt und vielleicht werde ich da mit als Keyboarder auftreten, wenn diese dann irgendwann dieses Jahr nachgeholt werden.

Danke für dein Interesse an Dioxyde. Es hat mir sehr viel Vergnügen gemacht, auf die Fragen zu antworten. Viel Spass!

Autor: Eniz

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